Montag, 18. März 2013

Biffy Clyro, Wiesbaden, 05.03.13


Konzert: Biffy Clyro 
Ort: Schlachthof Wiesbaden 
Datum: 05/03/2013 
Support: The Xcerts 
Besucher: ca. 2500 – ausverkauft. 

Bericht und Fotos von Tanita



Bei „Opposites“ und mir war es einfach Liebe aufs allererste Hören. Seit Anfang Januar komme ich nicht mehr von dem gewaltigen Doppelalbum von Biffy Clyro weg und will das auch gar nicht. Per Definition hätte ich das Album schon längst mehrfach totgehört und genauso wie dies häufig geschieht, hätte ich auch kurz vor dem sehnlich erwarteten Konzert im Schlachthof mal wie so oft wieder keine Lust mehr auf die Band haben müssen – aber ich hatte sowas von unfassbar Bock auf das Konzert, dass ich es gar nicht anders formulieren möchte! Zur Veranschaulichung soll vielleicht nur die Tatsache dienen, dass ich mich bereits „Pocket“ singend und summenderweise der neuen großen Halle des Schlachthofs näherte und die circa 1,5 Stunden vor Einlass mit begeisterter Unterhaltung mit ein paar Die-Hard-Mon-the-Biff-Anhängern gefüllt habe. 


Biffy Clyro und ich hatten bereits schon einmal auf dem Area 4 Festival (R.I.P.) 2010 das Vergnügen und an diesem glorreichen Tag teilten sie sich eine Bühne mit zwei meiner Lieblingsbands, Editors und Placebo, und den wahnsinnigen Queens of the Stone Age – harte Konkurrenz, aber ich bin mir sicher, dass die Performance der drei halbnackten Schotten damals großen Anklang fand – nur bei mir leider gar nicht. Ich erinnere mich noch genau daran, wie verstörend ich den zierlichen, oberkörperfreien, tätowierten und damals ganz gruselig blondierten Sänger und Leadgitarristen Simon Neil fand. Insgesamt vielleicht einfach zu viel geballtes Testosteron und dann noch bunte Hosen...mein Herz konnten sie leider nicht erobern. Anscheinend hat sich jedoch mein Musikgeschmack in den letzten Jahren so verändert/verbessert, dass es nun heißt: Biffy Clyro all the way! Nachdem ich „Opposites“ und vor allem zunächst das großartige „Black Chandelier“ in mein Herz geschlossen hatte, habe ich mir, weil ich gar nicht anders konnte, das ebenso großartige „Only Revolutions“ von 2009 gekauft und u.a. bestimmt 150 Mal „Bubbles“ angehört – und mich dann nochmal ganz kurz selbst gequält, indem ich mir die Performance beim Area 4 angesehen habe, die ich aus heutiger Perspektive unverständlicherweise so furchtbar fand. 

Lange Rede, kurzer Sinn: bei mir hat sich eine extreme und umfassende Faszination mit dieser tollen schottischen Band ausgebildet und ich war umso gespannter das ganze nun endlich noch einmal wirklich live erleben zu dürfen. Die neue große Halle des Wiesbadener Schlachthofs ist wie ich finde wirklich toll gelungen – super Ausstattung und von der Größe her genau richtig für eine imposante Show, aber klein genug, als dass man auch ganz hinten stehen könnte und alles sehen würde – alles in allem eine wirklich empfehlenswerte Location, deren Programm mich dieses Jahr immer und immer wieder nach Wiesbaden lockt. Wenn man bedenkt, dass Biffy Clyro in England und Schottland Stadien beeindruckender Größe füllen, darf man sich wirklich glücklich schätzen, sie (noch) in einer relativ kleinen Halle sehen zu dürfen. 

Zur gewohnten Zeit ging es dann mit der ebenfalls schottischen Supportband „The Xcerts“ los, die für mich persönlich musikalisch ganz gut zu Biffy Clyro gepasst haben und auch einen wirklich netten Eindruck machten, bei mir aber kein weiteres Interesse wecken konnten. 



Bald darauf war es endlich Zeit für Biffy Clyro: optisch reduziert inszeniert, als klassische Rockband mit großem Banner, das das aktuelle Albumcover zeigte und sich auch auf der Bassdrum wiederfinden ließ. Durch die Art und Weise, wie Biffy Clyro die Bühne betraten – ohne großes Rockstargehabe und unter tosendem, fordernden Applaus des ausverkauften Hauses – war sofort klar, dass der Abend „gut“ werden würde. Ebenso angenehm unaufgeregt begannen Biffy Clyro mit dem Opener von „Opposites“, genauer gesagt dem ersten Song des ersten Teils des Doppelalbums namens „The sand at the core of our bones“, der den perfekten Start in das 23-Song-starke Set lieferte. „Different People“ beginnt lediglich mit der gefühlvollen, starken Stimme des Sängers Simon Neil, der von Anfang an so viel Emotion in den Song legt, dass die Stimmung im Publikum förmlich zusammen mit dem Song explodiert und den ganzen Abend auf einem hohen Niveau gehalten werden sollte. Simons Stimme allein füllt den Raum und in dem Moment, in dem die beiden Zwillinge Ben Johnston respektive am Schlagzeug und James Johnston am Bass loslegen und Simon zusammen mit dem Supportgitarristen alles Menschenmögliche aus ihren Gitarren herausholen, ist bewiesen, dass das neue Album live mehr als funktioniert. Ich persönlich fühlte mich geradezu hinweggefegt von einem perfekten, kraftvollen Soundgewitter, wie ich es bisher selten erlebt habe. Sowie der erste Song des neuen Albums wieder verstummt, wird mit „That Golden Rule“ ein bekanntes und beliebtes Stück nachgelegt, das genauso explodiert, wie der Opener und ebenso makellos intoniert wird, wie es mir von Anfang an positiv aufgefallen ist. Perfekter Klang und das scheinbar mühelos und mit einer Begeisterung, die sich immer wieder in einer kraftvollen Bühnenshow widerspiegelt. Das Schönste daran wiederum, dass ich es jedem einzelnen Bandmitglied abkaufe bzw. viel mehr noch vollkommen authentisch und glaubwürdig finde – keine übertriebene Pose, keine Allüren, sondern einfach nur wahnsinnig gute Songs, die mit der nötigen Wucht präsentiert werden. Auf eine weitere starke Nummer des neuen Albums, namens „Sounds like Balloons“ folgt einer meiner persönlichen Lieblingstracks des Albums, der bereits Ende letzten Jahres als erste Singleauskopplung vorausgeschickt worden war: „Black Chandelier“. Von Simon in Interviews als typischer Biffy Song bezeichnet, schaffen Biffy Clyro es mit „Black Chandelier“ ihr gesamtes Spektrum an Können in einem einzigen Song zu bündeln: der ruhige, nachdenkliche und sehr gefühlvolle Beginn, der sich im Laufe des Songs mit einer Vehemenz in eine Gitarrenrock-Hymne verwandelt, ohne auf textlicher Ebene abzuflachen oder sich stumpf zu wiederholen. Stattdessen dynamische Rhythmuswechsel und ein Text, der nicht nur die ausweglose und ausgebrannte Situation aufgreift, in der sich Biffy Clyro nach 2 Jahren Tour mit „Only Revolutions“ befanden, sondern eine ganz und gar unkitschige Hymne über Schmerz, Betrug und Verlust ist - Themen, die allgemein die erste Hälfte des Doppelalbums durchziehen. Das gesamte Set enthält im Prinzip nur tolle Songs, bestehend aus einer gekonnten Mischung aus alt und neu, die von ganz wenigen, aber umso sympathischeren Ansagen unterbrochen wird und die Songs relativ schnell aufeinander folgen, was auch die überdurchschnittliche Anzahl an Songs erklärt, aber trotzdem nicht unangenehm ins Gewicht fällt. 



Besondere Highlights vom neuen Album waren unter anderem „Biblical“, „Victory over the Sun“ und „Pocket“, wobei die anderen neuen Stücke den genannten Liedern eigentlich in Nichts nachstanden. Natürlich durften „God & Satan“ und das unfassbare „Bubbles“ von „Only Revolutions nicht fehlen. Bis zu „Bubbles“ hat mich die Wucht der Songs teils fast etwas überfordert, aber spätestens dann waren die Mehrheit des Publikums und ich damit beschäftigt in perfektem Gleichklang mitzusingen und vor allem mitzuspringen. Ältere Stücke von „Puzzle“, wie „Who's got a match?“ und „Living is a problem because everything dies“, das live alleine schon durch das perfekte Timing von Simons Gitarrenspiel beeindruckt, wurden vom Publikum geradezu frenetisch gefeiert – genauso wie eine der zahlreichen, herausragenden Biffy-Hymnen: „Machines“. Simon nur mit Akustikgitarre und geschlossenen Augen, der sichtlich von den Publikumsgesängen getragen wird und den Chorus komplett dem Publikum überlässt und am Ende nur in ganz und gar entzückendem Deutsch kommentiert, dass das „wirklich sehr schön“ war. Ebenso wie „Machines“ nicht fehlen durfte, durfte auch „Many of Horror“ nicht fehlen – für meine Begriffe eines der schönsten Liebeslieder aller Zeiten. Gekonnter Stilbruch mit dem direkt folgenden „The Captain“, das den Abschluss des ersten Teils bilden sollte, um das Publikum noch einmal richtig zu fordern („Woo!“) und dann mit der ersten Zugabe „Skylight“ abermals die Stimmung vollkommen zu verändern. 


„Skylight“ für mich persönlich ein weiteres herausragendes Stück auf einem großartigen Doppelalbum. Das fantastische Konzert endet so energetisch, ungekünstelt und auch abrupt, wie es begonnen hatte, mit „Mountains, einem ihrer verdienterweise bekanntesten und erfolgreichsten Lieder. 

Zurück bleibt eine verschwitzte Menschenmenge, strahlende Gesichter und für mich persönlich der Vorsatz, mich so bald wie nur möglich wieder dieser Naturgewalt namens Biffy Clyro auszusetzen. 

Fazit: Zutiefst beeindruckend. Genau das, was ich erwartet hatte und noch mehr. Ein unvorstellbar satter Sound, der einen umfegt und gegen die sprichwörtliche Wand (oder auch Absperrung) gedrückt hält und den Druck nur dann kurz verringert, wenn eines der vielen unprätentiösen und gerade deshalb so wunderschönen ruhigeren Lieder den Raum füllt. Biffy Clyro sind kraftvoller und besser denn je und der Festivalsommer 2013 gehört absolut verdienterweise ihnen. 

Setlist: 

Different People 
That Golden Rule 
Sounds like Ballons 
Black Chandelier 
Living is a problem because everything dies 
God & Satan 
Modern Magic Formula Booooom, 
Blast & Ruin 
Biblical 
Victory over the Sun 
Bubbles 
Spanish Radio 
Pocket 
There's No Such Thing as a Jaggy Snake 
Machines 
Opposite 
Who's Got a Match? 
The Joke's On Us 
Many of Horror 
The Captain 

Skylight 
Stingin' Belle 
Mountains 

Festivaltermine in Deutschland: 07-09/06 – Rock im Park/ Rock am Ring 08-11/08 – Open Flair Festival 09-11/08 – Taubertal Festival 16-18/08 - Rock'n'Heim 18/08 - Rock im Pott 


1 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Die Passage mit den bunten Hosen und der darauf folgende Übergang sind ganz große Klasse. Filigrane Beobachtungen fesselnd mitgeteilt.

 

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