Konzert: Desperate Journalist
Ort: Fibbers, York
Datum: 05.08.2016
Dauer: 35 min
Zuschauer: leider wenige
Mein schönstes Mitbringsel vom letztjährigen Indietracks-Festival war eine neue Lieblingsband. Ich hatte mir Desperate Journalist zwar schon vorher auf meine Festival-Todo-Liste geschrieben, war aber trotzdem vollkommen überrascht, wie toll die Londoner Band live war. Ihr erstes Album ist das beste, das ich seit Ewigkeiten gehört habe. Im März waren Desperate Journalist Teil meines zweiten eigenen Konzerts und waren auch da wieder wundervoll.
Daß Desperate Journalist während meines England-Urlaubs in meiner Nähe spielen würden, war eine schöne Fügung! Während und nach dem Indietracks spielten Desperate Journalist als "very special guests" von Chameleons Vox u.a. in London, Brighton, Bristol und Glasgow. Und - für mich zeit- und räumlich perfekt - in York.
York ist eine wunderschöne alte Stadt, dominiert vom Münster, in das [Besserwisser-Fakt], wäre es ein Aquarium, fünf ausgewachsene Blauwale passten. Das Fibbers dagegen ist ein moderner Club, der zwar innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern aber auf der anderen Flußseite liegt. Anders als viele dieser kleineren britischen Musikclubs liegt der Livebereich im Fibbers nicht im ersten Stock, die Bar war stattdessen vor und rechts der Bühne. Die Tanzfläche vor der eigentlichen Bühne liegt etwas niedriger, rechts und links davon waren Geländer, dahinter einige Sitzecken. Als ich ankam, spielte die erste Band des Abends bereits. Ich hatte in nichts von Berlin Black reingehört, merkte aber sofort, daß das nichts für mich war. Berlin Black klangen ansatzweise wavig (das war gut), der Sänger wie der von Camouflage (das war auch noch gut), dazu kamen aber fiese Rock-Gitarren und noch fiesere Posen. Das war nichts. Aber ich war ja auch nicht wegen der ersten Band da.
Desperate Journalist gingen bereits um fünf nach acht auf die Bühne. Der Club war da noch viel zu leer; diejenigen, die da waren, standen vor allem an der Bar oder oben hinter den Geländern.
Das Konzert begann mit etwas Neuem. Daß Desperate Journalist ein neues Album aufgenommen haben, hatte ich mitbekommen. Aber das Konzert gleich mit etwas Unbekanntem beginnen? Das ist souverän! Wobei die Band das vermutlich viel pragmatischer sieht. "Wir wollen nicht, daß es langweilig wird", sagte mir Schlagzeugerin Caz hinterher. Außerdem (mein Pragmatismus) kannte der durchschnittliche Chameleons-Vox-Zuschauer ja eh nichts von Desperate Journalist, daher war für ihn alles neu.
I try not to klang gut, ich war aber zu überrascht, um genauer darauf zu achten. Danach kamen vier alte Lieblinge. O, Happening, Nothing und Control. Vier riesige Kracher. Die vier - Sängerin Jo Bevan, Schlagzeugerin Caz Hellbent, Gitarrist Robert Ormond Hardy und Bassist Simon D Rowner - sind ähnlich wie die vier Hits. Sie sind eine hervorragende Liveband und werden immer besser. Auch wenn vor allem die Debüt-LP schon hervorragend ist, sind DJ live noch besser als auf Platte. Voraussetzung dafür ist Jos wunderbare Stimme. Man läuft da immer ein wenig Gefahr, die anderen etwas zu vergessen. Aber das wäre fahrlässig. Diese Gitarren! Und der tolle Bass. Mein heimlicher Held diesmal war die aus Paris stammende Schlagzeugerin. Caz hatte die größte Szene des Abends. Bei einem weiteren neuen Stück (Lacking) zählte sie den Takt mit ihren Drumsticks an, schlug die aber auch in der Folge immer weiter, auch als Robert schon mit seiner Gitarre spielte. Dieses Stilmittel habe ich noch nie gesehen, wenigstens nicht bewußt.
Lacking fing sehr langsam an, war sehr sehr schön. Irgendwann wurde das Lied lauter. Lacking war beim ersten Hören das beste der neuen Lieder. Es wäre auch auf der Debütplatte einer meiner großen Lieblinge!
Bei den beiden neuen blieb es nicht. Ein anderes war (nein hieß) Boring, es ist das bisher fröhlichste Lied der Band. "Unser popigstes Stück", gab mir Caz hinterher recht. Auch so etwas können sie! Gets better war das letzte neue. Dabei war der Schrei-Ausbruch von Jo Bevan bemerkenswert.
Jos Eigenart beim Singen ist ihr Umgang mit dem Mikrokabel. Ich weiß nicht, ob die Idee, ein rotes Kabel zu benutzen, im März im Tsunami entstanden ist. Da gab es wenigstens eins. Jo wickelt sich das Kabel wie Ketten um den Hals. Da die Band stets in schwarz (mit ganz wenig weiß) gekleidet ist (Caz hatte dazu eine rote Krawatte an), ist das rote Kabel ein stylisher Kontrast. Aber nötig hätten sie das nicht, die Songs würden auch mit Minipli und Hawaii-Hemden beeindrucken.
Nach den drei neuen Liedern Boring, Lacking und Gets better beendete Cristina das Konzert. Daß der Auftritt, der fast zur Hälfte aus neuem Material bestand, genauso gut wie meine beiden ersten war, beruhigt mich enorm! Die Londoner werden mir also auch weiterhin großen Spaß machen, hoffentlich dann auch wieder in Deutschland...
Setlist Desperate Journalist, Fibbers, York:
01: I try not to (neu)
02: O
03: Happening
04: Nothing
05: Control
06: Boring (neu)
07: Lacking (neu)
08: Gets better (neu)
09: Cristina
Links:
- aus unserem Archiv:
- Desperate Journalist, Köln, 30.03.16
- Desperate Journalist, Ripley, 25.07.15
1 Kommentare :
Soviel zur extensiven Erörterung der Vorband. Aber wie waren die Headliner, die grossartigen Chameleons ??
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