Samstag, 9. März 2013

Motorama, Esslingen, 05.03.2013


Konzert: Motorama 
Vorband: XTR Human 
Ort: KOMMA, Esslingen 
Zuschauer: deutlich über 100 
Datum: 05.03.2013 
Dauer: Motorama etwa eine Stunde; XTR Human 35 min. 


Bericht und Fotos von Jens aus Stuttgart




Gebt dieser Band eine Bühne auf einem der großen Festivals Europas und wir haben die nächste Indie-Sensation, auf die sich alle einigen können. Eine Band, der es gelingt tanzbaren Post-Punk zu spielen, ohne dabei Gefahr laufen, sich als peinliche Joy Division – Epigonen zu entpuppen, wie die White Lies es vor wenigen Jahren erschreckend erfolgreich vormachten. Was bereits auf Platte glänzt, überzeugt in der Live-Perfomance restlos. Eine solch positive Energie im musikalischen Zusammenspiel, habe ich bisher nur ganz selten gesehen. The Joy Formidable erreichten diesen ekstatischen Konzertmoment vor einem Monat im Zwölfzehn fast. Doch bleibt mir nach dem Konzert des russischen Quintetts Motorama nichts anderes übrig, als Oliver zuzustimmen. Wir können uns glücklich schätzen, der weltentrückten Aura der Formation aus Rostov-on-Don beigewohnt zu haben. 

Doch der Reihe nach. 

Es ist mein zweites Konzert im Esslinger Jugendhaus und Konzertclub „KOMMA“. Zuletzt sah ich hier die Lokalmatadoren Die Nerven im Februar, die eine zwar intensive, aber völlig überzogene Show abzogen, als sie gemeinsam mit Messer aus Münster sowie Trümmer, die mich an Francesco Wilkings Band Tele erinnerten und Zucker aus Hamburg beim KOMMA Winterfest auftraten. Quasi im Vorprogramm trat damals eine Band auf, deren Perfomance ich hoffentlich irgendwann vergessen kann, Hexen stehen immer zwischen Birken, eine lokale Band, die ihre Musik selbst als Krautcore bezeichnet, mehr muss eigentlich nicht mehr gesagt werden. Warum ich genau das nun doch tue, liegt an der sich mir aufdrängenden Frage, ob Vorbands im KOMMA häufiger überhaupt nicht mein Fall sind, um es sehr diplomatisch auszudrücken. XTR Human sind als Support von Motorama jedenfalls so enttäuschend, dass ich hier nicht weiter auf ihn eingehen möchte, außer anzumerken, das ungewöhnlichste New Order – Cover meines Lebens gehört zu haben. 

Eine Leinwand, auf der eine Fehlermeldung des Beamers leuchtete, der Aufbau von Zimmerpalmen deutet eine knappe Viertelstunde später endlich den Auftritt des Hauptacts an. Vladislav Parshin (Gesang und Gitarre), Maxim Polivanov (Gitarre), Irene Parshina (Bass), Alexander Norets (Keyboards) und Roman Belenky (Schlagzeug) bauen ihr Equipment selbst auf. 




Ganz unverhofft beginnt das Konzert, während im Hintergrund nun Landschaftsmotive aus der russischen Heimat der Band nun die Leinwand schmücken; Bäume, weite Täler oder der Flug eines Fasans. Die Naturverbundenheit der Band zieht sich sowohl durch Texte und Artwork. Der traumhafte See auf dem Cover des aktuellen Albums Calendar ist nur ein Indiz dafür. Songs wie Northern Seaside, dem grandiosen Opener des Sets, der das Publikum sofort zum Tanzen bringt. Ein großer Gesellschaftstanzabend, bei dem jeder für sich selbst mit sich tanzt und doch alle vereint sind, beginnt und wird erst eine Stunde später enden. White light und To the south, die meines Erachtens schönste Perle der Band folgen direkt. Ansagen beschränken sich auf ehrliche „Dankeschöns“ und „Thank you's“, was heute Abend auch absolut ausreichend ist. Man möchte weiter in die Musik eintauchen, zu den verträumten Gitarrenriffs tanzen. Je länger das Konzert dauert, desto mehr frage ich mich, woher all die Joy Division – Vergleiche herrühren? Viel eher erinnert mich die Musik wie ein bezaubernder Hybrid aus The National und klassisch-hektischen Editors – Gitarren. Fantastisch. Frontmann Vladimir Parshin erinnert auch in seinen etwas staksigen Bewegungsdrang an National – Sänger Matt Berninger, Irene Parshina beweist hingegen im knappen, enganliegenden Rock und weißen Adidas – T-Shirt, warum Bassistinnen allgemein als attraktiv gelten, ganz im Gegensatz zu ihren männlichen Gegenstücken. Young River, Alps oder Seagulls, heute Abend gibt es trotz einer gewissen Redundanz innerhalb des Band d'oeuvres keinen einzigen schlechten Songs. Nach einer Stunde und 15 Songs endet ein brillantes Konzert mit einem ebensolchen Song und Parshin weicht nun von seinen üblichen Dankesfloskeln ab und widmet den letzten Titel, During the years, Luca, dem Sänger der Stuttgarter Electronic Wave Band Die Selektion, für deren Song Raben Parhsin das Video erstellte, das man sich auf Youtube anschauen kann. Zum Schluss nimmt die tanzende Menge pogende Formen an, Motorama zerlegen ihr Equipment. Es gibt keine Zugaben, trotzdem dürfte jeder einzelne Zuschauer glücklich sein. Besonders, wenn man, wie ich, zu den fünf Glücklichen zählt, die eine der letzten Exemplare Calendars erstanden. Der Rest war bereits bei vorangegangenen Konzert verkauft worden. 


Setlist: 

01) Northern seaside 
02) White light 
03) To the south 
04) Wind in her hair 
05) Young river 
06) Sometimes 
07) Empty bed 
08) Rose in the vase 
09) Image 
10) Two stones 
11) Scars 
12) Alps 
13) Seagulls 
14) Anchor 
15) During the years


 

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