Sonntag, 5. Oktober 2008

The Rodeo, Underground Railroad, Paris, 04.10.08


Konzert: The Rodeo, Underground Railroad
Ort: Galerie Issue (The Rodeo), Le Truskel (Underground Railroad), Paris
Datum: 04.10.2008
Zuschauer: jeweils ca. 70-80




In Bayern gibt es nicht nur ehemalige Tenniscracks, die Jahr für Jahr ihre jeweils neuste Eroberung im Dirndl (bzw. mit seltsamen Hüten) über die Wiesen führen, Nationaltorhüter, die im P1 ihrer Frau fremd gehen und hochbezahlte Trainer, die mit ihrem Team gegen keinen noch so kleinen Verein drei Punkte holen, sondern auch Leute, die wirklich was auf dem Kasten haben. Bloggerfreund Eike zum Beispiel. Der Kerl weiß sogar Wochen vor mir, welche Garagenband wann gratis in einem kleinen Club in Paris spielt. Irre! Ohne seine Terminhinweise auf dem Klienicum wäre ich manchmal völlig ahnungslos. Und Underground Railroad, die eigentlich Pariser sind, aber seit geraumer Zeit in London leben, kannte er schon wieder vor mir (hier seine ausführliche Albumbesprechung).

Wie ich persönlich allerdings auf die Idee kam, daß die Band um 17 Uhr im Truskel auftreten würde, weiß ich selbst nicht mehr so genau. Mir schien, als hätte ich das irgendwo so gelesen. Deshalb machte ich mich auch schon am Nachmittag zum Truskel auf, nur um vor verschlossenen Türen zu stehen. Sogar das Gitter vor der Eingangstür war noch runtergelassen. Zum Glück traf ich etwas später Laurent, den Patron, der mir sagte, daß sie um 19 Uhr aufmachen würden, mit dem Konzert aber nicht vor 20 Uhr 30 zu rechnen sei. Was mit der Zeit anfangen? Ein Besuch in dem CD-Laden Virgin, der in der Nähe liegt, schien mir zu riskant. Ich hatte Angst, ich würde wieder viel zu viel Geld für Musik ausgeben...

Aber ich hatte für später noch ein anderes feines Gratiskonzert auf dem Programm. Dorothée, die Sängerin und Gitarristin von The Rodeo hatte mir nach dem Konzert von Bon Iver am vergangenen Donnerstag gesagt, daß sie in einer kleinen Pariser Galerie spielen würde. 19 Uhr hatte sie in einem MySpace Bulletin als Beginn vermerkt. Ich hetzte mich ab und hatte meine liebe Mühe und Not die Galerie Issue zu finden, die unweit vom modernen Museum Pompidou in einer kleinen Seitenstraße liegt. Als ich um kurz nach 7 dort ankam, war aber von Dorothée noch weit und breit keine Spur. Lediglich eine Gitarre- ich erkannte sie als ihre - und ein verwaistes Stühlchen warteten darauf benutzt zu werden. Ich drehte eine Runde und guckte mir die ausgestelleten Bilder an. Es ging um viele verschiedene Themen: Liebe, Sex, Geld, etc. Am spannendsten fand ich den Spruch von Picasso, den er angeblich zum Thema Kreativität vom Stapel gelassen haben soll: Guter Geschmack ist der Feind der Kreativität! War dies also der Leitspruch der Galerie? Nein, nein, schlechten Geschmack will ich dem Laden nicht unterstellen, sie hatten ein paar wirklich fetzige Plakate zu bieten. Dort mein Favorit: She lost control. Hmm, Joy Division sind auch 28 Jahre nach dem Tod von Jan Curtis immer noch hochaktuell, gerade im Moment.

Joy Division hat Dorothée aka The Rodeo auch in ihrer Jugend gehört, das weiß ich. Hörbar beeinflusst ist sie aber eher von Cat Power, Karen Dalton und Patti Smith und auch noch einigen anderen Größen der Folkszene.

Wer unseren Blog regelmässig liest, kennt The Rodeo gut, ich habe schon oft über sie berichtet. Aber die junge Dame entwickelt sich ständig weiter, war aktiv beim Festival Sout By Southwest in Texas dabei und hat dort auch mit Vincent Moon von der Blogothèque ein paar colle Video - Sessions gemacht.

Und sie hat inzwischen auch einige neue Songs im Programm. Nach der Veröffentlichung ihrer ersten EP, schlicht und einfach betitelt My First EP By The Rodeo , arbeitet sie nun (u.a. mit Musikern von Syd Matters) mit Hochdruck an ihrem ersten Studioalbum. Darüber hinaus hat sie im Sommer zwei Termine in Deutschland absolviert, einen davon beim Fusion Festival im Juni den anderen Ende August in Berlin bei den Monbijoufestspielen.

Von den neuen Songs gab es gleich am Anfang Kostproben. Modern Life ist nicht auf der EP vertreten, hat aber gute Chancen auf dem Longplayer enthalten zu sein. Dorothée legte kurz vor 8 mit weißen Stiefelchen und pinkfarbener Strumpfhose los und sorgte mit ihrer Stimme, die zwischen rauer Rockröhre und sanfter Folkeuse hin und her schwankte, für erstaunte Gesichter bei den Besuchern der Galerie. Diejenigen, die sie noch nie gesehen hatten, wunderten sich über die toughe Person, die man hinter der zierlichen Pariserin nicht unbedingt vermutet. Mit viel Schwung und Elan schmetterte sie Lieder von ihrer EP, darunter Klassiker wie I'm Rude, People Know und das melancholische und wunderschöne I Could (beste Textzeile: I could have sex like a man). Dann kam ein Musiker hinzu, der auf einem wahrlich seltsamen Instrument spielte. Es handelte sich um ein sogenanntes Omnichord der Marke Suzuki, das auch Jim James von My Morning Jacket bei Liveshows verwendet. Schon verrückt, ein elektronisches Instrument mit dem man einen Countrysound erzeugen kann, fast wie mit einer Pedalsteel! Der gespielte Song hieß übrigens Love Is Not In The Corner Or In The Neighborhoord und war ebenfalls neu im Programm. Gleich im Anschluß noch ein Neuling mit I'll Catch The Following Train, bevor sie solo den alten Culture Club Hit Do You Really Want To Hurt Me in völlig neuem Gewande präsentierte. Aus dem Ohrwurm der 80 er Jahre wurde ein knisternder Folksong!

Der Abschluß wurde schließlich gebildet mit dem schwungvollen Your Love Is Huge (I can share it with you), dem unveröffentlichten Little Soldier und meinem Lieblingslied von The Rodeo, nämlich Winterlands. Eine herzerweichende Ballade, die tief unter die Haut geht und auf der EP mit Streichern eingespielt wurde. Heute fehlten die zwar, dafür war aber jede Menge Gefühl mit dabei und der Schmachtsong verfehlte auch heute seine wohlige Wirkung nicht!

Ein gelungener Abschluß eines sympathischen kleinen Konzerts in ungewöhnlichem Rahmen!

Setlist The Rodeo, Galerie Issue, Paris:

01: Modern Life
02: I'm Rude
03: People Know
04: I Could
05: Love Is Not In The Corner Or In The Neigborhood
06: I'll Catch The Following Train
07: Do You Really Want To Hurt Me? (Culture Club Cover)
08: Your Love Is Huge
09: Little Soldier
10: Winterlands

Links:

Videos von The Rodeo:

- I'm Rude Videoclip. Cool!
- I Could, auf dem Boden kniend während einer dieser charmanten Cargo-Sessions
- Little Soldier, gedreht von der Blogothèque. Countryfeeling made in Paris!
- People Know

Nachdem The Rodeo fertig war, ging die Vernissage in der Galerie Issue natürlich munter weiter. Jetzt war die Zeit für einen Plausch mit den vielen netten und interessanten Leuten, die hier versammelt waren. Mir wurde eine Spanierin namens Flavie Trichet vorgestellt, die eine fabelhafte Fotosession zu Promozwecken mit The Rodeo realisiert hat und ich unterhielt mich auch mit einem jungen Mann, der mit Hopper (der anderen Band von The Rodeo) bereits einen Dokumentarfilm in China gedreht hat und außerdem auch schon einen fabelhaften Videoclip mit Cyann & Ben und zwar zum Song Let It Play.

Aber ich wollte ja noch ins Truskel! Also schnell tschüss sagen und Abmarsch! Ich muss mehrfach umsteigen, düse an der Börse vorbei Richtung Truskel, stoße die Tür auf und sehe, daß Underground Railroad noch zu Gange sind, obwohl es schon nach 21 Uhr ist. Ich habe circa. 10 Minuten und 2 Lieder verpasst, bekomme aber noch den Großteil des Konzertes mit.

Das kleine Pub ist circa. halbvoll, ich schaffe es noch relativ bequem, mich nach vor ne durchzuarbeiten, um ein paar Fotos zu schießen. Natürlich verweilt meine Linse am häufigsten bei der einzigen Frau des jungen Trios. Gitarristin Marion Andrau hat aber auch wirklich zu schöne braune Augen! Das brünette Girl zeigt schnell, daß sie Feuer unter dem Arsch hat, auch wenn es heute nur akustisch zur Sache geht. Sie hält die Gitarre fast wie Kurt Cobain und Grunge hat sie bestimmt in jungen Jahren schon eine Menge gehört. Auch die Pixies, Sonic Youth, My Bloody Valentine und andere Kultbands, genau wie ihre beiden männlichen Mitstreiter, Raphael Mura an den Drums und JB Ganivet am Bass. Bei den Parisern mit Wohnsitz London singt mal Marion, mal der Drummer Raphael, desöfteren auch beide gleichzeitig. Ihr Sound ist schwer und düster und sie machen auch hier und heute ordentlich Krach. Ich will nicht (oder eigentlich doch sehr gerne!) wissen, wie das Ganze elektrisch klingt! Um das zu überprüfen, muß man nächste Woche ins Nouveau Casino pilgern, wo die jungen Leute ihr neues Album Sticks And Stones promoten werden. Man hätte aber auch noch früher Gelegenheit sie wiederzusehen, denn am Diensatg spielen sie im altehrwürdigen Olympia, im Vorprogramm von Nada Surf, mit denen sie auch schon durch Deutschland tourten.

Nada Surf loben sie natürlich verbal, aber ich glaube, daß mir Underground Railroad selbst sogar noch einen Tick besser gefallen. Sie sind wesentlich punkiger, noisiger, psychedelischer, das mag ich. Aber sie haben auch einen softere Seite, die sie mit dem recht poppigen Kill Me unter Beweis stellen. Danach wird es aber wieder deutlich düsterer, da verstehen die drei keinen Spaß! Und das ist gut so, das Truskel rockt! Besonders geil auch noch einmal der Abschluß mit Pick The Ghost. Der Drummer lässt es richtig krachen, der Bass poltert dunkel und gemein und Marion gukct grimmig und gefährlich, während sie auf ihrer mit einem schwarzen Tesastreifen zugeklebten Gitarre schrammelt.

Eine coole Band!

Setlist Underground Railroad:

01: Poems For Freaks
02: 25
03: Sticks And Stones
04: Six Pieds Sous Terre
05: Kill Me Now
06: Stuff In Your Pocket
07: Homeless
08: Idealize
09: Pick The Ghost




1 Kommentare :

E. hat gesagt…

zu viel der ehre, mein lieber! bin gespannt, wie dir underground railroad gefallen haben. hatte ich nicht verfügt, dass sie live ordentlich alarm machen?

 

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