Freitag, 12. November 2010

Your Kid Sister & Narrow Terence, Paris, 11.11.10


Konzert: Your Kid Sister & Narrow Terence, Mon Petit Club # 3

Ort: L'International, Paris

Datum: 11.11.2010
Zuschauer: etwa 250-300, volle Hütte

Konzertdauer: Your Kid Sister etwa 45 Minuten, Narrow Terence circa 55 Minuten


Niedlichkeitsfaktor 10 bei Maia Vidal aka Your Kid Sister! Ein unfassbar hübsches , ebenförmiges Gesicht, strahlende blaue Augen und eine Hasenfell-Perrücke ließen die Pariser im International dahinschmilzen. Maia spielte liebliche Lieder am Akkordeon und man fühlte sich oft an Amélie Poulain erinnert. Hinterher rockten dann die beiden Heißsporne von Narrow Terence ab wie Hölle und ließen an die Bleach Ära von Nirvana denken.

Aber mal von Anfang an:

"Wie süß, diese Your Kid Sister! Bestimmt hast du sie gebucht und deine anderen beiden Kumpel vom Petit Club die harten Jungs, oder?" fragte mich meine Freundin Uschi in der Pause. Sie kennt meine Schwäche für zarte, charmante Fräuleins und war regelrecht verwundert, als ich antwortete: "Nö, Your Kid Sister hat Vincent klargemacht. Und Narrow Terence war eine Idee von uns Dreien."

Zur Erlärung: seit ein paar Monaten organisiere ich auch Konzerte außerhalb meines Wohnzimmers. Gemeinsam mit Vincent und Camille (ein Junge) haben wir das Projekt "Mon Petit Club"* gestartet und begingen heute am 11. November unseren dritten Konzertabend. Nächstes Jahr kriegen wir einen Termin pro Monat im International, die Daten stehen schon fest. Unser Ziel ist es, talentierten Nachwuchskünstlern eine Bühne zu bieten und den Konzertgängern der Seine-Metropole zu zeigen, daß es fernab des Mainstream noch viele gute Musiker zu entdecken gibt. Unsere Abende laufen bisher sehr gut, alle drei Events waren Publikumsmagneten, die Hütte war immer voll. Yeah, baby!!

Your Kid Sister ging heuer als Erste ins Rennen. Sie saß auf einem Hocker, das Akkordeon um die zarten Schultern gewunden und das rote Toy Piano gleich neben ihr. Die Zuckerpuppe war nicht allein gekommen, an ihrer Seite agierte ein pferdeschwänziger Multiinstrumentalist, der meistens Glockenspiel, ab und zu auch Trompete spielte. Wenn ich das richtig gedeutet habe, ist der Glückspilz mit Maia liiert. Die Chemie stimmte jedenfalls zwischen den Beiden, sie lachten viel und zauberten auch dem Publikum ein Dauerlächeln ins Gesicht. Sie boten Lieder voller Charme, Anmut und Poesie, die kurioserweise zum Großteil von der Punkband Rancid (!) stammten. Ja, richtig gelesen, Your Kid Sister hat eine Debüt Ep mit 5 Rancid- Covern veröffentlicht, die sie völlig neu und fernab vom Original interpretierte. Fast ein bißchen so wie bei den Dirty Projectors, deren Album Rise Above aus Covern der Kultpunker Black Flag bestand.

Daß Mia Vidal ein absoluter Augenschmaus ist, hatte ich eingangs bereits erwähnt, in musikalischer Hinsicht wichtiger ist aber, daß auch ihre Stimme sensationell gut ist. Teilweise jazzig angehaucht, immer die richtige Tonlage treffend und sanft und klar. Sie fand die perfekte Balance zwischen lieblichen Parts und kraftvollen Momenten, wo sie sich so richtig austoben konnte. Wer war Feist noch mal? Gesanglich ein kleiner Fisch verglichen mit Your Kid Sister!

Der Aufbau der Lieder folgte oft einer bestimmten Dramaturgie. Langsam und verhalten startend, entwickelten sie sich in der Regel zu mitreißenden, schnellen Schunklern. Maia zog dann ihr Akkordeon immer schneller auf und zu und ließ auch ihr Toypiano rasant pluckern. Etliche potentielle Hits bekamen wir hier geboten mit dem Ohrwurm Daily City Train an erster Stelle. Wenn diese süchtig machende Nummer kein Indie-Hit, dann weiß ich es wirklich nicht!



Aber auch die patriotischen Franzosen kamen auf ihre Kosten. Maia coverte den Oldie Je Me Suis Fait Tout Petit von Georges Brassens und ihre Version gefiel mir sogar besser als das verstaubte , aber dennoch brillante Original des kauzigen Lidermachers. Das ungemein angetane Publikum honorierte das große Talent und die entzückende Performance von Your Kid Sister und spendete warmen Applaus. Der Lohn war eine feine Zugabe, die das rund 45 minütige Traumset abschloß. Mann, war das schon wider toll!!!

Das absolute Kontrastprogramm folgte etwa 15-20 Minuten später. Statt süßen Akordeon-Pop gab es nun saftigen Gitarrenrock. Narrow Terence hatten die Bühne eingenommen und im International war es nun so richtig knackig voll. Eigentlich handelt es sich bei der Band um ein Quartett, aber die Gebrüder Antoine und Nicolas Puaux besorgten es dem Publikum heute ganz ohne weitere Verstärkung. Drummer Antoine sang und wie! Als hätte er die letzten Jahre jeden Tag eine Flasche Whiskey gesoffen und zwei Päckchen Rothändle geraucht, so klang sein knarziges Gesangesorgan! Die Assoziation zu Tom Waits lag auf der Hand und passte hier auch. Sein smarter Bruder Nicolas sorgte für die diabolischen, rasiermesserscharfen Gittarenriffs. Zu zweit machten die beiden einen Lärm wie eine sechsköpfige Band. Sie spielten gnadenlos hart und roh auf und sorgten so für eine prima Stimmung in dem Konzertkeller. Eines ihrer geilsten Lieder war Weakness Of The Sheep vom neuen (zweiten) Album Narco Corridos das 2010 erschienen ist. Sie beweisen hierbei, daß sie nicht nur wild können, sondern auch ein Gespür für catchy Melodien haben. Anderer Knüller: Wet Dead Horses. Ein staubiger Wüstensong mit Stonerrock- Parfüm und einem einprägsamen Refrain à la Foo Fighters. Wahnsinn wie es hier zur Sache ging, wir waren phasenweise nicht mehr wieit vom Heavy Metal entfernt, wurden aber immer mal wieder auf dem falschen Fuß erwischt, weil Narrow Terence in bester Sytsem Of A Down- Manier Tempo und Stimmungen wechselten.



Fast eine Stunde lang wurde der Fuß nicht vom Gaspedal genommen und zum letzten Song wurde dann auch noch das Publikum auf die Bühne gebeten. Ein paar ganz Sportliche hüpften wild im Takt mit und machten den Abend noch etwas ungezügelter als er ohnehin schon war. Das Set von Narrow Terence: der Oberhammer! Allerdings nichts für Pussies...



* nützliche Adressen:

http://twitter.com/monpetitclub
http://www.myspace.com/monpetitclub
http://www.facebook.com/monpetitclub



2 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Ich hab' Dich headbängen gesehen :-D

Uschi aus P.

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank für den schönen Bericht. Da war man doch fast als Mäuschen dabei. "Your kid sister" habe ich gleich mal im Netz nachgestellt und die Musik gefällt mir wieder mal außerordentlich. Ging mir nämlich letztlich auch schon mit Alina Orlova und Silje Nes so. Von den beiden Damen wurden meinerseits zwischenzeitlich CDs erworben und die laufen nun gegen das Novemberwetter im Player (recht erfolgreich). Ich denke ein paar CDs dieser Art werden auch zu Weihnachten Geschenke sein. Auch dafür großen Dank!!

 

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