Konzert: Sea + Air (Bedroom Disco)
Ort: Oetinger Villa, Darmstadt
Datum: 03.03.2013
Zuschauer: 120 bis 150*
Dauer: knapp 85 min
Der 03.03.13 muß einer der ereignislosesten Tage der letzten Jahre sein. Weil ich auf der Hinfahrt nach Darmstadt nicht recht wusste, auf welche Musik ich gerade Lust hätte (mein iPod war wie ein voller Kleiderschrank, in dem nichts anzuziehen hängt), blieb das Radio. DLF geht schließlich immer - außer auf der A3 auf Höhe von Wiesbaden. Es blieb SWR 3 und deren 19 Uhr Nachrichten. Und die waren (ungekürzt und in dieser Reihenfolge):
1) Auslosung DFB Pokal
2) Ergebnisse Fußball-Bundesliga
3) Ergebnisse 2. Liga
4) die Volksabstimmung in der Schweiz
5) Proteste gegen den Mauerabriss in Berlin
6) Stabhochsprung bei der Leichtathletik Hallen-EM
7) Wetter
Kein Euro, kein Syrien, kein Italien, keine Verdi-Streiks, ein offenbar vollkommen langweiliger Tag.
Und was macht man an langweiligen Tagen? Ich gehe dann zu einem Konzert. Heute war das Sea + Air im Rahmen der Darmstädter Bedroom Disco. Mit Sea + Air, dem Paar Eleni und Daniel, verbinde ich bisher eine einzige Konzerterfahrung - und die war etwa genau das Gegenteil der heutigen Nachrichtenlage. Das Konzert im Blue Shell in Köln war musikalisch toll und eine großartigen Ansammlung von schrecklich charmanten Pannen. Der Abend machte mir enorm viel Spaß! Und wenn mir eine Band live Freude bereitet, möchte ich sie gerne wiedersehen.
Gestern kam das mail, daß ich einen Platz für das Bedroom Disco Konzert des Duos gewonnen hätte. Als Ersatz-Wohnzimmer wurde die Oetinger-Villa in Darmstadt angekündigt, von der ich bisher nur gehört hatte. Die Villa, die offenbar zur Uni gehört und studentisch selbstverwaltet ist, war schon ganz gut gefüllt, als ich ankam. Wir sollten Kissen mitbringen, stand im Bestätigungsmail. In der großen Halle im Erdgeschoß mit holzvertäfelten Wänden und großem Kamin war schnell kein Platz mehr unbesetzt. Wenn jemand rauswollte, um Getränke zu kaufen, erinnerte mich das vorsichtige Durchqueren des Raums an Die Vögel.
Wie komme ich jetzt von Die Vögel auf Sea + Air, ohne Witze über komische Vögel zu machen? Wohl gar nicht. Also weiter ohne eleganten Übergang, was mir besonders unangenehm ist, weil mit Linus Volkmann von der intro jemand, das Vorprogramm bestritt, der Geld mit elegantem Formulieren verdient. Er mache das, weil es mit der eigenen Band (Bum Khun Cha Youth) nicht funktioniert habe. Statt aus seinem aktuellen Buch Kein Schlaf bis Langenselbold zu lesen, erzählte er vom Auftrag des Verlegers, eine Homestory über Sea + Air zu verfassen, über diesen Typen, der aussehe wie Luigi von Super Mario und einem schlanken R2D2 mit Perücke. Das war kurzweilig und schnell vorbei. Nach 15, höchstens 20 Minuten fragte er die Gastgeber "wie lange muß ich, um das Geld zu bekommen?", es reichte offenbar, ich hätte gerne noch etwas mehr gehört.
Für Sea + Air war bereits aufgebaut. Eleni und Daniel brauchen zwar nicht viele Instrumente, um ihren besonderen Sound zu erzeugen, ihr wichtigstes Element ist allerdings ein Cembalo, das sie auch live nicht durch Keyboards (oder eine iPhone App) ersetzen. Das barocke Tasteninstrument macht nicht nur viel her, es füllte die Bühne, die an einer der kurzen Seiten des Raums aufgebaut war, auch gut aus. Eleni hatte zwar auch ein Keyboard dabei, das kam allerdings nur bei ein, zwei Stücken zum Einsatz (The sea after a storm).
Daniel Benjamin, der ein ärmelloses T-Shirt trug, spielt vor allem Gitarre. Da Sea + Air Sea + Air und nicht Sea + Air + Air heißt, müssen die beiden Musiker auch Schlagzeug spielen. Das sah dann so aus, daß vor allem er gleichzeitig Gitarre und Schlagzeug spielte. Bei Do animals cry spielte Eleni mit der rechten Hand Cembalo, mit der linken trommelte sie über Kreuz! Bei Mery Street, dem Lied, dessen Anfang mich an Red Rain erinnert, spielte ihr Mann sogar streberhaft Cembalo, Gitarre und Schlagzeug.
Das Cembalo könnte man auch für Angeberei oder Strebertum halten, es ist aber alles andere als das. Die dadurch erzeugten Melodien sind zwar ein wenig versponnen, sie machen aber den besonderen Pfiff vieler der Stücke aus. You don't care about me ist ein schönes Beispiel dafür. Wie wundervoll da doch dieses antike Instrument aufblüht!
Das Konzert war weit weniger chaotisch als das vor sechs Monaten in Köln. Aber ganz ohne geht es wohl nicht (juchuu!). Da flogen mal Drumsticks hin und her, um dann beim nächsten Lied zu fehlen. Dann scheiterte der sorgsam mit Uh-Uh-Gesang erzeugte Übergang zwischen Yeah I know und Safe from harm dadurch verpatzt, daß Daniel mit dem Stimmen der Gitarre noch nicht durch war, als Eleni zum neuen Stück ansetzen wollte - herrlich!
Nach einer guten Stunde und einer schönen Bandansage "Informationen für Konzertbesucher", spielten Eleni und Daniel noch zwei Zugaben (eine mir unbekannte mit Mitmach-Teil - wir sollten rhythmisch mit unseren Schlüsseln rasseln - und dem wundervollen akustischen Duett You are) endete das Konzert nach fast anderthalb Stunden. Es ist ohnehin sinnvoll, Künstler unmittelbar nach dem Konzert zu unterstützen, indem man Merch kauft oder - wie bei der Bedroom Disco - die Gage in den Sammelkorb gibt, nach solchen Abenden geschieht dies aber noch eine Portion lieber!
Setlist Sea + Air, Bedroom Disco, Darmstadt:
01: Take me for a ride
02: You & I
03: Do animals cry?
04: Mery Street
05: You don't care about me
06: Yeah I know
07: Safe from harm
08: Dirty love
09: The sea after a storm
10: Heart of a rainbow
11: ? (Z)
12: You are (Z)
Links:
- Sea + Air, Köln, 24.10.12
Bilder folgen!
* ich kann doch nicht schätzen
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