Konzerte: Emily Jane White, Flotation Toy Warning, Motorama
Orte: La Maroquinerie, Paris, Le Rocher de Palmer, Bordeaux
Daten: 9 November 2016 Paris, 12. November 2016 Bordeaux
Das absolut wundervolle französische Label Talitres feierte seinen 15. Geburtstag in Paris und Bordeaux und da musste ich natürlich dabei sein! Was hat mir Labelchef Sean Bouchard mit seinen Veröffentlichungen über die ganzen Jahre hinweg für eine Freude bereitet! Der Teufelskerl hat einen Grossteil meiner Lieblingsalben der 2000er Jahre veröffentlicht! Zu seinem Katalog gehörten und gehören unter anderem Longplayer von: The Organ, I liketrains, Swell, The Wedding Present, Kim Novak, The National (Album Sad Songs For Dirty Lovers), Rachael Dadd, The Walkmen, Rozi Plain, The Apartments!
Alben die mein Leben verändert und mir viel Mut und Hoffung gegeben haben, ja die auch mit dazu beitrugen, dass ich mit diesem Blog hier überhaupt angefangen habe. Die Platte von The Organ haben Christoph und ich geliebt und das hat uns Lust gegeben, uns täglich mit dem Schreiben über Musik die wir mögen zu beschäftigen.
Das musikalische Programm der Jubiläumsfeierlichkeiten von Talitres sah dann im Detail so aus:
Paris, La Maroquinerie:
09.11.16: Motorama, Emily Jane White
10.11.16: Motorama, Flotation Toy Warning, Will Samson
Bordeaux, Le Rocher de Palmer
11.11.16: François And The Atlas Mountains, Stranded Horse, Will Samson
12.11.16: Emily Jane White, Flotation Toy Warning, Motorama
Natürlich wollte ich eigentlich jeden Abend mitfeiern, aber es gab da ein paar Probleme. Zunächst einmal war da mein Tinnitus zu nennen, den ich mir beim Konzert von The Wedding Present ein paar Tage zuvor zugezogen hatte und dann war meine Freundin auch noch auf die gute, aber mich in eine Zwickmühle bringende Idee gekommen, für den 9. November Karten für John Carpenter im Pariser Grand Rex zu ordern. Ausgerechnet an jenem Abend waren aber eben Emily Jane White und Motorama in der Maroquinerie angesetzt! Was also tun? Meine Lösung sah folgendermassen aus: am 9. zu John Carpenter gehen und dann am 12. nach Bordeaux fahren, um dort den in Paris verpassten Auftritt von Emily Jane White nachzuholen. Die Reise nach Bordeaux trat ich dann auch wirklich an, das Konzert von John Carpenter am 9 Novemver verliess ich aber nach nur einem einzigen Lied, weil es mir dort mit meinen schmerzenden, pfeifenden Ohren viel zu laut war, trotz Ohrenstöpseln.
Eine Tag später, am 10. November, versuchte ich erneut zu testen, ob meine Ohren dem Lärm eines Konzertes stand halten würden und da ich meine Laucherchen fest mit Wachs verschlossen hatte, ging das dann schliesslich auch.
Als ich die sehr gut gefüllte Maroquinerie betrat, hatten die Briten Flotation Toy Warning gerade angefangen. Labelchef Sean von Talitres hatte bereits nach dem nachmittäglichen Soundcheck die Erwartungen weiter angeheizt als er postete, die Proben hätten sensationell geklungen.
Und schön wurde es in der Tat! Popstar Researching Oblivion wurde angestimmt und die grandiose Studioversion klang auch live toll. Natürlich konnten nicht alle kleinen Details der Plattenversion wiedergegeben werden, weil dort mit so vielen Chören, Effekten, Geräuschen und Computerprogrammen gearbeitet worden war, dass es unmöglich war, das Ganze genau wiederzugeben. Die Bläserparts fehlten sogar gänzlich. Aber das hatte natürlich auch mit Kostengründen zu tun. Schon jetzt standen sehr viele Musiker auf der Bühne die bezahlt werden wollten, hätte man jetzt noch Bläser und Streicher eingeflogen, wäre das nicht mehr finanzierbar gewesen. "Trying to understand it all" croonte Bandleader Paul Carter und die feierliche Kammerpopatmosphäre des Stücks legte sich über die Maroquinerie. Nun wurden mit Controlling The Sea und Foxgloves viel versprechende Neulinge gespielt, die man 2017 auf ein neues Album pressen will.
Der Mittelteil des Konzerts war eine Art Dankeschön an Labelchef Sean und seine Mitarbeiter, die auf die Bühne zitiert wurden und zusammen mit der Band ein Lied im Chor sangen. Das anschliessende kurze Made From Tiny Boxes war für den heutigen Abend extra umgeschrieben worden, der Text war nun französisch! Die Parolen handelten logischerweise von Glückwunsch-und Dankesbekundungen an Talitres. Natürlich kam das gut an, es war auch wirklich eine nette, aufrichtig gemeinte Geste.
Der Abschluss erfolgte mit Even Fantastica, einem melancholischen Stück das fast schon vorweihnachtliche Stimmung verbreitete und besinnlich vor sich hin schlenderte, teilweise aber auch die für die Band typischen spacigen Weltraumpassagen aufwies.
Ein paar Tage später in Bordeaux klang das irgendwie noch besser, die Gruppe schien eingespielter zu sein, der Sound war nuancierter, meine Aufmerksamkeit und Empfänglichkeit höher. Zwar wurde auch hier nicht ganz das sensationelle Niveau der Platte erreicht, aber das Konzert war dennoch weit überdurchschnittlich.
Setlist Flotation Toy Warning
01: Postar Researching Oblivion
02: Controlling The Sea (neu)
03: Foxgloves (neu)
04: Driving
05: When The Boat Comes Inside Your House
06: Sings, mit Sean von Talitres
07: Made From Tiny Boxes auf französich
08: Even Fantastica
Dann Motorama! Ich war gespannt wie ein Flitzebogen wie mir die neuen Songs von Dialogues in der Liveversion gefallen würden. Das Studioalbum selbst hatte ich noch nicht gehört, da ich ganz unbefangen an die Sache rangehen und das neue Material im Konzert entdecken wollte.
Sofort gab es 3 Neulinge hintereinander weg. Es wurde schnell klar, dass der Sound genauso basslastig wie früher, aber elektronischer und softer war. Synthieplayer Alex hatte mehr zu tun als früher, aber Drummer Oleg trommelte genau so schnell und stakkatisch wie bei der Tour zum letzten Album von Poverty. Von Letzgenanntem wurden heuer nur das herrlich melodiöse Heavy Wave und Corona gespielt, der Akzent lag ansonsten ganz klar auf Dialogues. Und die ersten beiden gespielten Stücke dieses aktuellen Outputs hatten es bereits in sich, sie gehören sicherlich zu den Highlights des Werkes und auch live kamen sie Tadellos rüber. Tell Me klang so wunderbar sanft, war catchy wie gewohnt und blieb schnell im Ohr hängen. Sign begeisterte ebenfalls.
Mit Wind in Her Hair und Above The Clouds liessen die Russen dann die Sonne rein, wer behauptet Motorama seien nur düster, wurde hier eines Besseren belehrt. Wind In Her Hair hatte fast ein tropical feeling mit seinen lässigen sonnengetränkten Gitarren. Es sollte nicht der einzige Titel von Alps bleiben, Ghost kam ebenfalls, der famose Titeltrack des Erstlings aber nicht, obwohl die Russen den Song gerne als Zugabe gespielt hätten. Aufgrund der recht späten Stunde und des frühen Curfews kam es aber im Gegensatz zum Vortageskonzert in der Maroquinerie nicht mehr dazu. Schade ! Gerade in der Schlussphase hatte Sänger (und Gitarrist und Bassist) Vlad Parshin mächtig aufgedreht, ja sich regelrecht in einen Rausch gespielt! Wild fuchtelte er mit seiner Gitarre bzw. seinem Bass um sich, tänzelte wie Elvis Presley auf Zehenspitzen hin und her schien wie von Sinnen zu sein. Seine Brille hatte er zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr auf. Bevor er ausrastet, zieht er die immer sicherheitshalber ab.
Das dynamische Finish hatte selbt diejenigen überzeugt, die vorher, unwissend wie sie waren, gegen Motorama gestichelt hatten.
Am 12 November in Bordeaux wiederholten Motorama dann noch einmal die Show zu ihrem neuen Album und da ich die Stücke inzwischen besser kannte, kam ich noch mehr auf meine Kosten, hatte noch mehr Spass, selbst wenn das Publikum in Bordeaux eher schüchtern reagierte und sich kaum bewegete. Und dies obwohl vorne mit 350 Sachen gespielt wurde!
Setlist Motorama
01: By Your Side
02: Tell Me
03: Sign
04: Wind In Her Hair
05: Above The Clouds
06: I See You
07: Heavy Wave
08: Ghost
09: Hard Times
10: Holy Day
11: Alps
12: Reflection
13: To The South
14: Corona
15: Eyes
Und wer fehlt noch in meiner Zusammenfassung ? Na klar, Emily Jane White! Die hatte wie erwähnt bereits am 9. November in Paris gespielt und stand dann am 12. November in Bordeaux als Erste auf der Bühne. Ich war gerade noch rechtzeitig angekommen und schleppte sogar meinen Reisekoffer mit rein, freilich nachdem ich minutenlang gefilzt worden war. Das Sicherheitspersonal hielt mich sicherlich für verrückt zu den Konzerten mit einem Koffer anzurücken, aber ich hatte keine Zeit mehr diesen vorher in die Wohnung meines mich beherbergenden Freundes zu bringen.
Den Auftritt von Emily Jane White genoss ich trotzdem in vollen Zügen, trotz meines bepackten Zustandes, denn den Koffer stellte ich einfach in eine Ecke und meinen Mantel hatte ich auch schnell ausgezogen.
Sehr erfreulich war der hervorragende Sound in der Venue, wirklich brillant und perfekt ausgesteuert, was da aus den Boxen kam. Und nicht nur zu meiner Freude war heute auch noch ein Geiger mit dabei, der sehr einfühlsam und virtuos spielte. Das Line Up komplettierten wie schon zur Tour im Frühjahr die Bassistin Laura aka Foxtails Brigade und der Drummer und Lover von Emily Jane namens Nick.
Das 2016 er Album gefällt mir ganz ausgezeichnet und natürlich lag auf diesem Machwerk auch der Schwerpunkt. Emily Jane White hat sich bei den neuen Songs wirklich auf ihre Stärken besonnen, Songs wie Frozen Garden oder Nightmares On Repeat glänzten mit wundervoller Instrumentierung, melodisch-melancholischem Ambiente, guten Texten und der sanftweichen Stimme von White.
Was die Lyrics anbelangt, beschäftigte sich die Kalifornierin auch mit aktuellen politischen Themen wie der Black Live Matters Bewegung, die die oft unberechtigte Polizeigewalt gerade gegen schwarze vermeintliche Straftäter anprangert. Black Dove ging unter die Haut, begeisterte durch regelrechte Trommelwirbel, tolle Chöre und eine verführerische Klaviermelodie.
Oh Katherine vom Album Ode To Sentience widmete Emily dann Labelgründer Sean und als sie am Ende das sublime Dagger spielte, hatten alle im Publikum einen Kloss im Hals.
Unter dem Strich waren die Konzerte zum 15. Geburtstag von Talitres ein voller Erfolg. Es kamen viele Zuschauer, die Gigs waren exquisit und es wurde auch hinterher viel Vinyl verkauft.
Setlist Emily Jane White
01: Antechamber (neu)
02: Moulding (neu)
03: Frozen Garden (neu)
04: Hands (neu)
05: Rupturing (neu)
06: Nightmares On Repeat (neu)
07: Liza (Victorian America)
08: Stairs (Victorian America)
09: O Katherine (Ode to Sentience)
10: The Black Dove (neu)
11: Dagger( Dark Undercoat)