Mittwoch, 29. Februar 2012

Loney Dear, Wien, 23.02.12

Konzert: Loney Dear & Bird People
Ort: rhiz, Wien
Datum: 23. 02. 2012
Zuschauer: ganz ok, etwa 70
Dauer: 70 Minuten Loney Dear

Wieso heißt Loney Dear eigentlich nicht Lonely Dear? Und wieso war er bis jetzt noch nie in Wien gewesen? Alles Fragen, auf die man auch bei einem Konzert des Schweden keine Antwort erwarten darf, dafür um einiges Relevanteres: ausgezeichnete Musik etwa oder eine angenehme Atmosphäre.
Am Haldern 2009 hatte ich den Herrn, der ja absoluter Stammgast am gemütlichsten Wochenende des Sommers ist, bereits einmal gesehen - Loney Dear with friends hieß das damals und sinnigerweise verstärkte eine Hand voll Instrumentalisten (darunter auch Patrick Watson) den Schweden und hinterließ einen höchst formidablen Eindruck.

Als ich gegen zehn ins rhiz kam, spielten aber noch Bird People und eigentlich wäre hier der Singular angebracht, denn grundsätzlich ein Kollektiv, war heute nur ein Bird anwesend, der es sich
auf einem Stuhl vor der Bühne mit seiner Gitarre gemütlich gemacht hatte. Seine Darbietung löste ihn mir eher ambivalente Gefühle aus. So gut ich das Material der Band finde, so einschläfernd fand ich heute die gespielten Songs. Der Begriff "psychedelisch" wurde hier wirklich bis zum Anschlag ausgereizt, ein anderer ("dramaturgisch") dagegen völlig außen vor gelassen. Kurzes Fazit: der Single Bird spielte reduzierte Musik auf einer Wellenlänge, auf der ich einfach nicht war an diesem Abend. Vielleicht beim nächsten Mal, eigentlich gefallen mir die veröffentlichten Sachen ganz gut.

Die Umbauphase war sehr kurz, es gab auch nicht besonders viel aufzubauen und so stand Emil Svanängen sehr bald auf der Bühne, ihm zur Seite war eine junge Frau gestellt, Susanna, wie sich noch herausstellen sollte. Der Platz vor der Bühne war gut gefüllt, wenngleich längst nicht voll - gerade so, dass man angenehm stehen konnte und überall gute Sicht hatte.
"I want your name/I want your name next to mine", erklang es dann auch schon in der charakteristischen hohen Stimme Emils, die mich immer wieder nett an die eines Kinderliedes oder einer Zeichentrickserie erinnert.
Dann folgte I was only going out, fast schon ein Klassiker im Repertoire des Skandinaviers, Loney Blues war dann wieder ein neuer Song.

Dann stellte Emil Susanna vor und kündigte an, dass der nächste Song erstmals duetthaft werden würde, Violent nämlich. Gelang auch großartig, einzig die Belüftungsanlage schien Emil zu stören, er versuchte auf mehrere Art, den Techniker zum Abschalten der Anlage zu bringen. In der Tat war diese heute ziemlich laut zu hören, was nicht zuletzt auch an der bewusst geringen Lautstärke Loney Dears lag. Das gelang auch irgendwann, just in dem Augenblick als die U6 über das rhiz ratterte. Emil schmunzelte und verlieh der Linie das Prädikat ("indie"). Nach dem nächsten Song teilte er dann seine Beobachtung mit dem Publikum, wie ähnlich das sanfte Schlagzeugspiel mit Paukensticks und das Geräusch einer 100-Tonnen-Garnitur über den Köpfen sei.

Dann spielte er sich als Multiinstrumentalist und Loop-Künstler weiter durch sein Set aus Klassikern, neuen Songs und (zumindest von mir) zuvor weniger beachteten Perlen, erntete große Zustimmung und Zuneigungsbekundungen aus dem Publikum und gab die eine oder andere Geschichte zum Besten. Von denen ich zwar viele schon wieder vergessen habe, aber der Gesamteindruck ist unverändert: Loney Dear ist kein Entertainer, sondern ein hervorragender Gastgeber, der einfach (und das ist gar nicht so einfach) will, dass sich seine Gäste rundherum wohl fühlen.

Aber irgendwann musste auch Schluss sein, die beiden verabschiedeten sich und verließen die Bühne. Zurück kam nach durchaus heftigem Applaus erstmal nur Emil, der mit Dear John die Glut am Lodern hielt. Wie gut es ihm Wien gefalle, sagt er dann und irgendwie kam er dann auf die Verschiedenheit des europäischen Publikums zu sprechen und vom Hundertsten aufs Tausendste gekommen, fragte er in die Runde, ob denn Franzosen anwesend seien, ansonsten würde er sich mal über diese auslassen (Oliver, du hast das nicht gelesen). Ein frankophoner Jüngling ganz hinten bejahte das und setzte eine ausführlichere Replik dran, die ich nicht verstand. Emil lachte und meinte, dass ihm Franzosen jedenfalls immer noch lieber seien, als Engländer. Woraufhin sich jemand aus England zu Wort meldete, aus Brighton genau, wie sich auf Nachfrage herausstellte. Brighton gelte eh nicht, meinte Emil dann, da dort seine Eltern immer Urlaub gemacht hätten. Ganz fürchterlich seien jedenfalls die Liverpooler...
Er redete sich um Kopf und Kragen und konnte sich mit den geernteten Lachern doch sicher sein, dass jeder diesen Exkurs richtig - nämlich ironisch - verstanden hatte.

Derart zufrieden gab es dann einen Nachschlag, nachdem jeder brav und gern zusammengegessen hatte, Emil rief nach Susanna, die kämpfte sich wieder nach vorne und gemeinsam gaben sie Sinister in a State of Hope zum Besten. Damit endete dann ein sehr kurzweiliger und von positiver Stimmung geprägter Abend, eine Einladung an den Merchandisingtisch folgte noch, und falls jemand kein Geld verdiene, dann ließe sich da doch sicher auch was machen... Ein höchst sympathischer Bursche, dieser Schwede (auch wenn auf seiner Bandpage "rhiz Vienna, Australia" angegeben war), der einfach tolle Musik macht und einen Abend mit guter Laune füllen kann. Es hat definitiv schon Bands mit schlechterem Preis/Leistungs-Verhältnis gegeben! (Beispielsweise zehn Kilometer weiter, Justice im Gasometer *hust*). Tack, Emil!

Setlist Loney Dear, rhiz, Wien:

01: Name
02: I was only going out
03: Loney Blues
04: Violent
05: Young Hearts
06: I am John
07: Harm
08: My Heart
09: Airport Surroundings
10: Saturday Waits

11: Dear John (Z)
12: Sinister in a State of Hope (Z)


Aus unserem Archiv:

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Danke für das Bild an David Avazzadeh!

 

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