Mittwoch, 16. Mai 2007

Loney, Dear, Paris, 15.05.07

Konzert: Loney, Dear
Datum: 15.05.2007
Ort: La Boule Noire, Paris
Zuschauer: mehr als gestern, aber nicht ganz ausverkauft

Um es besser zu machen, als gestern und nicht wieder irgendeine interessante Vorgruppe zu verpassen, erschien ich heute deutlich früher in der kleinen Boule Noire. Patrick Watson hatte die Ehre, für die Schweden Loney, Dear zu eröffnen. Hatte aber weder etwas mit Sherlock Holmes, noch mit Arcade Fire zu tun, obwohl Patrick Watson, wie die Band um Win Butler, aus Montréal, Kanada stammt. Leider hatte das bei weitem nicht die Klasse der Talking Heads-Nachfolger...

Um es auf den Punkt zu bringen: es war ziemlich scheußlich und ich habe mich gräßlich gelangweilt. Ich bedauerte, nicht noch ein wenig mit meinem Kater auf dem Bett geschmust zu haben, das hier hätte ich mir wirklich sparen können! Die Erwähnung von Nick Drake als Einfluß auf der MySpace Seite hatte mich hellhörig werden lassen, aber statt feingliedrigem Folk gab es eine ungenießbare experimentelle Suppe. Erinnerte mich irgendwie an Coldplay, nur noisiger und... ähem...nicht so gut.

Ein paar Franzosen, die bräsig an der Bar rumstanden, redeten untereinander Klartext: "also was haben uns die Kanadier denn da geschickt?" "Aus Quebec hätten sie lieber Isabelle Boulay einfliegen lassen sollen!" Wem bekannt ist, wie grottenschlecht diese Sängerin ist, weiß, daß das nicht gerade ein Kompliment war... Ein paar Leuten im Publikum schien es aber gefallen zu haben, sie spendeten artig Beifall. Die Franzosen sind halt ein nettes Völkchen, immer sehr höflich. Sie attestieren mir ja auch immer, daß ich gut französich spreche. Wobei das nun einmal stimmt, da beißt die Maus keinen Faden ab ;-)

Schlagartig besser wurde es dann mit dem Auftritt von Loney, Dear aus Jönköping, Schweden. Emil Svanängen, den Sänger, der sich hinter dem Namen verbirgt, hatte ich lustigerweise schon vor dem Eingang der Boule Noire getroffen. Guter Dinge marschierte er mit seinem Gitarrenkoffer an mir vorbei in den kleinen Laden hinein. Ein grundsymphatischer Bursche mit semmelblonden Haaren und einem kleinen (aber wirklich nur kleinen) Bäuchlein. Der völlige "Normalo" also, ein Typ mit dem man Lust hätte, ein wenig zu plaudern, oder ein Bier zu trinken. Sobald sich dieser, wie ein Kind in einem Erwachsenenkörper aussehende Mann jedoch die Gitarre umschnallt und anfängt zu singen, ist eine unglaubliche Magie im Raume. Eine Stimme hat der, einfach herzerweichend! Man muß schon ein Herz aus Stein haben, um da nicht weich zu werden. Das packte mich vom ersten Lied an und das änderte sich auch bis zur vierten Zugabe nicht. Wesentlich zu meiner deutlich verbesserten Stimmung trug auch die Mitsängerin und Keyboarderin Erika bei. Die Kleine war mit ihrer Zipfelmütze so schnuckelig, daß ich mich sofort in sie verknallte! (keine Panik, Cécile, Du weißt, wie es gemeint ist). Sie hatte so einen besonderen Glanz in den Augen und dazu noch das niedliche Lächeln. Hach... Aber zurück zu Emil, dem Sänger. Der sang mal weich und sanft und in diesem Falle wie Stuart "Belle & Sebastian" Murdoch, zuweilen aber auch eindringlich flehend wie Damien Rice oder Sam Duckworth von Get Cape. Wear Cape. Fly.

Und wer glaubte, die Musik sei lediglich poppig und süß, sah sich getäuscht, denn ab und zu ließ es das Quintett (ein weiterer Keyboarder, ein Bassist, ein Drummer, der wie Dave Grohl aussah) richtig scheppern. Mir gefiel wirklich jedes Lied, vor allem, weil das Set auch wunderbar abwechslungsreich war. Nur an einer einzigen Stelle wurde es mir dann doch zu süßlich: bei "Saturday Waits" nämlich. Da fiel mir plötzlich ein saublöder Spruch von Erkan und Stefan ein: "kein Wunder, daß bei so einer schwulen Musik, keine Kinder mehr geboren werden". Just in diesem Moment drehte ich mich leicht zur Seite und sah ein händchenhaltendes homosexuelles Pärchen! Aber es ist ja auch bekannt, daß Schwule einen guten Geschmack haben und Loney, Dear ist wirklich alles andere als käsiger Mist. Ganz im Gegenteil, die Band um Emil ist einfach grandios, fabelhaft, wunderbar! Leider hatte ich bisher noch kein Album von ihnen und kann deshalb nicht im Detail aufzählen, was gespielt wurde. Ganz sicher bin ich mir jedoch, daß sämtliche Lieder, die zur Zeit auf der MySpace Seite zum Anhören bereit stehen, also besagtes "Saturday waits", "The Battle of Trinidad and Tobago", "I am John" und Der Hit "The city and the airport" Teil der Setlist waren. "The city and the airport" beschloss dann auch den offiziellen Teil, bevor die Band nach langem (und diesmal aufrichtigem Applaus) zurück kam, um vier Zugaben zu spielen. Wie Erika mir später mitteilte, stammte eine davon von einem der beiden älteren Alben, also entweder von "The year of river fontana", oder "Citadel Band". Den Großteil des Konzerts bildeten aber Lieder von "Sologne" und dem aktuellen Longplayer "Noir".

Auf meine Frage nach dem Vorhandensein einer Setlist antwortete mir übrigens Emil persönlich: "we don't have one, but we used to have one." Dieser Spruch schien ihm zu gefallen, denn kurz darauf wurde er gefragt, ob er vom Touren nicht müde sei. "I used to be tired", so sein kurzer Kommentar. Sag ich doch, ein grundsymphatischer Typ, gesegnet mt einer sensationellen Stimme! Morgen steht übrigens eine Pressekonferenz in Haldern auf seinem Terminkalender. Und wer jetzt immer noch sagt, Haldern 2007 sei schlecht besetzt, der soll sich erst einmal Loney, Dear ansehen, bevor er urteilt. Allein diese Band ist Grund genug, sofort Karten für dieses schöne Festival zu ordern!

von Oliver



8 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Patrick Watson wirst Du wohl in Haldern noch mal sehen!

Anonym hat gesagt…

Den Verriss dazu hättest du dir noch mehr sparen können und fürs nächste Mal empfehle ich besser auszuschlafen. Der top act für Haldern Pop 2007 lautet definitely: Patrick Watson!

Loney,Dear hatte auch vorgestern bei der Halderner Landpartie in der Tat einen klasse Auftritt, den Höhepunkt des Abends aber bot unbestritten der kleine, lustige und stimmgewaltige Mann aus Kanada (ja, loney,dear hat hier nun quasi den opener gemacht)! Daß sich eines von Nick Drake inspiriert fühlt und deshalb noch keinen 'feingliedrigen Folk' (was auch immer das sein soll) bietet, spricht m.E. absolut für den Künstler. An profunder Schönheit steht Patrick's aktuelle Scheibe 'close to paradise' weder Nick Drake's Werk noch der insgesamt bislang unerreichten 'Grace' kaum etwas nach. Schließlich fühlt sich Patrick nicht nur von Nick Drake inspiriert und auch wenn sein Hammer-Song 'Luscious Life' schon arg nach Jeff Buckley klingt, so ist es doch unverkennbar sein eigenes Ding.
(Was ich, nebenbei bemerkt, von keinem der von den ShoutOutLouds gebotenen Songs wirklich behaupten kann, empfand ich als eher mäßige Cure-coverband!)
Aber es ist gut, daß so eine 'Suppe' nicht jedermann schmeckt, bzw. nicht jedes die echte Würze und reiche Kraft darin checkt, denn das schützte sie noch lange nicht vor dem Beigeschmack 'fade'. Um eben jenen kommt diese review hier schwerlich rum...

Wer sich von der Qualität gerade von Patrick Watson's Stimme mal selbst überzeugen möchte, dem empfehle ich den Song 'to build a home' hier:
http://www.myspace.com/thecinematicorchestras
bei diesem Projekt ist übrigens, wenn mich nicht alle täuschen, auch Erika von loney,dear mit am Start...;-)

sl sig

Oliver Peel hat gesagt…

Oh, da meldet sich aber ein Patrick Watson Fan lautstark zu Wort :)

Klein und lustig war er, der Patrick, in der Tat. Ein symphatischer Kerl, ohne Frage. Aber seine Musik...
Wirklich nicht mein Geschmack! Vielleicht habe ich die profunde Schönheit seiner Musik nicht entdeckt, weil der Sound völlig übersteuert war? Dafür konnte er allerdings nichts, für sein Katzengejammer schon eher! Noch ein Wort zu seinen Einflüssen: Eric Satie und Debussy liest man da auf seiner MySpace Seite. Meiner Ansicht nach sollte man Rock nicht mit Klassik vermischen, sonst kommt Käse heraus! Aber stimmt schon, ist sein eigenes Ding. Kann man mögen, muß man aber nicht mögen. Ich lasse Dir da Deine Meinung, Sigmundo, aber respektiere auch meine, bitte.
Und ich bin der Letzte, der sich in Haldern nicht vom Gegenteil überzeugen lässt. Wenn mir Herr Watson da gefällt, werde ich mich auf Konrad Adenauer berufen: " was interessiert mich mein dummes Geschwätz von gestern" ;-)
Und so fade kann meine Review ja nicht gewesen sein, sonst hättest du sie nicht zu Ende gelesen...

Oh Erika, gebt mir mehr Erika, auch wenn ihr Kleidungsstil ebenfalls Geschmacksache ist;-)

Oliver Peel hat gesagt…

Sigmundo, noch eine Sache: vielen herzlichen Dank für Deinen Kommentar!
Toll, daß Du hier mitdiskutierst, auch wenn Du Dich kritisch äußerst, das macht den Blog spannend, so wird er eben nicht fad!

Anonym hat gesagt…

Den Rest habe ich nur überflogen, aber gern geschehen...;-)
Nun, es ist (d)eine Sache, wenn ein Patrick Watson nicht deinen Geschmack trifft oder du seiner Musik so überhaupt nichts abgewinnen kannst. Sein Werkeln aber als Stümperei und seine abgrundtief schön ergreifende Stimme als Katzengejammer abzutun, mag dir vielleicht eine gewisse (womöglich schadhafte) Freude bereiten, wird der Sache aber keineswegs gerecht! Du zeichnest hier schlichtweg ein falsches Bild.
Nichts gegen loney Emil, your dear, wie gesagt, aber gerade an 'Magie' und 'Austrahlung' konnte er meines Erachtens Patrick Watson nicht wirklich das Wasser reichen.
Hernach hat sich Emil beim signieren nicht mal nach meinem Namen erkundigt, während Patrick meinen Hinweis mit Bedauern auf den störenden Geräuschpegel einiger geschwätziger Kostverächter im Publikum (das zog sich durch den ganzen Abend, leider!) nur abwinkte und sich noch für den (angeblich) schlechten Sound entschuldigte...;-)
Ich kenne weder Satie noch Debussy, weiß aber, daß 'Klassik' und 'Rock' letztlich nur Schubladen sind. Die kein Mensch braucht, v.a. wenn er sich ausdrücken und etwas aus sich erschaffen will, erst recht, wenn es etwas Neues und Originelles sein soll. Falls Mr. Watson diese Mixtur vollführt, dann nenne ich ihn darin einen wahren Meister! ...und mich neuerdings auch einen Klassik-Fan ;-)
Sein aktueller longplayer verdient in jedem Falle das schlichte Prädikat: wunderschön!
Dem ergriffenen Kommentar meiner weiblichen Begleitung, seine Band spiele die Songs auf der Bühne genau wie auf dem Album daher, kann ich nur zustimmen, bzw. hinzufügen: noch viel, viel besser! :o)

Ach, und vergiss Erika, hab die dann händchenhaltend mit Emil noch gesehen...;-)

lg sig

Oliver Peel hat gesagt…

Die Erika hab ich doch schon abgeschrieben, zumal ich mich selbst am gleichen Abend händchenhaltend mit meiner eigenen Frau gesehen habe ;-)

Den Herrn Watson habe ich allerdings noch nicht abgeschrieben, zumal ich seine Platte noch gar nicht gehört habe...
Wie gesagt, wenn er mich in Haldern überzeugt, habe ich vorher Blödsinn geredet und ich kaufe mir sein Album sofort. Im Übrigen mag ich ja Katzengejammer, vor allem das meiner eigenen ;-)

Aber Herr Sigmundo Sherlock, äh , ich meine Watson, schreib doch mal eine Konzertreview über den schönen Abend in Haldern, würde mich interessieren und bestimmt auch noch einige andere hier...

Anonym hat gesagt…

oh menno, wenn ich nur mehr zeit hätte, wäre durchaus mein ding, obwohl ich auch meine, es gibt schon mehr als genug review- und music-blogs...;-)
will dir aber auch nicht den post hier zuspamen, eigentlich ging's ja um loney,dear. dessen (erste) platte läuft just im moment und sie gefällt mir wirklich saugut! schließe also ganz in deinem sinne: checkout haldern 2007!
solong sigmundo

Oliver Peel hat gesagt…

Es gibt schon mehr als genug Musik und Review-Blogs?
Da könnte man auch sagen, es gibt zu viele Britpopbands, Singer/Songwriter, Punkbands, äh..., Dönerbuden, Rechtsanwälte, Zahnärzte, Coffee-Shops... Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, also wenn man so argumentiert...
Stellt sich bloß die Frage, wovon gibt es nicht genug?
Vielleicht weiß ein Sigmundo so etwas? Dem ist bestimmt schon eingefallen, wonach die Welt sucht!
Seiner Meinung nach wahrscheinlich nach Patrick Watson!

 

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