Konzert: Rose Melberg & Sophie Ramsay
Ort: ein Wohnzimmer irgendwo in Paris, Oliver Peel Session # 18
Datum: 27.02.2010
Zuschauer: etwa 30
Konzertdauer: Sophie Ramsay 25 Minuten, Rose Melberg & Kellarissa
Eine kurze Zusammenfassung dieses denkwürdigen Wohnzimmerkonzertes hatte ich bereits veröffentlicht, nun gibt es die lange Version für diejenigen, die alles ganz genau wissen möchten. Viel Spaß!
Die Session mit Rose Melberg habe ich Morgan Caris (auf dem Foto mit This Is The Kit) zu verdanken. Der Sänger und Songschreiber von Flowers From The Man Who Shot Your Cousin hat sowohl in Paris als auch an der kanadischen Westküste seine Wurzeln und 2009 wollte er sich endgültig in Vancouver niederlassen. Schon ein paar Monate später war er aber wieder in Paris. Die Zeit in British Columbia war jedoch keineswegs verschwendet, denn er hat seine Kontakte zu famosen lokalen Acts intensiviert und dazu zählt auch die aus Kalifornien stammende Twee Pop Legende Rose Melberg. Über seinen Freund und Mitmusiker Erwan ließ Morgan ausrichten, daß die ex-Softies Sängerin Ende Februar/Anfang März eine kurze Tournee durch England starten werde und auch Lust habe, vorher in Paris zu spielen. Wäre es da nicht perfekt, bei einer Oliver Peel Session aufzutreten, fragte man am 13/11 per e-mail bei mir an? - Ich ließ mich nicht lange bitten und sagte sofort zu! Mindestens drei Monate im Voraus - für mich wenig planerischen Menschen, eine verdammt lange Zeit-, machten wir die Session für den 27. Februar fest. Eigentlich wollte ich bis zu dem Termin sämtliche Alben von den Softies, Tiger Trap, Go Sailor und Gaze, den ehemaligen Bands von Rose, gekauft und gehört haben, aber das schaffte ich nicht. Als Rose am 27. Februar gegen 17 Uhr 30 an unserer Tür klingelte und zusammen mit ihrer Freundin Larissa bei uns eintrat, hatte ich keine einzige ihrer alten Cds geordert, geschweige denn gehört. Asche auf mein Haupt! Dennoch wußte ich, daß mir ihr Stil wahnsinnig gut gefällt. Einige Songs von ihren Bands kannte ich natürlich und die fand ich alle spitze. Über ihr Solowerk habe ich mich über MySpace, Youtube und ähnliche Plattformen informiert und auch das Klienicum hatte mit einem Post (klick!) die Vorfreude geschürt.
Da steht sie nun plötzlich in meinem Schlafzimmer und legt ihren Mantel ab. Unser Schlafgemach dient mangels größerer Garderobe unseren Gästen und den Künstlern als Abstellraum. Bergeweise Jacken und Mäntel stapeln sich gerade im Winter auf unserem Bett und einige haben sicherlich Probleme, ihr Kleidungsstück hinterher wiederzufinden. Klar, daß auch schon Sachen bei uns vergessen wurden, aber wir fungieren ja inzwischen als eine Art Fundbüro. Wer 100 Euro Finderlohn zahlt, bekommt seine Klamotten zurück. Ein Scherz, natürlich! Auch Rose war zu Scherzen aufgelegt. Die sehr sympathische und natürliche schwarzhaarige Brillenträgerin alberte von Beginn an rum, als kennten wir uns schon von Schulzeiten und machte vor allem mit ihrer Freundin und Backgroundsängerin viele Witzchen. Mädchen, mit denen man Pferde stehlen könnte! Fast hätten wir uns im Schlafzimmer festgeplaudert...
Im Wohnzimmer machte unterdessen eine andere Musikerin Bekanntschaft mit unseren Gästen. Sophie Ramsay heißt die junge, in Paris lebende Schottin, die ich kurzfristig für diese Session gewinnen konnte. Ein Landsmann der Folkeuse war bei der Session mit Rivkah zugegen und vom Konzept angetan. Er fragte mich per mail, wie man denn bei einer unserer Wohnzimmerkonzerte als Künstler teilnehmen könnte, er hätte da eine Kandidatin für uns. Besonders seine Begründung war amüsant: "She has a great voice and she's Scottisch, which is a winning combination in my book." In der Tat hat Sophie eine hübsche Stimme, aber nicht nur das, auch ihre sehr traditionellen Folk Songs hatten es mir auf Anhieb angetan. Ohne lange zu zögern, schrieb ich an Sophie, daß sie mit ihrer Gitarre, 3-4 Liedern im Gepäck und ein paar Freunden bei uns auflaufen solle. Wunderbar, daß Sophie dann auch tasächlich kam!
Sie machte heute den Anfang und begann ihr Konzert im Stehen. Ungefähr 30 Gäste hatten sich eingefunden und lauschten gespannt den exotisch wirkenden Klängen. In welcher Sprache sang sie da? Aha, das war also gälisch, interessant.... Bidh Clann Ulaidh, ein altes Wiegenlied, kam zum Vortrage und unser Kater d'Artagnan fand das auch sehr spannend, denn er setzte sich gleich neben die Füße der Sängerin und miaute sie von unten aus an. Diesen Härtetest muss jeder Künstler, der bei uns auftritt, überstehen. Bloß nicht irritieren lassen und laut loslachen, sondern sich auf den eigenen Text konzentrieren, lautet die Devise dann. Sophie ließ sich jedenfalls nicht aus dem Konzept bringen, sondern führte ihr Konzert nun sitzenderweise fort. Aber auch da ließ sie unser Stubentiger nich lange alleine, denn er setzte sich gleich auf den freien Stuhl zur rechten der Sängerin (und warf dabei mein Aufnahmegerät zu Boden, der Tollpatsch!). Diese trug nun ein sehr trauriges, autobiografisches Lied vor. The Song I Never Wrote For You ist Schmerzbewältigung und hilft Sophie über den tragischen Unfalltod ihrer großen Liebe hinweg, der vor einem Jahr aus ihrem Leben schied. Ein wunderschönes Lied mit einem ungemein berührenden Text, das auch keineswegs kitschig war. Trauer braucht Ausdrucksformen und Musik hilft da ungemein. Auch in Kent, Connecticut ging um den Verlust ihrer Liebe und das zarte Gitarrenspiel und der einschmeichelnde Gesang von Sophie hätten nicht bewegender sein können.
Der Abschluß des etwa 25 minutigen Konzertes erfolgte mit einem traditionellen schottischen Lied namens Auld Lang Syne. Sophie wählte die Version, die Robert Burns selbst bevorzugt hatte, es gibt auch noch eine zweite, die eine andere Melodie hat. Herrlich wie die Musikerin hier das "r" rollte, das rief schöne Erinnerungen an geglückte Urlaube in diesem herrlichen Land mit den herzlichen Menschen wach. Der Applaus war entsprechend langanhaltend und warmherzig. Mein "Last Minute Joker" hatte gestochen und seine Sache vorzüglich gemacht. Prompt wurde sie auch noch mit einem Kurzauftritt am nächsten Tage im Pop In belohnt. Erwan von Waterhouse Records, der auch ab und zu dort Konzerte organisiert, verpflichtete sie von der Stelle weg!
Nach einer kurzen Pause, die man zum Essen (meine Frau Cécile hatte köstliche Quiche gemacht) oder flirten nutzten konnte, war dann die Zeit für Rose und Larissa gekommen. Ganz ohne Mikro und Verstärker stellten sich die beiden schwarzhaarigen Sängerinnen den Gästen und die Atmosphäre hätte deshalb auch nicht intimer sein können. Rose Melberg schien die Sache ausgezeichnet zu gefallen. Noch nie habe sie in einem so schönen Rahmen gespielt (Amerikaner verstehen wirklich etwas von Komplimenten!) und noch nie seien zudem so wundervolle Leute unter den Zuschauern gewesen. Außerdem liebe sie Paris auf Anhieb: "It's the first time for me in Paris and I love it!" Nur französisch könne sie leider nicht sprechen, was sie sofort entschuldigte: "Sorry, I feel rude for not speaking french. Das übernahm ich dann (eigentlich unnötigerweise, schließlich verstanden ja alle englisch) in einer Szene für sie und erklärte unseren Gästen, daß Rose heute zum ersten Mal in Paris sei und sich gerade eben noch, den nicht weit entfernten Eiffelturm angesehen hätte. Brav Rose, Note 1 im Touriprogramm, setzen! Und singen vor allen Dingen! Das tat sie dann auch und erklärte noch, daß sie heute darauf verzichten wolle "silly jokes" mit Larissa alias Kellarissa zu reißen. Konzentration auf die Musik also und der Einstieg erfolgte mit Things That We Do, dem Opener des aktuellen Albums Homemade Ship. Das Christophsche Gestz hatte wieder einmal zugeschlagen! Wer nicht weiß, was das besagt, sollte hier nachlesen...
Sofort machte sich eine warme und sanfte Atmosphäre breit (Ich alter Romatiker hatte extra zwei Kerzchen angezündet). Kein Wunder, daß die wichtigste von Roses früheren Bands The Softies hieß! Der Gesang nur gehaucht, aber perfekt im Gleichklang, scheinbar ohne Aufwand und Anstrengung. Unglaublich wie harmonisch Melberg und Kellarissa zwitscherten. Niemand im Raume traute sich zu mucken, nur im Flur wurde geplaudert was mich zugegebenermaßen ein wenig nervte. Aber der Geräuschpegel war dennoch unglaublich niedrig. Selten werden Rose und ihre Freundin wohl vor solch andächtig stillem Publikum auftreten wie heute. Zwischen den ungemein schönen und butterzarten Liedern dann immer mal wieder kleine witzige Dialoge, Anmerkungen, ein kurzes Kichern und Räuspern und weiter ging's. Bis zu Lied elf wurden im Wechsel Stücke der beiden letzten Soloalben, Homemade Ship und Cast Away The Clouds performt. Mein aboluter Favorit war hierunter das absolut charmante und einprägsame Each New Day, das mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht.
Dann war die Zeit für Coverversionen angebrochen. Ihrer Verrehrung für Dolly Parton verlieh die ex-Softies Sängerin gleich in zweifacher Hinsicht Ausdruck, denn nicht nur der abschließende Klassiker Jolene, sondern auch I Never Will Marry stammten aus der Feder der kunstvoll operierten Blondine. Wobei im Falle von I Never Will Marry hinzugefügt werden muß, daß das Original von der Carter Family kommt, Rose Melberg aber ausdrücklich betonte, daß ihre Version ein Cover von Linda Ronstadt/Dolly Parton sei. Dues schließlich war Filmmusik aus dem Robert Altmann Streifen Nashville, aber all diese Cover waren gar nichts gegen die zwei besten Lieder des gesamten Abends. Das von Kellarissa auf finnisch vorgetragene Lied Taivas On Sininen Ja Valkoinen machte unsere Gäste sprachlos vor Entzücken und die traumhafte Ballade Take Some Time vom Album Cast Away The Clouds war so betörend, daß ich am liebsten hinterher auf die Repeat Taste gedrückt hätte. Und zwar mindestnes 10 mal! Wir waren aber live auf Sendung ( der gute Alban filmte alles sorgfältig mit) und so verflogen irgendwann die letzten Noten dieses wunderschönen Seelentrösters. "It's gonna take some time to fixe this love of mine." Hach...
Nach etwa einer Stunde endete der liebreizende Vortrag der beiden Amerikanerinnen und in geselliger Runde wurden noch CDs und Vinylalben verkauft, Taschengeld für die England Tour gesammelt und angeregte und relaxte Gespräche geführt. Besonders beeindruckt war Rose Melberg von Christoph's Kalender, der von Januar bis Dezember 2010 ausschließlich aus mit Legomännchen gestalteten Albencovern der Glasgower besteht. Schließlich hatte die Melberg schon mit Stuart Murdoch getourt und nicht nur dies, auch mit Elliott Smith, einem meiner ganz großen Helden, war sie schon unterwegs und stand sogar schon einmal mit ihm auf einer Bühne. Insofern unfassbar, daß sie am 27. Februar in unseren heimischen Wänden musiziert hat. Morgan Caris sei Dank!
Setlist Rose Melberg, Oliver Peel Session # 18, Paris:
01: Things That We Do
02: Look Skyward
03: Outlaws
04: Whistle Calling You
05: Homemade Ship
06: Each New Day
07: Sharks
08: Moon Singer
09: Truly
10: Clay Bride
11: Bear In A Cave
12: I Never Will Marry (Carter Family/ Parton & Ronstadt)
13: Dues
14: Taivas On Sininen Ja Valkoinen
15: Take Some Time
16: Jolene (Dolly Parton)
Setlist Sophie Ramsay, Oliver Peel Session # 18:
01: Bidh Clann Ulaidh
02: Song I Never Wrote For You
03: Kent, Connecticut
04: Auld Lang Syne (Scottish Traditional/Robert Burns)
3 Kommentare :
das nenne ich unterhaltend! du kreierst atmosphäre und damit die möglichkeit, nachträglich selbst vor ort zu sein und ein bißchen vom wunderbaren erlebnis mitzunehmen. teilhabe, wie sie eben über tausend kilometer hinweg noch möglich ist. danke dafür!
Gerne, Eike! Und die schönen Videos von Alban kommen auch bald. Ich werde sie dann hier einbinden.
Schade, daß ich nicht da sein könnte!
Kommentar veröffentlichen