Montag, 31. Oktober 2011

Erdmöbel, Hachenburg, 30.10.11

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Konzert: Erdmöbel
Ort: Stadthalle Hachenburg
Datum: 30.10.2011
Zuschauer: ca. 100
Dauer: Friedemann Weise (ca. 30 Minuten), Erdmöbel (ca. 100 Minuten)


von Dirk von Platten vor Gericht


Die Hachenburger Konzerte der Band Erdmöbel bleiben ein Mysterium. Erklärbar vielleicht nur durch die Leiterin der Hachenburger KulturZeit Frau Beate Macht, die selbige nutzt, um sich selbst und nur wenigen Eingeweihten in den Tiefen des Westerwaldes ein Konzert-Erlebnis zu ermöglichen. Und dies bereits seit Jahren.

Bereits 2000 spielten Erdmöbel vor den Toren der Stadt in der Morgensonne, mittlerweile abgerissen, vor knapp 10 Zuschauern. 3 Jahre später folgte der nächste Auftritt im größeren Sternensaal, mittlerweile abgebrannt, der schon mindestens die dreifache Zuhöreranzahl anlockte. Bei der damaligen Ansage zum Konzertbeginn mussten Erdmöbel noch erfahren, dass sie noch nicht in der Hachenburger Stadthalle spielen dürften, dass dies jedoch vielleicht in einigen Jahren möglich sei.

2007 war es dann soweit, im Rahmen ihrer "No. 1 Hits" Tour trat die Kölner Band dann auch in der bestuhlten und halbwegs gut gefüllten Stadthalle auf. Diese steht trotz des vorherigen Erdmöbel Besuches immer noch und fasste am gestrigen Abend sicherlich mehr als 100 Zuschauer, auch wenn nicht alle gleichermaßen mit dem Werk der Band vertraut waren. So wurde einer älteren Dame vor uns am Eingang erklärt, dass heute Abend ein Konzert stattfinde. Auf Rückfrage musste die Dame an der Kasse zugeben, dass sie die Band selbst nicht kenne, diese aber schon mehrfach vor Ort gewesen sei. Bevor ich dem potentiellen neuen Erdmöbel-Fan mehr über die Band und ihre Hachenburger Vorgeschichte erzählen konnte, saß sie schon an einem der im hinteren Bereich der Halle aufgestellten, hübsch mit Blumen und Kerzen dekorierten Tische. Auf die sonstige Bestuhlung wurde, möglicherweise auf einen spontanen Massenandrang spekulierend, in diesem Jahr verzichtet, was der Stadthalle jedoch den Charme einer Turnhalle verlieh.

Nach einigen freundlichen und offensichtlich spontan ausgewählten Worten von Frau Macht betrat Friedemann Weise um kurz nach Acht mit seiner Akustikgitarre die Bühne. Entweder waren es die vergangenen Tage im Tourtross von Erdmöbel, die ihn sicherlich auf Hachenburg einstimmten, oder die Anfahrt durch die Einöde des Westerwaldes, die Weise u.a. zur Auswahl eines Songs Über die Wüste und der einen oder anderen spitzen Bemerkung in Richtung der Stadt inspirierten. So zweifelte er an, ob es vor Ort bereits Fernsehen gibt, fragte sich und uns, ob hier immer noch mit Schweinehälften bezahlt werde und baute die Pension Doris, in der er untergebracht war, als Running Gag immer wieder ein. Die Ansagen und die kleinen Geschichten zwischen den Titeln gestaltete er humorvoll und unterhielt die Anwesenden prächtig. Jedoch fehlte seinem "Satire-Pop" dieser Esprit, und von den in knapp 30 Minuten dargebotenen Songs ist mir eigentlich keiner positiv in Erinnerung geblieben. Ein Titel über den Mann mit den zwei Stimmen (Sieger beim Supertalent im letzten Jahr), vorgetragen selbstverständlich mit tiefem und quietschend hohem Gesang, hat leider eine ähnlichen Halbwertzeit wie die Sieger solcher TV-Castings und dürfte bestenfalls auf einem Kindergeburtstag für Unterhaltung sorgen. Gut, dass zumindest drei der Kleinen (zwischen 6 und 8 Jahren) anwesend waren und es sich vor der Bühne gemütlich gemacht hatten.

Zumindest den Auftrag, die Zuschauer aus den Tiefen der Stadthalle vor die Bühne zu locken, erfüllte er. Sein in einem Song formulierter Wunsch, die seit einem Jahr ständig ansteigende Vielzahl an deutschen Singer/Songwritern aus der Radiolandschaft zu vertreiben, wird so nicht in Erfüllung gehen.

Kurz vor 21 Uhr betraten die vier Erdmöbel, begleitet von Henning Beckmann an der Posaune, die Bühne der Stadthalle in ihrer (nach eigener Aussage) Partnerstadt Hachenburg, um die Lieder ihres aktuellen Albums "Retrospektive" vorzustellen.

Passend dazu waren nicht nur die zwischen Grün und Grau changierenden Anzüge der Herren gewählt, die auch aus dem Kleiderschrank meines Großvaters hätten stammen können, sondern auch die Auswahl der Titel. Denn mit "Dreierbahn" und "Lang schon tot" ging es direkt zurück in die Anfangsjahre der Band. Ein neuer Song namens "Die Krähen" zeigte kurz darauf, in welchem Spektrum sich an diesem Abend die Songauswahl bewegen sollte. Im ersten Drittel des Konzertes schlugen Erdmöbel größtenteils ruhige und melancholische Töne an, wie zum Beispiel in "Wort ist das falsche Wort", welches Ekimas zurecht als sein Lieblingslied ankündigte. Markus Berges Zauberhände zogen (im Stile Bela Lugosis) die zurückhaltenden Zuschauer noch weiter vor die Bühne, jedoch konnte die räumliche Distanz erst mit Hilfe eines Akustik-Blocks völlig überbrückt werden. In fast schon intimen Ambiente wurden, auf Stühlen am Bühnenrand sitzend, nicht nur "Lied über gar nichts", "Dawai Dawai" und eine sehr schöne Version von "Der blaue Himmel" dargeboten, sondern auch "Busfahrt", welches vom 2003er Album "Altes Gasthaus Love" stammt und auf bisherigen Tourneen verschmäht wurde. Im neuen klanglichen Gewand fügte sich das Lied nahtlos in das Erdmöbel-Universum ein, und von der Band befürchtete Vergleiche zu Blumfeld sind ebenfalls obsolet. Allein für diese vier Titel hatte sich die Reise in den Westerwald bereits gelohnt.

Während des Konzertes griff die Band immer wieder auf ihre, anscheinend unvergesslichen Erlebnis in Hachenburgs Morgensonne zurück oder erkundigte sich nach örtlichen Besonderheiten wie dem "Kirmesekel". Man darf gespannt sein, ob sie wirklich ihr nächstes Album so nennen werden!

Erdmöbel sehen sich mittlerweile in der Lage, ihr Programm spontan zu variieren. So wurde die Reihenfolge der Setliste geändert, Lieder ausgelassen ("Vergnügungslokal mit Weinzwang", "Leben ist trivial"), auf Coverversionen verzichtet ("Wieder allein, natürlich") oder andere neu hinzu gefügt ("Emma"). So erbrachte das letzte Konzertdrittel eine äußerst fulminant dargebotene, schnelle Abfolge an temporeichen, rockigeren Songs wie "Wurzelseliger", "Fremdes" oder "Das Leben ist schön".

Nach etwas mehr als 80 Minuten verabschiedeten sich Erdmöbel, jedoch nicht endgültig, denn mit den Zugaben "Wette unter Models" und "Die Devise der Sterne" erfüllten sie auch sicherlich die letzten Song-Wünsche der noch anwesenden Fans. Denn deren Anzahl war mit fortgeschrittener Stunde in etwa auf Sternensaal-Zeiten zurückgegangen.

Der Einladung zum Treffen am Merchandise-Stand, wo Erdmöbel von CDs bis zu nackter Haut alles unterschreiben wollten, kamen leider nur sehr wenige Besucher nach. So waren an einem sehr schönen Konzertabend tatsächlich die drei jüngsten Gäste, von Schlagzeuger Christian Wübben (sicherlich zur Freude der Eltern) mit Drumsticks beschenkt, die letzten, die die Stadthalle verließen.

2014 feiert Hachenburg 700 Jahre Stadtrecht. Erdmöbel dürfen nicht fehlen, Frau Macht!



Setlist Erdmöbel, Stadthalle Hachenburg:

01: Dreierbahn
02: Lang schon tot
03: Wort ist das falsche Wort
04: Die Krähen
05: Au Pair Girl
06: Russischbrot
07: Der blaue Himmel (akustisch)
08: Lied über gar nichts (akustisch)
09: Busfahrt (akustisch)
10: Dawai Dawai (akustisch)
11: Anfangs Schwester heißt Ende
12: Wurzelseliger
13: Erster Erster
14: Fremdes
15: Für die nicht wissen wie
16: Das Leben ist schön
17: In den Schuhen von Audrey Hepburn

18: Emma
19: Wette unter Models
20: Die Devise der Sterne

Links:

- Erdmöbel, Frankfurt, 10.10.10

Weitere Tour Termine:

02.11.11 Hamburg, Fabrik
03.11.11 Potsdam, Lindenpark
17.11.11 Hildesheim, Kulturfabrik Läseke
18.11.11 Wuppertal, Die Börse
19.11.11 Bremen, Lagerhaus
25.11.11 Würzburg, Posthalle
26.11.11 München, Backstage
02.12.11 Ludwigshafen, Kulturzentrum
03.12.11 Frankfurt, Batschkapp
09.12.11 Köln, Gloria



Erland and the Carnival, Köln, 30.10.11

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Konzert: Erland and the Carnival

Ort: Gebäude 9, Köln
Datum: 30.10.2011
LinkZuschauer: ca. 100
Dauer: Erland and the Carnival 75 min, Blue Roses 30 min


Vor sechs Monaten hatten Erland and the Carnival ein hervorragendes Konzert im
Blue Shell gespielt. Heute waren nicht mehr Zuschauer im deutlich größeren Gebäude 9. Die Konkurrenz mit Bon Iver im E-Werk war einfach zu groß. Dabei haben die fehenden Leute etwas verpasst, das Konzert der Band aus London war nämlich wieder fabelhaft und damit nicht schlechter als im April. Nunja, nicht viel zumindest. Denn die wundervolle Hannah Peel, die ursprünglich auch heute die Engländer begleiten sollte, war nicht dabei. Auch die "Ersatzvorgruppe" war eine junge Britin. Laura Groves bzw. Blue Roses, verstärkt um Erland-Schlagzeuger David Nock, spielte ein halbstündiges Set von traurigen Liedern, begleitet von vielen Keyboards. David saß zunächst nur aus pragmatischen Gründen hinter den Trommeln, er spielte da auch allerlei Tasteninstrumente. Nur bei den Stücken, die Laura auf der Gitarre anstimmte, kam ein leises Schlagzeug dazu.

Verkehrt war das nicht, Hannah Peel hätte mir aber besser gefallen. Deren Auftritt im Blue Shell war so gut, daß die Meßlatte etwas zu hoch lag.

Nach der jungen Sängerin wurde es laut. Erland and the Carnival war anzumerken, wie viel Spaß es ihnen bereitete, richtig Krach machen zu können. Meine Ohrschützer lagen währenddessen zu Hause und freuten sich über den ruhigen Abend...

Erland and the Carnival sind Sänger Gawain Erland Cooper, Gitarrist Simon Tong, Schlagzeuger David Nock, Bassist Danny Wheeler und Keyboarder Andrew Bruce. Als die fünf im winzigen Blue Shell gespielt haben, passte alles gerade so auf die Bühne. Im Gebäude 9 ist alles deutlich größer, der Platz reichte also locker dafür, sich auszubreiten. Erland and the Carnival ließen sich davon nicht verunsichern. Andrew und Danny hatten ihren Platz am hintersten Eck der Bühne, hinter Monitorboxen und Verstärkern, Andrew hockte hinter den Keyboards, die auf einer Equipment-Kiste standen. Eine herrliche Form der Bescheidenheit!

Grund dafür, zurückhaltend zu sein, hat die Band nicht. Wenn man die Platten der Briten hört (vor allem die erste), fällt immer wieder auf, wie viele Hits, Erland im Repertoire haben. Hits im Sinne von Riesenhits! Daß viele traditionelle britische Stücke verarbeitet und neu interpretiert werden, schmälert die Originalität dabei keinen Deut!
Was you ever see, Trouble in mind, Everthing came too easy, You don't have to be lonely, Gentle Gwen und wie sie alle heißen, sind live enorme Kracher. Vor allem die treibenden Rhythmen, die ich, wenn ich Pferde mögen würde, mit Reitkrams verbinden würde, sind grandios. Auch das Stilmittel, das Tempo eines Songs zu steigern, um dann am Ende wieder langsamer zu werden, ist nicht neu, Erland beherrschen es aber hervorragend. Mehrmals arteten die lauten, schnellen Passagen in wahren Postrockanfällen aus, um dann wieder die Kurve zum traditionellen, englischen Folklied zu kriegen.

Besonders schön sind auch die Duette im Set. Im Blue Shell war da Hannah Peel Erlands Partnerin, heute übernahm Laura deren Rolle. Auch ihre Stimme passte ganz wundervoll zu der des Sängers. Gemeinsam sangen die beiden
Everthing came too easy und You don't have to be lonely und Gentle Gwen am Ende des Sets.

Man kann mit Erland and the Carnival wirklich nichts verkehrt machen! Die Band spielt vorzügliche Konzerte und erspielt sich damit eine zwar kleine aber treue Anhängerschaft. Zufällige Zuschauer schienen mir keine anwesend zu sein, dafür wurde über all zu inbrünstig mitgesungen.


Setlist Erland and the Carnival, Gebäude 9, Köln:

01: Out of sight
02: So tired in the morning
03: Everthing came too easy
04: One morning fair
05: The echoing green
06: Was you ever see
07: Trouble in mind
08: My name is Carnival
09: Stack O Lee
10: Nightingale
11: The Derby ram
12: Map of an Englishman
13: You don't have to be lonely
14: Gentle Gwen

15: ? (Z)
16: The sweeter the girl the harder I fall (Z)
17: Love is a killing thing (Z)

18: This night (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Erland And The Carnival, Paris, 13.05.11
- Erland And The Carnival, Köln, 27.04.11
- Erland And The Carnival, Duisburg, 12.11.10
- Blue Roses, Paris, 18.09.09
- mehr Fotos von Erland and the Carnival im Gebäude 9




Sonntag, 30. Oktober 2011

Pitchfork Festival Paris, mit Bon Iver u.a. 29.10.11

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Konzert: Pitchfork Festival Paris mit Bon Iver, Lykke Li, Jens Lekman, Kathleen Edwards, The Rosebuds und Stornoway
Ort: La Grande de la Villette, Paris
Datum: 29.10.2011
Zuschauer: ausverkauft, mehrere tausend


"Die Innigkeit ist verloren gegangen."

Wie schon nach dem Konzert der Fleet Foxes im Bataclan musste ich an den Kommentar des Bloggertitanen Eike vom famosen Klienicum denken, den er eigentlich auf das aktuelle Album von Iron & Wine gemünzt hatte.

Spätestens nach heute ist klar: ob Bon Iver, Iron & Wine oder Fleet Foxes, überall ist die Innigkeit flöten gegangen. Fans des kargen und reduzierten Folks jaulen auf, der Mainstream jubelt. Sänger, die dereinst ihre brüchigen Songs in einer alten verlassenen Jagdhütte oder im Schlafzimmer geschrieben haben, bespielen heutzutage mit riesigem Orchester und fettem Sound große Hallen und das Publikum sind keine schluffigen Bartträger mit Ökölatschen mehr, sondern ein trendiges Völkchen mit ordentlich Knete im per Second Hand erstandenen Portemonnaie.

Wie reagiert man auf einen solchen Wandel? Stellt man sich in die Ecke und kotzt, oder sagt man sich: "ist doch gut, wenn jemand wie Bon Iver in den Charts vor Beyonce steht?" Hmm...

Aus kommerzieller Sicht ist Bon Iver jedenfalls inzwischen ganz klar Mainstream geworden, was man schon daran sehen kann, daß ich mir sein zweites Album beim diesjährigen USA Urlaub bei Starbucks (!) gekauft habe. "Einen doppio espresso und das neue Album von Bon Iver", hörte ich mich dem Barista antworten, als er fragte, was ich zu bezahlen hätte. Verrückt! Als ich das letzte Mal für längere Zeit in den USA war (2005) verkaufte Starbucks ein Album von Coldplay (nicht an mich, ich mag die nicht). In dieser Promi Liga ist Justin Vernon also nun angekommen. Da fragt man sich: wo ist das Topmodel/die Hollywood Schauspielerin, die man zur Belohnung bekommt, wenn man berühmt geworden ist? (man erkundige sich diesbzüglich bei Pete Doherty, Paul Banks, Alex Turner und Sean Lennon)

Im Falle von Justin heißt die Eroberung Kathleen Edwards, ist charmante kanadische Folksängerin und spielte in meiner Anwesenheit heute bereits um 15 Uhr 30 beim letzten Tag des Pitchfork Festivals. Vernon selbst durfte erst um 20 Uhr 30 ran, nachdem zuvor schon Jens Lekman und Lykke Li aufs Festivalvolk gehetzt worden waren.

Mit einer riesigen Band erklomm Vernon die Bühne. Da ich recht weit hinten stand und es auch nicht schaffte, mich nach vorne durchzukämpfen, konnte ich die Anzahl der Mitglieder nicht genau nachzählen, aber 12 Musiker dürften es bestimmt gewesen sein, darunter allein zwei Schlagzeuger, viele Trompeter und ein Saxofonist. Entsprechend orchestriert und breitwandig war dann der Sound und auf Grund der hohen Lautstärke klang das Ganze noch wuchtiger als auf dem aktuellen Album. Für mich keine große Überraschung, hatte ich doch bereits Bon Iver auf der Hauptbühne des Haldern Pop Festivals gesehen und mitbekommen, wie rockig und aggressiv da teilweise zu Werke gegangen wurde. Und dies war beim wesentlich reduzierter gehalten Album Nummer eins. Daß dann ein opulentes Album wie das zweite live noch einmal eine ganze Spur bombastischer dargeboten wird, wunderte mich nicht mehr.

Ich war also mental gut auf das heutige Konzert vorbereitet und das zahlte sich letztlich dann auch aus. Anstatt allzu lange über die (in der Tat) verloren gegangene Innigkeit zu hadern, erfreute ich mich an der sensationellen Falsettstimme von Vernon , den geschliffenen Arrangements und den gelungenen Stücken. Die riesige Band spielte wirklich exzellent zusammen und man konnte sich vorstellen, wie viel Arbeit hinter dem Ganzen stand. Da agierte plötzlich nicht mehr der Singer/Sonwriter, sondern der Dirigent Justin Vernon, der auch diese Aufgabe mit Bravour meisterte. Klar, der Sound war fett, ja überfett, der Ballon bis zum Platzen aufgeblasen, aber in einer solch großen Location wie der Grande Halle de la Villette musste man einfach so auslegen, um den Saal angemessen beschallen zu können.

Die Reaktionen darauf waren unterschiedlich. Ein guter Bekannter von mir rümpfte die Nase und verließ in der Mitte des Konzertes die Halle, andere wiederum schienen alles rundum zu genießen. Manche sprachen hinterher von einem "concert magnifique", einer ließ sich gar zum dem Spruch verleiten: "Bon Iver live sehen und dann sterben."

So euphorisch war ich persönlich nicht und auf's Sterben habe ich auch noch keinen Bock. Ich habe alles in allem ein gutes Konzert gesehen. Schulnote 2. Justin Vernon hatte es auf überzeugende Weise geschafft, seinen Lieder live urwüchsige Kräfte zu verleihen. Die musikalische Leistung war tadellos. Allerdings fehlten auch mir am Ende die intimen Momente, die es bei meinem ersten Bon Iver Konzert in der Maroquinerie zuhauf gab. Damals war Justin sprichwörtlich ein Kerl zum Anfassen (ich stand ganz vorne), heute sahe ich sein rot-weiß gestreiftes Hemd (ein häßliches Ding!) nur von weitem. Mittendrin statt nur dabei galt heute nicht, es war eher umgekehrt. Ich war dabei, aber nicht wirklich mitten und leibhaftig im Geschehen drin. Es war ein Konzert wie in einem Stadion, perfekt durcharrangiert, aber nicht immer wirklich herzerwämend. Vorgesehen war die heutige Location ursprünglich nicht. Anfänglich war der Gig im stimmungsvollen Theater Trianon angesetzt, wegen der riesigen Nachfrage, dann aber in die Grande Halle de la Villete höherverlegt worden. Und aus welchen Gründen auch immer wurde plötzlich ein ganzes Festival drumherum gebastelt.

Hinsichtlich des gespielten Lieder muss Holocene unbedingt hervorgehoben werden. Schon auf dem Album ein Highlight, überzeugte der cinematographische Track auch live durch Tiefe und Anmut.


Eher weniger gefiel mir Skinny Love. Der eigentlich famose Track des ersten Albums wurde heute von einem riesigen Chor geschmettert und verlor dadurch seine Kargheit und Erdigkeit. Ganz anders als aus der Konserve klang auch Creature Fear. Geradezu brachial und noisig wurde hier zu Werke gegangen und die Schlagzeugsalven hatten eine immense Wucht. Bon Iver goes Post Rock!

Letztlich wurde der Erstling komplett neu arrangiert serviert und entsprach im Klangbild dem zweiten Werk. So war dann auch Flume, die erste Zugabe, wesentlich opulenter als früher und hinsichtlich der Orchestrierung nicht von neuen Stücken zu unterscheiden. Die zweite Zugabe Wolves und den eher nervigen Mitsingpart ("what might have been lost") fand ich schon damals nicht so toll und war deshalb froh, daß es mit For Emma noch einen besseren Schlußpunkt gab.

Gegen 22 Uhr war die Messe gelesen und die modebewußten Jünger trotteten in der Mehrzahl sehr zufrieden aus der Halle.

Die Veranstalter dürften ebenfalls ein positives Fazit von dem ersten Pariser Pitchfork Festival gezogen haben, selbst wenn man sich zwischen den ganzen Engländern und Amerikanern nicht wie in Paris fühlte.

Nächstes Jahr wieder? Schau' mer mal.

Gute Nacht!

P.S: Morgen auch noch ein paar Sätze zu dem charmanten Jens Lekman und der gewohnt käsigen Lykke Li.

Setlist Bon Iver, Pitchfork Music Festival, La Grande Halle de la Villette, Paris:

01: Perth
02: Minnesota, Wi
03: Holocene
04: Blood Bank
05: Beach Baby
06: Hinnom, TX
07: Wash
08: Towers
09: Creature Fear
10: Skinny Love
11: Calgary
12: Lisbon, Oh
13: Beth/Rest

14: Flume
15: The Wolves

16: For Emma

Fotos in Kürze!

Ausgewählte Konzerttermine Bon Iver:

30.10.2011: E-Werk, Köln
01.11.2011: C-Halle, Berlin
06.11.2011: Docks, Hamburg



Samstag, 29. Oktober 2011

Pitchfork Festival Paris, 28.10.11

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Konzert: Pitchfork Festival mit Washed Out, Wild Beasts, Mondkopf, Real Estate u.a.
Ort: La Grande Halle de la Villette, Paris
Datum: 28.10.11
Zuschauer: ausverkauft


"Sie sind doch keine lauten Mieter, oder? Machen keine Feten, hören keine laute Musik und kommen nicht spät in der Nacht nach Hause? Und ziehen sogar sofort die Schuhe aus, wenn sie zur Wohnungstür reinkommen?"

Puh, solche Fragen stellen einem Hausverwalter, wenn man auf Wohnungssuche in Paris ist! Gerade erst heute passiert. Sollte ich da etwa ehrlich drauf antworten? Zugeben, daß wir in der alten Bude sage und schreibe 41 lärmende Hauskonzerte veranstaltet haben? Hmm. Ich druckste rum, ließ meine Frau antworten und die sagte, daß wir die stillsten Menschen sind, die man sich vorstellen kann. Nun denn, wenn uns das hilft, die verfluchte neue Bleibe zu bekommen...

Wenn es um Konzerberichterstattung geht, nehme ich aber weiterhin kein Blatt vor den Mund und rede nicht drumrum. Im Klartext: der erste Tag des Pitchfork Festivals in Paris war ein ziemlicher Flop. Die Konzerte waren irgendwie alle mau, viel zu seicht, poppig und steril und das Publikum bestand aus einem riesigen Haufen eitler Indie-Arschgeigen, die zum Großteil aus England (und den USA?) gekommen waren. Fucking tourists! Man kennt ihn ja diesen Menschenschlag. Auf Gegenkultur und alternativ machend, aber diesbezüglich schon wieder so konformistisch und den gleichen Stil-und Kleidungskodex imitierend, daß man kotzen könnte. Wo man hinguckte sah man selbstverliebte Typen mit sauengen, weit geöffneten Holzfällerhemden, Trucker Caps und engen dunklen blue Jeans, die unten hochgekrempelt waren. Motto: ich sehe aus wie ein Proll, bin aber saucool! Die Weiber waren tättowiert wie sau, aufgestylt bis in die Haarspitzen und wirkten ziemlich hohl. Es war wie auf einer Modenschau, sehen und gesehen werden. Für die Musik schienen nicht sonderlich viele gekommen zu sein. Hauptsache man kann dann später erzählen: "hört mal alle zu, ich war beim Pitchfork in Paris!"

Warum ich dann überhaupt da war? Gute Frage! Vielleicht weil ich selbst eine eitle Indie-Arschgeige bin und mich unter Gleichgesinnten wohl fühle? Hmm. Ich denke der Hauptgrund war Neugierde. Ich wollte einfach sehen, wie die Pariser das hinbekommen, dieses amerikanische Festival nach Frankreich zu importieren. War ja schließlich dieses Jahr in Chicago, beim Original, dies nur um an dieser Stelle mal schön anzugeben. Also hinsichtlich der Organisation gab es eigentlich nichts zu bemängeln in Paris. Flotte Abfertigung am Eingang, Möglichkeit, draußen auf der Terrasse frische Luft zu schnappen (ach, nein, chillen sagt man ja heute!) und ein recht straffes Progamm ohne allzu langen Leerlauf.

Wenn bloß das Line-up besser gewesen wäre! Da waren zunächst die Amerikaner von Real Estate, die zwar phasenweise mit drei Gitarren antraten, aber dennoch klangen wie aus dem Weichspüler geschlüpft. Dieser dezente "Ich tu-dir nichts-tu du mir auch-nichts Gesang", diese sonnigen und durchgängig braven Gitarren, dieser nette Pop. Ecken und Kanten totale Fehlanzeige, stattdessen gepflegte Langweile pur. Wer steht auf solche Musik? Romantische Mädchen mit einem Hang zum Strebertum? Verweichlichte Jünglinge mit Pickeln und einer großen Schlümpfesammlung? Also neben Real Estate wirken die Shins wirklich wie eine Heavy Metal Band! Mein Hauptgedanke war: werft die Pussies da vorne von der Bühne und lasst Metallica oder Slayer auftreten!

Die nächste Band, die antrat, stellte sich namentlich nicht vor und war ähnlich mau und seicht wie Real Estate, lediglich elektronischer. Wie ich hinterher erfuhr, hießen sie Washed Out und dann fiel mir auch wieder wie Schuppen von den Haaren, daß ich viele Lobhudeleien über diese Band gelesen hatte. Glaubt den Schreiberlingen kein Wort! Washed Out ist beknackter Chillwave, den kein Arsch braucht. Wegtreten!

Kurze Pause und dann kamen die Wild Beasts aus England. Eine Band, die ich früher (beim ersten Album Limbo, Panto ) mochte, die mich aber ähnlich langweilte wie die anderen vorher. Der Gitarrensound klang glattpoliert und steril als käme er vom Band und der hohe Falsett- Gesang von Hayden Thorpe ist eh Geschmacksache. Mir ging er heute meistens auf die Nerven. Als würde Jimmy Somerville jetzt bei Coldplay singen, so in etwa wirkte das. Also auch die Wild Beasts eher für die Füße.

Was blieb war Mondkopf. Ein junger Elektrofummler aus Frankeich, der abstrakte schwarz-weiß Bilder auf eine Leinwand projezierte und düster- wabernden Technosound produzierte. Erstaunlicherweise fand ich das gar nicht mal so schlecht. Wie immer bei dieser verfluchten elektronischen Musik gab es diese monotonen, repetitiven Phasen, aber in einigen Momenten wartete das wummernde Klangbild auch mit Überraschungen und spannenden Wendungen auf und wer sich drauf einließ, konnte womöglich in Trance geraten. Erinnerte mich relativ stark an Moderat (Apparat & Modeselektor), die ich einmal auf dem Berlin Festival gesehen und ebenfalls für nicht übel befunden hatte.

Eine positive Überraschung also, ich werde bezüglich Mondkopf am Ball bleiben.





Danach war allerdings die Luft bei mir raus und ich sparte mir die Headliner Aphex Twin und die anschließende Techno Night (mit Pantha du Prince u.a.). Ich möchte für morgen fit sein, wenn Bon Iver an gleicher Stelle auftritt und hoffentlich eine überragende Show abliefert!

Fotos in Kürze!



Freitag, 28. Oktober 2011

Sealight & Game & Watch, Paris, 24.10.11

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Konzert: Sealight & Game & Watch
Ort: L'International, Paris

Datum: 24.10.2011
Zuschauer: so einige, mindestens 150


Da hat mir das Mädel doch glatt Tränen der Rührung in die Augen getrieben! Wahnsinn! Das Mädel, das ich meine, heißt Aurélia, stammt aus Paris und war früher eine der beiden Sängerinnen der legendären Indierock-Band Hopper. Ihre damalige Kollegin Dorothée hat längst Karriere gemacht. Unter dem Pseudonym The Rodeo ist Letztgenannte bereits im Vorprogramm im legendären Olympia und als Hauptact im angesehenen Café de la Danse (Zuschauerkapazität gut 500) in Erscheinung getreten.

Um Aurélia war es aber ruhiger geworden. Seit nunmehr zwei Jahren arbeitet sie dennoch an ihrem neuen Projekt Game & Watch und seit der Veröffentlichung der ersten EP Orion Disaster vor ein paar Monaten hat die Geschichte deutlich mehr an Fahrt aufgenommen. Konzertauftritte häufen sich, die Fachpresse wird so langsam aufmerksam und auch le Cargo hat bereits eine seiner legendären Sessions mit Game & Watch abgedreht.



Game & Watch, das ist eigentlich eine vierköpfige Band, in der neben Aurélia drei Männer auf den Putz hauen. Klar im Mittelpunkt steht jedoch die burschikose Dame, die einfach ein unglaubliches Talent für die Bühne in die Wiege gelegt bekommen hat. Sie gibt immer ihr Allerletztes, schreit sich regelmäßig die Kehle aus dem Leib und tritt so ungekünstelt und kompromisslos auf, daß einem heiß und kalt wird. Eine Rockröhre (so hätte man das zumindest in den 80 er Jahren gesagt), die aber auch gefühlsbetont und fragil sein kann. Alles bei ihr kommt intiuitiv und aus dem Bauch raus, prasselt ungefiltert auf den Zuschauer ein und wühlt einen über alle Maßen auf. Dehalb auch meine zu Beginn erwähnten Tränchen. Aurélia vermittelt so unglaublich viel Emotionalität, hat so eine ungeheure Power, ein solches Feuer. Das haben auf internationaler Ebene nur wenige Ausnahmeerscheinungen wie Scout Niblett, Shannon Wright oder Liela Moss von The Duke Sprit.

Toll deshalb, daß sie zurück auf der Bühne ist und mit Sylvain, Gérald und Marco eine schlagfertige Truppe um sich hat. Eine Truppe, die aber nicht nur mit Energie, sondern auch Feingefühl zu Werke geht und solch hübsche Instrumente wie Melodica, Glockenspiel und Omnichord mit einbindet.

War also wirklich ein famoses und sehr intensives Konzert am Montag.




Aber auch vor Game & Watch wurde schon ganz fabelhafte Musik geboten. Kein Geringerer als Robin Guthrie von den Cocteau Twins hat die Debüt Ep namens Dead Letters von Sealight produziert.

Sealight, das ist das Projekt der Französin Sandra (früher Drou & The Candy Kid), ihres australischen Lovers Dave Olliffe (Heligoland) und des Drummers Marco, der auch bei Game & Watch aktiv ist. (er kam heute also gleich zwei mal hintereinander zum Einsatz!)

Sandra singt ätherisch schön, während Dave seine legendären melodischen Gitarrenwände hochzieht und Marco trommelt aus dem Hintergund dezent mit. Man nenne das Ganze Shoegaze, oder auch Dream Pop, Fakt ist auf jeden Fall, daß die Musik von Sea Light den Zuhörer in völlig andere Sphären beamt. Red Bull verfleiht Flügel, Sealight liefern gleich noch den Propeller mit! Da schwebt man wirklich über den weichen Schäfchenwolken als hätte man massenweise halluzinogene Pilze geschluckt und mit Wodka runtergespült. Wahrlich traumhaft!

Um das Ganze dann auch richtig genießen zu können, habe ich mich vorne auf der Bühne in eine kleine Ecke gehockelt, meine Daunenjacke ausgebreitet, es mir gemütlich gemacht und die Augen geschlossen. Meditieren zu Musik, schöner geht's kaum.

Zu hauchzarten Songs wie When The Rain Starts hieß es dann schwelgen, davontragen lassen, in die Tiefe der Musik hinabtauchen. Ein beinahe hypnotisches Erlebnis.




Das wolkenverhangene Dream Pop Set bewegte sich immer im Midtempo Bereich nahm am Ende aber mehr Fahrt auf. Bei White Walk bekam der Drummer mal so richtig Arbeit und am Ende waren alle drei Musiker schweißgebadet aber glücklich.

Wir werden sie in Paris noch öfter sehen, keine Frage, aber auch in Berlin werden Sealight sich bereits dieses Jahr blicken lassen: 14. Dezember Schokoladen Berlin. Save The Date!






Mittwoch, 26. Oktober 2011

Silje Nes & Kyrie Kristmanson, Paris, 23.10.11

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Konzert: Silje Nes & Kyrie Kristmanson
Ort: Le Petit Bain, Paris
Datum: 23.10.2011

Zuschauer: vielleicht 60



Silje Nes gehört zu jenen Geschöpfen, die so zart und zerbrechlich wirken, als seien sie aus hauchfeinem Glas gemacht. Die blonde Norwegerin ist beinahe eine irreale Person, so schüchtern und leise, daß man sie fast gar nicht bemerkt. Auch ihre Stimme ist dementsprechend sanft und weltentrückt. In einer hektischen und lauten Stadt wie Paris etwas Exotisches. Da muss man selbst erst einmal ein wenig runterkommen, den Puls langsamer schlagen lassen und sich auf die verhuschte Traumwelt von Silje einlassen, um die Sache voll genießen zu können. Ungeduldige Mitbürgerinnen und Mitbürger bemängelten dann konsequenterweise sofort die Anfangsphase, in der die Nes auf dem Boden kauernd an Knöpfchen drehte und verwunschene Geräusche enstehen ließ. Mindestens 10 Minuten lang ging das so und gesungen wurde auch nicht. Ein ungewöhnlicher Beginn, aber letztlich sehr typisch für das ganz eigene Universum der in Berlin lebenden Frau. Sie kümmert sich nicht im Geringsten um den klassisch-banalen Songaufbau aus Strophe-(Bubbelgum-) Refrain- Strophe, sondern lässt ihre Musik wie einen langsamen Fluß fließen und singt dazu samtweich. Ihr zuzuhören ist wie von einer Feder am Arm gestreichelt zu werden. Sie vermittelt Unschuld und Reinheit, aber auch Mystik und Spiritualität.

Die zierliche, aber recht großgewachsene Musikerin spielte die ersten drei Lieder ganz alleine. Obwohl eigentlich klassisch am Piano ausgebildet, ist ihr Standardinstrument die E-Gitarre. Diese und ihre geloopte Stimme ergeben den typischen Silje Nes- Sound (manche reden von Folktronic, was immer das ist), der an Reduziertheit kaum zu überteffen ist. Um dem Konzert in der Folge aber ein wenig mehr Dampf und Abwechslung zu verleihen, stieß nach etwa 20 Minuten ihre aus zwei Herren bestehende Begleitband mit hinzu. Die beiden Burschen agierten an Schlagzeug und Geige/Gitarre und bereicherten so das zuvor karge Klangbild. Zum Vortrage kamen Lieder ihrer beiden Alben, mit einem Schwerpunkt auf ihrem letzten Werk Opticks. Besonders angetan hatten es mir Crystals und The Grass Harp, zwei einfühlsame Balladen, die stellvertretend für das Set von Silje stehen konnten. Ein Set, das zwar relativ gleichförmig, aber dennoch nie langweilig war und bei einem Lied sogar fast ein wenig rockte. Aber Silje Nes ist nun einmal nicht Scout Niblett (eher Mazzy Star oder Mariee Sioux) und wer in der Nähe von Fjorden groß geworden ist, hat eben nicht viel Feuer, sondern eher Wasser.

Scheiß Vergleich, ich bin raus der Nummer!
Die Nes ist wundervoll, soviel gilt festzuhalten!



Morgen auch noch ein paar Worte zu Kyrie Kristmanson, die in den Abend eingeleitet hatte.

Konzert: 31. Oktober in der Astra Stube in Hamburg.





Thees Uhlmann, Köln, 25.10.11

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Konzert: Thees Uhlmann
Ort: Live Music Hall, Köln
Datum: 25.10.2011
Zuschauer: so gut wie ausverkauft
Dauer: Thees Uhlmann gut 90 min, Imaginary Cities gut 35 min


Wahrscheinlich ist es vollkommen uncool, Thees Uhlmann gut zu finden, schließlich ist sein Debütalbum ein kommerzieller Erfolg. Spätestens aber nach seiner Teilnahme am Bundesvision Songcontest müssen die Indiereflexe sofort ausschlagen und die Flucht anordnen. Fremder Leute Coolness Definitionen jucken uns hier allerdings nicht die Spur, ich werde also reinen Gewissens von diesem großartigen Konzertabend schwärmen.

Ursprünglich hatte das Konzert im tollen Bürgerhaus Stollwerck stattfinden sollen. Dort war es allerdings so schnell ausverkauft, daß eine Höherverlegung in die Live Music Hall nötig war. "Ich bin früher dauernd in die Live Music Hall gegangen und habe Konzerte gesehen. Daß wir hier spielen und so viele da sind, ist geil," kommentierte Thees später. Er nahm eh immer wieder Bezug auf seine (Studien-)
Zeit in Köln, mit Schwerpunkt Kneipenlandschaft. Beispielsweise kokettierte Thees damit, eigentlich mit einem Auftritt im Blue Shell oder Stereo Wonderland gerechnet zu haben (in die 50 bis 100 Zuschauer passen), mit Aftershowparty beim Bäcker am Chlodwigplatz.

Die Zeiten der 50 bis 100 Zuschauer sind vorbei (und werden es auch noch eine Weile sein). Als ich um neun ankam, war die Bude schon eklig voll, einen anständigen Platz zu finden, schwierig. Gleichzeitig mit mir kamen Imaginary Cities aus Kanada auf die Bühne. Imaginary Cities stammen aus Winnipeg und klingen auch so. Dieser Eindruck bestätigte sich etwas später, als Gitarrist
Rusty Matyas erzählte, daß er vor ein paar Wochen mit seiner anderen Band, den Weakerthans, nebenan im Underground gewesen sei. Manchmal klang Sängerin Marti Sarbit nach Kate Nash, meistens hatten die Lieder aber rockigeren Schmackes. Besonders die mehrstimmigen Stücke taugten enorm viel. Schönster Moment war eines der letzten Lieder. Rusty erzählte, daß er vor dem Weakerthans Konzert durch Ehrenfeld gegangen sei und plötzlich Kirchenglocken geläutet hätten. Er spielte uns das mit seinem Diktiergerät vor. Das habe ihn dazu animiert ein Lied darüber zu schreiben, The bells of Cologne! Wundervoll! Einzig das Stück mit dem Refrain "Water under the bridge" war ein Ausfall, es erinnerte zu sehr an Kirmesmusik, das hatte aber all der Rest locker kompensiert.

Ein toller Auftakt und wieder ein Kanada-Länderpunkt.

Kurz nach zehn dann der Hauptteil des Abends. Thees Uhlmann erschien erst
alleine, zückte die Mundharmonika und trötete los. Als aus dem Intro Römer am Ende Roms wurde, kam auch die restliche Band dazu, Pianistin Julia Hügel, Schlagzeuger Markus Perner, Bassist Hubertus Steiner und die beiden Gitarristen Nicolai Potthoff und Tobias Kuhn.

Die Instrumentierung machte die Stücke nicht nur auf dem Papier druckvoll, das Konzert war rockig - und von Beginn an fabelhaft! Zu den beiden Gitarren kam oft noch die dritte von Thees dazu, immer dann wurde es besonders gut. Allerdings hatte der beste Moment des Konzerts nichts mit Musik (aber mit Gitarren) zu tun. Als der Sänger nämlich seine nach
Lat: 53.7 Lon: 9.11667 loswerden wollte, schmiß er sie quer über die Bühne zum Helfer. Das sind in der Live Music Hall vielleicht sechs Meter. Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen!

Das Lied über seine niedersächsische Heimat kommentierte Thees auch sehr komisch. "Ist jemand aus Frechen hier? Aus Bergheim? Wir kommen doch alle nicht aus der großen Stadt sondern aus beschissenen Dörfern." Recht hat er, wie in so
vielem. Auf die Frage nach Frechen brüllte übrigens jemand zurück, seine Tante komme von da...

Daß der
Tomte*-Sänger gerne erzählt, merkte man schnell. Mal Witze, mal Erlebnisse mit Olli Schulz (vermutlich reden die sich dabei gegenseitig an die Wand), es war sehr komisch. Nach einem der Witze sagte er zwar "lustiger werde ich heute nicht", das war aber gelogen.

Thees und Band spielten alle Titel der im August erschienen Platte. Da auf "Thees Uhlmann" keine Ausfälle sind, war das eine gute Idee. Erweitert wurde der reguläre Teil durch Tomtes New York. Besonders gut waren dabei natürlich die Hits Jay Z oder Die Nacht war kurz, schlecht war aber wie erwähnt an diesem Abend gar nichts. Beim ersten Hören der Platte hatte ich den Auftaktsong Zum Laichen... platt gefunden. Beim zweiten Mal hatte ich es mir schöngehört, live mit vielen Gitarren und laut, wird das Lied mit der überschaubaren Melodie ein echter Kracher!

Zur ersten Zugabe kam Thees alleine zurück und spielte Das hier ist Fußball, seine St. Pauli Hymne, am Ende auf den hiesigen FC, der keine gute Woche hatte, umgewandelt. Nachdem mit Paris im Herbst das geplante Programm durch war, die Live Music Hall aber nicht genug hatte - und der vollkommen verausgabte Thees auch nicht, kam er noch einmal, rief die Band zurück und sagte, das sei jetzt wie bei einem Talentwettbewerb der Sparkasse Frechen, sie hätten nichts mehr und müssten ein Lied noch mal spielen, wie eine Schülerband. Also gab es noch einmal für den Heimweg die laichenden Lachse.

Von Thees' bejammerter Nervösität war den Abend über nur einmal etwas zu merken, als er Wish you were here von Pink Floyd anstimmen wollte. Er bestand darauf, daß erst die green fields, dann die blue skies kämen. Weil ihn die Klugscheißer im
Publikum verbesserten, beendete er den Ausflug! "Ich bin so nervös!" Viel mehr als seine Aufregung spürte man, wie sehr in die fast ausverkaufte Live Music Hall bewegte. Obwohl... "Als ich im Zug an der Lanxess Arena vorbeigefahren bin, haben ich gesagt 'ne, heute nicht hier', ich muß in der Live Music Hall spielen.'"

Ich habe vorher unterschätzt, wie gut das Konzert werden würde. Der Auftritt war ein Knüller! Besser als Fußball.

Setlist Thees Uhlmann, Live Music Hall, Köln:

01: Römer am Ende Roms
02: Das Mädchen von Kasse 2
03: Lat: 53.7 Lon: 9.11667
04: Vom Delta bis zur Quelle
05: Sommer in der Stadt
06: New York (Tomte)
07: Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
08: Die Nacht war kurz (Ich stehe früh auf)
09: 17 Worte
10: & Jay-Z singt uns ein Lied
11: Die Toten auf dem Rücksitz

12: Das hier ist wie Fußball (Z)
13: Paris im Herbst (Z)

14: Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf (Z)**


* für google
** "Wir machen das jetzt wie eine Schülerband: wir spielen ein Lied noch mal. Wir haben nicht mehr!"




Dienstag, 25. Oktober 2011

Cyann & Sun Airway, Paris, 22.10.11

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Konzert: Cyann & Sun Airway (Eldia)

Ort: Le Petit Bain, Paris
Datum: 22.1.2011

Zuschauer: etwa 60


Konzerte auf den Pariser Hausbooten liebe ich ganz besonders. Es ist immer exotisch und urgemütlich, wenn im Batofar, der Dame de Canton oder auf der Peniche El Alamein Gigs stattfinden.

Kürzlich ist eine Location dieser Art hinzugekommen: Le Petit Bain. Mit den vorgenannten, auf charmante Weise gammeligen und amateurhaft betriebenen Hausbooten, hat dieser neue Veranstaltungssort aber nicht viel gemein. Le Petit Bain ist kubusförmig und besticht schon von außen durch sein modern-schlichtes Design. Nach Boot sieht hier nix aus und auch drinnen herrschen klare Linien und eine schnörkellose Sachlichkeit. Klarer Fall, hier waren Profis am Werk! Leute, die genaue Vorstellungen haben, wie moderne Konzertsäle aussehen sollen: Puristisch, funktionell und soundtechnisch durchdacht.

Hinsichtlich der Promo kann man aber noch deutlich besser werden. Höchstens 60 Mitbürgerinnen und Mitbürger fanden sich an jenem Oktober-Samstag hier ein und man fragt sich, wie die Kosten für einen solchen Abend gedeckt werden.

Diejenigen, die da waren, hörten allerdings bedächtig und leise zu, als die Pariser Pianistin Cyann ihre sehnsuchtsvollen Klavierballaden performte. Cyann hatte erst im vergangen Juni eine wundervolle Oliver Peel Session gespielt, in der Zwischenzeit aber ihre Lieder verfeinert und perfektioniert. Neu hinzugekommen war ein Tonverzerrer (sagt man das so? Ich spreche von dem kleinen Kasten auf ihrem Klavier, mit dem sie experimentelle und sphärische Geräusche erzeugte), an dem sie immer mal wieder drehte. Altbekannt war aber die Wirkung ihrer in moll gehaltenen Stücke auf mich: umwerfend, benebelnd, berauschend! Sie entführt mich immer wieder ins Reich der Träume, nimmt mich mit auf ihre Reise durchs Unterbewußtsein, läßt mich sehnsüchtig schwelgen. Ich liebe ihre zarte, sinnliche Stimme, ihre Fragilität, ihre Emotionalität.

Der Hit schlechthin in ihrem Set war Wall Of Silence. Eine betörende Klaviermelodie leitete ein in diesen verwunschenen, wolkenverhangenen Melancholiefetzen, der geradezu süchtig machende Wirkung entfaltete. Aber auch der Rest des Programms, in dem die gothisch angehauchte Ukrainerin Yelena Valer'evna Moskovich einen gefeierten Gastauftritt bei The Wind Is More Than Silence hatte, konnte sich sehen und hören lassen. Egal ob der Opener Should I Cross My Fingers oder der Closer Tongue Of Ashes, alles klang wahnsinnig intensiv und bewegend.

Ein wundervolles Konzert, von dem ich hoffentlich bald auch Livevideos nachreichen kann.

Nach Cyann eroberten drei junge Kerle aus Philadelphia die Bühne. Sun Airway nennen sie sich und ich glaube es war ihr erstes Konzert in Paris überhaupt. Eine Dream Pop Band mit elektronischem und bisweilen auch psychedelischen Einschlag, die bereits von Pitchfork abgefeiert worden war. Leider konnte die Amis in Paris aber nicht durchgängig überzeugen. Ihrem aus dem Zusammenspiel von Keyboard, Bass und Schlagzeug resultierenden Sound fehlte bisweilen einfach eine Gitarre, die dem ganzen mehr Tiefe und Wärme hätte geben können. So aber blieb es meistens bei eher unterkühlten und recht sterilen Posongs, die nur dann an Schwung und Durchschlagskraft gewannen, wenn das Schlagzeug einmal so richtig losgallopierte. Erst am Ende nahm das ziemlich kurze Konzert mehr Fahrt auf und mit etwas Phantasie konnte man an moderne amerikanische Nachfahren von New Order denken.

Mein Tip an Sun Airway: schmeißt das verfluchte Keyboard in die Mülltonne und kauft euch zwei Gitarren. Chillwave braucht kein Arsch, Indierock hingegen schon!

"Wild Palms" Sun Airway - Official Music Video from Monogram on Vimeo.





 

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