Konzert: Troy von Balthazar (& Julien Pras & Luis Francesco Arena & The Electric Fresco)
Ort: La Boule Noire,Paris
Datum: 20.03.2013
Zuschauer: etwa 200
Konzertdauer: Troy etwa 1 Stunde,Julien Pras 50 Minuten, die anderen beiden kürzerTroy von Balthazar ist ein unglaubliches Phänomen. Ein Mann voller Widersprüche. Optisch wirkt er wie der typische kalifornische (oder besser hawaiianische) Sunnyboy und man könnte sich ihn auch perfekt als leichtlebigen Surfer vorstellen. Musikalisch hat sein Schaffen aber so rein gar nichts mit unbeschwertem Strandleben und der Leichtigkiet des Seins zu tun. Da klingt alles schwerst traurig, wolkenverhangen und tödlich melancholisch.
Warum eigentlich fragt man sich? Und schiebt kurze Zeit später diese Frage wieder beiseite, weil man der Person Troy von Balthazar nicht zu Nahe treten und seine Privatsphäre respektieren will und weil man auch gar nicht wirklich das Mysterium um seine Person auflösen will. Lieber erhält man sich das Rätsel, benügt sich damit festzustellen, daß er ein sensibler und gefühlsbetonter Mann ist, der zufälligerweise in einem starken, drahtigen Körper steckt und hört seiner fragilen Musik zu.
Musik, die nie trauriger, allerdings auch nie schöner und nahegehender klang als an jenem 20. März in der Pariser Boule Noire. Etwa 60 Minuten lang hauchte der Hawaiianer seine suizidalen Songs theatralisch wie immer in sein Mikro, spielte dazu E- und ab und an akustische Gitarre und jagte mir damit ein riesiges Messer durchs Herz. Das war schonungslos emotional, schockierend trist, aber irgendwie auch wahnsinnig tröstlich.
Auf einen für depressive Stimmungen anfälligen Menschen wie mich wirkten die Stücke wie Balsam auf die Seele, ich fühlte mich verstanden und in Geborgenheit.
Da es nicht übermäßig voll war, enstand eine sehr intime Atmosphäre, zumal diejenigen die da waren, in der Mehrzahl zu den Hardcorefans zählten. Die waren nicht rein zufällig hier, sondern verfolgen die Karriere des Hawaiianers schon seit Jahren. Florent Dupont (vom Chokebore Forum), Magali Boyer (die Fotografin eines feinen Bildbandes über den Musiker), Oliver Peel (keine Ahnung, wer das ist), all diese Leute wissen genau, daß der ex (?)-Chokebore Sänger ein Ausnahmekünstler ist. Wer sich einmal mit diesem Melancholiker beschäftigt hat, kommt von ihm nicht mehr so leicht los. Zu groß ist seine Klasse, zu stark sind seine Songs, zu charismatisch ist der Bursche. Einmal Fan, immer Fan.
Zu recht, denn man hat das Gefühl, daß sich der Musiker immer noch weiter verbessert, noch weiter reift, noch bessere Lieder schreibt.
"C'est un tube- das ist ein Hit" schrie ein etwas verrückter Fan während des Konzertes immer mal wieder rein, wenn ein altbekannter Song erklang (z.B. Heroic Litte Sisters, immer noch sagenhaft) Aber die Lieder von Troy sind nie kommerzielle Hits geworden, sie waren es immer nur aus Sicht der Indie-Leute. Textzeilen wie "My life has no meaning", I drink to keep the tigers away oder "Days Of Nothing" (von Chokebore) sind halt nicht sonderlich radiotauglich. Der Mainstream mag es happy und unbeschwert.
Dabei finde ich persönlich gerade die stark schwermütige Seite besonders anziehend. Kaum einer vermittelt sie so glaubwürdig wie von Balthazar, wobei der Künstler mit dem Thema nie zu schwülstig umgeht, sondern immer auch ein gewisses, sehr sympathisches Augenzwinkern erkennen lässt. Symptomatisch dafür war Troy's Kommentar: "So now I wanna play a sad song, because the others before were so happy".
Der "sad song" von dem der Ami sprach hieß dann Tone Clusters. Ich kannte das Stück vorher nicht, war aber von Anfang an total geplättet. Melancholischste Gitarren, fast wie bei Balladen von Interpol, erfüllten den Raum und tänzelten im Sample-Modus das ganze Stück über sehnsüchtig vor sich hin. Troy sang dazu Zeilen wie: I want you to remember me this way oder I want you to remember the falling face" und wer bis dahin noch nicht den perfekten Song für seine Beerdigung gefunden hatte, wurde hier fündig. Das war ganz großes Kino, an Gefühl und Intensität kaum zu übertreffen.
Dennoch war auch das übrige Set kaum schwächer, wenngleich mit Tone Clusters in der Tat der emotionale Höhepunkt erreicht worden war.
Hatte Troy die ersten sechs Songs stehend bestritten, ging er nun in sein "Wohnzimmer" und spielte ein paar Lieder lang sitzend weiter. Ein Teil der Bühne war tatsächlich wie ein kleines Wohnzimer eingerichtet, es gab einen Sessel, eine Stehlampe und einen roten Vorhang. Etwas karg, aber man konnte es sich da durchaus bequem machen. Troy hätte jetzt eigentlich Passagen aus seinem neuen Buch This Poem Does Not Please Her vorlesen können, aber das hielt er für zu "pretentious", zu abgehoben, so zumindest hatte er sich am Vortag beim tollen akutischen Showcase in der Boutique der Balades Sonores hierzu geäußert.
Es ging also mit Musik und keinem Buchvortrag weiter und wir hörten unter anderem nach dem Tigers- Intro mit unsäglich trister Frauenstimme das suizidale White Sailboat, ein sehr sanftes, absolut wundervolles Lied, in dem auch die Songzeile "I'm with the demon", dem Titel des aktuellen Albums, vorkam. Den Song Applause performte Troy auf seinem kleinen Piano, musikalisch toller fand ich allerdings Santiago, ein Lied mit treibenden, fast militärischen Ryhthmen, verführerischen Gitarrenparts und einem langgezogenen, sehnsuchtserfüllten Gesang mit psychedelischer Note. Ein Kracher!
Auch Queen Of What empfand ich als Highlight. In einer Stelle hieß es textlich: let's go back to my place and I will perform for you", was Troy vorher kurz damit erklärt hatte, daß er in einem einem kleinen fürchterlichen Appartement im 14. Pariser Arrondissement gelebt hatte ("a horrible, little flat"), in dem er allerdings "nice times" erlebte.
Zum Song Tigers, stellte sich von Balthazar mit einem kleinen Gettoblaster und Percusssions in der jeweiligen Hand auf einen Stuhl und trug ihn mit geschlossenen Augen vor.
Die Schlußphase dann noch einmal ganz groß. Real Strong Love war catchy as hell und das anfänglich elektronisch pluckernde Heroic Litte Sister so etwas wie Troys größter Hit, der nichts von seiner Strahlkraft verloren hat und heute in einer herrlichen, leicht abgewandelten Form präsentiert wurde.
Dann war aber auch schon Schluß, zumindest fast. Es gab als Zugabe noch das wundervolle Wings und viele nette und höfliche Worte des ungemein gut erzogenen Hawaiianers an das Publikum. Für ihn sei es nach wie vor seltsam, daß Leute klatschen würden, bekundete er ganz aufrichtig. Das sei ein merkwürdiges, aber schönes Gefühl.
Nun, Applaus hatte er sich redlich verdient, denn dieses etwa einstündige Konzert machte deutlich, daß Troy von Balthazar einer der ganz großen Singer-Songwriter unserer Zeit ist. Die stürmische Phase von Chokebore scheint vorbei, heute das war harmonisch rund und sagenhaft schön.
Rätselhaft bleibt von Balthazar trotzdem und das ist auch gut so. Er ist eben ein unglaubliches Phänomen!
Setlist Troy von Balthazar, La Boule Noire, Paris
01: Took Some Dollars
02: Tiger Vs.Pigeon
03: Rainbow
04: Communicate
05: Tone Clusters
06: I Block The Sunlight Out
07: Intro: Keep The Tigers Away (Frauenstimme von Band)
08: White Sailboat
09: La Fatigue
10: Applause
11: Tropical
12: Santiago
13: Zeros
14: Queen Of What
15: Tigers
16: Real Strong Love
17: Heroic Little Sisters
18: Wings
Deutsche Tourdaten Troy von Balthazar:
12.04.2013: Café Nun, Karlsruhe
13.04.2013: Bedroomdisco, Frankfurt
19.04.2013: Aalhaus, Hamburg
20.04.2013: TBA
21.04.2013: Bunker Ulmenwall, Bielefeld
23.04.2013: Pretty Vacant/The Tube Club, Düsseldorf
26.04.2013: Jukufa, Brandenburg
27.04.2013: Schokoladen, Berlin
Deutsche Tourdaten Troy von Balthazar:
12.04.2013: Café Nun, Karlsruhe
13.04.2013: Bedroomdisco, Frankfurt
19.04.2013: Aalhaus, Hamburg
20.04.2013: TBA
21.04.2013: Bunker Ulmenwall, Bielefeld
23.04.2013: Pretty Vacant/The Tube Club, Düsseldorf
26.04.2013: Jukufa, Brandenburg
27.04.2013: Schokoladen, Berlin
Nachtrag: vorher waren noch ein paar französische Acts aufgetreten, die wie von Balthazar auf dem tollen Label Vicious Circle beheimatet sind, das an jenem Tage seinen 20. Geburtstag feierte. Meine Aufmerksamkeit galt aber ausschließlich dem Hawaiianer.
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