Konzert: Blumfeld
Ort: Live Music Hall
Datum: 27.08.2014
Dauer: 92 min
Zuschauer: nicht ganz ausverkauft
Als Blumfeld nach 18 Stücken um kurz vor zehn zu den Zugaben zurück auf die Bühne kamen, hatte sich der beste Zwischenruf des Abends erledigt. Einige Lieder vorher hatte jemand in eine der Pause "warum rauchst Du nicht mehr?" gefragt. Der Gefragte, Jochen Distelmeyer, kam mit brennender Zigarrette zurück auf die Bühne. Seine erste während des Konzerts. Das Instrumentestimmen vor den Zugaben ist der beste Zeitraum Liedwünsche reinzubrüllen. Mehrere Zuschauer wünschten sich Apfelmann und ernteten ein energisches "schämt Euch!" von Bassist Eike Bohlken! Apfelmann stammt von der letzten Platte der Hamburger und selbst ein Blumfeld-Amateur wie ich weiß, daß Bohlken (Dr. Bohlken - er ist promovierter Philosoph) da schon lange nicht mehr Mitglied der Band war. Das sind die Leute, die bei Coversongs einer Band am lautesten klatschen, auch das gehört sich nicht.
Blumfeld hatten die kurze Tour als Feier zum 20jährigen Jubiläum ihrer zweiten Platte L'état et moi in Originalbesetzung angekündigt. Irgendwo hatte ich vorher aufgeschnappt, daß die Band das so ernst nehme, daß nur die Titel des Albums gespielt werden würden. Köln war der Tourauftakt, es gab also keine Informationen von anderen Konzerten, ob das so stimmte, Und ja, die ersten Minuten des Abends wirkten danach. Vorgruppenlos traten die drei Gründer - Jochen Distelmeyer, Eike Bohlken und André Rattay - nach halb neun auf und spielten die ersten vier Lieder von L'état et moi. Ich hatte sie lange nicht gehört und viele dieser "ja-genau"-Momente.
Ich mochte Blumfeld immer, ich war aber erst 2007 erstmals bei einem Konzert der Gruppe. Bei der Kölner Station der Abschiedstour. Es gefiel mir ausgezeichnet, ich weiß allerdings nicht mehr viele Details. "Sie waren früher dynamischer", sagte mir ein Freund, als wir von der Live Music Hall zu den Autos gingen. Das glaube ich gerne. Mir war irgendwann während des Konzerts durch den Kopf gegangen, daß die Musik, die ich gerade gespielt bekam, irgendwie wie aus einer Zeitkapsel stammend klang. Nicht die Texte, nur die Musik. Nicht, daß das unbedingt schlecht wäre, mein Konzertvergnügen litt unter dieser (vermeintlichen) Erkenntnis keinen Deut. Aber es verblüffte mich ein wenig, daß mich das so beschäftigte. Bei anderen Konzerten von Künstlern, die ich 2014 gesehen habe und die Lieder von vor zwanzig Jahren gespielt haben (Dean Wareham und vor allem Slowdive) war mir das anders gegangen.
Aber das ist alles wenig relevant, geht es ja bei der Tour, die in Köln begann ausschließlich um das Jubiläum und nicht um eine Reunion. So war es also toll, die unzähligen großen Stücke der ersten Bandphase zu hören. Blumfeld hatten dann doch nicht nur Lieder des Geburtstagsalbums gespielt. Schon recht schnell streuten sie Titel vom Debüt Ich-Maschine (das sie natürlich in gleicher Besetzung eingespielt hatten) ein. Die B-Seite von Verstärker (Anderes Ich) und Ein Lied von zwei Menschen von Old nobody, bei dem Eike noch einmal als Gast mitspielte, komplettierten das Set.
Auch personell war alles nicht so streng wie (von mir) gedacht. Nach ein paar Liedern kam ein zusätzlicher Gitarrist auf die Bühne (Daniel Flohr? - den Nachnamen habe ich nicht verstanden), der bei fast allen Stücken blieb.
Die Zugaben stammten wieder von Ich-Maschine, von Old Nobody (Kommst Du mit in den Alltag) und aus Distelmeyers Nach-Blumfeld-Schaffen (Einfach so - denke ich wenigstens), bevor Verstärker, wenig überraschend - den Abschluß bildete, als Medley mit Electric guitars und Everytime we say goodbye Schnippseln.
Es war ein stimmiger Abend. Das Publikum im erwarteten Alter kam immer mehr in Fahrt und applaudierte am Ende euphorisch. Das hätte auch ohne die kölschen Ansagen des Sängers, die ich aber überhaupt nicht als Anbiederungen verstanden habe, funktioniert. Höhepunkt der Annäherung des gebürtigen Bielefelders an die rheinische Fröhlichkeit war ein kurzes "isch binne ne Kölsche Jung, watt willste maache", das "von Herzen kam".
Es war schön, einmal die vielen alten Stücke, die so viel Einfluß auf unsere Musikszene hatten, live zu erleben. Daß alles ein wenig "aus der Zeit" klang, spielte da wirklich keine Rolle. Auch Jochen Distelmeyer gefiel es sehr, das sagte er einige Male. Und die Apfelmann-Wünscher können ja in 12 Jahren auf eine Geburtstags-Tour hoffen.
Setlist Blumfeld, Live Music Hall, Köln:
01: Draußen auf Kaution
02: Jet Set
03: 2 oder 3 Dinge, die ich von Dir weiß
04: Walkie, Talkie
05: Ich - wie es wirklich war
06: Eine eigene Geschichte
07: Pickelface is back in town
08: Aus den Kriegstagebüchern
09: Sing Sing
10: Anderes Ich
11: Evergreen
12: Ein Lied von zwei Menschen
13: Zeittotschläger
14: Penismonolog
15: Superstarfighter
16: Ghettowelt (Z)
17: Von der Unmöglichkeit Nein zu sagen, ohne sich umzubringen (Z)
18: Einfach so (Z)
19: Kommst Du mit in den Alltag (Z)
20: Verstärker (Z)
Links:
- Blumfeld, Köln, 13.04.07
1 Kommentare :
bei der Abschiedstour spielten Blumfeld seinerzeit im Bürgerhaus Stollwerck.
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