Konzert: The Stranglers
Vorband: Georg auf Lieder
Ort: LKA Longhorn, Stuttgart
Datum: 13.04.2014
Dauer: 108 Minuten
Zuschauer: etwa 500
„Da gibt es dieses starke Best of von 1977 bis 1982“, berichtet der End-40er von der schwäbischen Alb hinter mir seinem Tote-Hosen-Konzert gestählten Kumpel, „das habe ich damals geklaut“. Das Musik-Freak-Klischee dominiert heute Abend im zur Hälfte abgehängten LKA Longhorn. Gerade einmal schätzungsweise 500 Zuschauer wollen The Stranglers, jene große Legende des melodisch-wavigen Punks der ersten Generation, sehen. Die meisten Konzertgänger sind mit der Band aufgewachsen, wurden von dem eingängigen Keyboard-Einsatz und den eindringlichen Bassläufen geprägt. Vielen ist an diesem Sonntag das verklärte Schwelgen in nostalgischen Gefühlen wichtiger als das Konzert. Man mag vielmehr Sammlererfahrungen austauschen und dabei der eigenen Jugend gedenken. Die Beschaffungsgeschichte einzelner Platten ist entscheidend. Ein wenig hat das alles die Atmosphäre einer Plattenbörse. Es riecht auch ganz ähnlich.
Als jüngste Zuschauer werden wir skeptisch beäugt, dabei war gerade das erwähnte Best-Of eine der entscheidenden Platten meiner musikalischen Adoleszenz. Im Gegensatz zum Hintermann ist meine Beschaffungsgeschichte vergleichsweise unspektakulär. Auf Empfehlung eines Freundes meiner Eltern bestellte ich die CD bei Zweitausendeins, sie sollte mein Schlüssel zu Punk und Wave werden.
Nach dem Ausstieg des charismatischen Frontmanns und Masterminds Hugh Cornwell 1990 konnte erst die letzte Veröffentlichung, „Giants“, vor zwei Jahren wieder an Glanztaten aus der großen Ära zwischen 1977 und den mittleren 80ern anknüpfen. Erhängt an einer Spielplatzschaukel baumelnd, zeigen sich die vier aktuellen Bandmitglieder selbstironisch und kokettieren auf dem Plattencover mit dem schwierigen Kampf als frühere Speerspitze eines ganzen Genres mit der Zeit Schritt zu halten. „No More Heroes“ hieß einer der ersten Hits der Band aus Guildford. Die Single wurde neben The Clashs „1977“ – mit der Zeile „No Elvis, Beatles or Stones in 1977“ – zum Slogan einer Generation, die sich von der Last überlebensgroßer Ikonen befreien wollte. Heute kann man die Frage an die Band selbst richten und diese liefert mit dem Cover-Foto die zynische Antwort: Natürlich braucht es keine Helden mehr, Legenden sind aber nicht schlecht.
Als eben dieser Song schon an zweiter Stelle gespielt wird, taut das Publikum auf, doch wirkliche Euphorie kommt nicht auf. Der Sound ist durchaus authentisch, aber etwas fehlt. Davon, dass diese Band einmal zu den spannendsten Acts überhaupt gehörte, ist nichts zu spüren. Vielmehr wirkt die Performance wie die einer – zugegeben guten – Coverband der eigenen Songs. Mit der derzeitigen Tour feiert die Gruppe das 40-jährige Bandjubiläum, dabei ist in der aktuellen Live-Besetzung mit Bassist Jean-Jacques Burnel lediglich ein Gründungsmitglied verblieben. Zugegeben, auch der ein Jahr später dazu gestoßene Keyboarder Dave Greenfield war immer ein bedeutender Indikator des Sounds, doch ist gerade das Fehlen des 75-jährigen Drummers Jet Black zu bedauern, der nominell noch immer Teil der Stranglers ist. Ersetzt wird er vom jungen Jim MacAulay.
Während das rhythmische Grundgerüst stimmt, wird wiederum schon nach wenigen Minuten klar, dass das Problem der Band das Fehlen eines Frontmanns vom Schlage Hugh Cornwells ist. Der 50-jährige Baz Warne ist zwar ein ausgezeichneter Punk-Gitarrist und sicher auch passabler Sänger, doch stören die überzogenen Posen, das Ziehen einer AC/DC-haften Schnute und der ausladende Bewegungsdrang.
Obwohl die Setlist einen überraschend umfassenden Überblick über die wichtigen Momente in der Bandhistorie bietet, kommen mir die großartigen Nummern lieblos vor. Schon die Eröffnung mit „Toiler on the sea“, dem starken Ende des dritten Albums „Black and White“, geht an mir vorbei. Die Version wird lange gedehnt, Greenfield spielt die markanten Keyboard-Parts, aber es wirkt angestaubt.
Längen hat das Set generell, auch wenn das angedeutet-obszöne „Peaches“ blendend unterhält. Erschreckend ist dann allerdings doch, die mangelnde Begeisterung, mit der der Überhit „Golden Brown“ angenommen wird. Sicher, die Version heute Abend ist weder inspiriert noch inspirierend, aber dennoch fraglos eines der besten Stücke der 80er, dessen Melodie Noel Gallagher gut zwanzig Jahre später beinahe eins zu eins für „Part of the Queue“ kopierte.
Besser kommt „Always the sun“, das zweite signature tune der Band, mit seinen Synthie-Streichern im direkten Anschluss an. Die poppigen Sounds der 80er beschwören die Jugenderinnerung der angegrauten Konzertgänger. Schon in der Mitte des Auftritts verschossen, fehlen diese Hits im späteren Verlauf. Zwar können Raritäten und weitere Klassiker hin und wieder unterhalten, richtig belebend wirken sie nicht. „Nice N‘ Sleazy“, „Duchess“ und „5 Minutes“ waren einmal musikgeschmacksprägende Hymnen meiner Jugend in den späten 00er Jahren, umso trauriger ist es, wie lieblos sie kredenzt werden.
Dabei ist die Band sichtlich bemüht zu unterhalten, nur braucht es mehr als einen beeindruckenden Back-Katalog um wirklich gute Konzerte zu spielen. Erst „Hanging Around“ zum Ende des regulären Sets zeigt, was möglich gewesen wäre. Mit enormem Bewegungsdrang wirbelt Burnel über die Bühne und beschwört den vergangenen Glanz einer großen Band, die mit den Zugaben immerhin weitgehend versöhnt. Insbesondere „(Get A) Grip (On Yourself)“ entschädigt für einiges, würde im anschließenden Kinks-Cover „All Day And All of the Night“ nicht ein Geburtstagsständchen für den Ersatz-Drummer eingebaut werden.
Nach einer weiteren Pause folgt „Tank“ und hier taucht tatsächlich noch einmal die gewaltige Kraft einer der besten englischen Punkbands überhaupt auf. Die Riffs sind hart, die Performance lebendig. Über all die Längen zuvor können aber auch diese drei Minuten nicht hinweg täuschen. Die Songs sind auch 2014 noch erstklassig, ob es der Band noch immer bedarf hingegen, ist fraglich. Kein Käse, Keine Gig! steht auf Greenfields Keyboard, irgendwie ist das sehr treffend.
Während der einstige Frontmann Hugh Cornwell im Untergrund begeisterte Konzerte mit reduzierten Versionen der alten Hits spielt und sie somit für die Gegenwart rettet, verkommen die Klassiker in der aktuellen Stranglers-Besetzung zur Nummernrevue. Whatever happened to the heroes?
Setlist The Stranglers, Stuttgart:
Intro: Waltzin' Black
01: Toiler on the Sea
02: No More Heroes
03: Was It You?
04: Threatened
05: Relentless
06: Peasant in the Big Shitty
07: Peaches
08: Golden Brown
09: Always the Sun
10: Never To Look Back
11: Thrown Away
12: Nuclear Device (The Wizard of Aus)
13: Skin Deep
14: Time To Die
15: Lowlands
16: Nice 'N' Sleazy
17: Walk on By (Dionne-Warwick-Cover)
18: Freedom Is Insane
19: Duchess
20: 5 Minutes
21: Hanging Around
22: Norfolk Coast (Z)
23: (Get A) Grip (On Yourself) (Z)
24: All Day and All of the Night (The-Kinks-Cover) (Z)
25: Tank (Z)
Als jüngste Zuschauer werden wir skeptisch beäugt, dabei war gerade das erwähnte Best-Of eine der entscheidenden Platten meiner musikalischen Adoleszenz. Im Gegensatz zum Hintermann ist meine Beschaffungsgeschichte vergleichsweise unspektakulär. Auf Empfehlung eines Freundes meiner Eltern bestellte ich die CD bei Zweitausendeins, sie sollte mein Schlüssel zu Punk und Wave werden.
Nach dem Ausstieg des charismatischen Frontmanns und Masterminds Hugh Cornwell 1990 konnte erst die letzte Veröffentlichung, „Giants“, vor zwei Jahren wieder an Glanztaten aus der großen Ära zwischen 1977 und den mittleren 80ern anknüpfen. Erhängt an einer Spielplatzschaukel baumelnd, zeigen sich die vier aktuellen Bandmitglieder selbstironisch und kokettieren auf dem Plattencover mit dem schwierigen Kampf als frühere Speerspitze eines ganzen Genres mit der Zeit Schritt zu halten. „No More Heroes“ hieß einer der ersten Hits der Band aus Guildford. Die Single wurde neben The Clashs „1977“ – mit der Zeile „No Elvis, Beatles or Stones in 1977“ – zum Slogan einer Generation, die sich von der Last überlebensgroßer Ikonen befreien wollte. Heute kann man die Frage an die Band selbst richten und diese liefert mit dem Cover-Foto die zynische Antwort: Natürlich braucht es keine Helden mehr, Legenden sind aber nicht schlecht.
Als eben dieser Song schon an zweiter Stelle gespielt wird, taut das Publikum auf, doch wirkliche Euphorie kommt nicht auf. Der Sound ist durchaus authentisch, aber etwas fehlt. Davon, dass diese Band einmal zu den spannendsten Acts überhaupt gehörte, ist nichts zu spüren. Vielmehr wirkt die Performance wie die einer – zugegeben guten – Coverband der eigenen Songs. Mit der derzeitigen Tour feiert die Gruppe das 40-jährige Bandjubiläum, dabei ist in der aktuellen Live-Besetzung mit Bassist Jean-Jacques Burnel lediglich ein Gründungsmitglied verblieben. Zugegeben, auch der ein Jahr später dazu gestoßene Keyboarder Dave Greenfield war immer ein bedeutender Indikator des Sounds, doch ist gerade das Fehlen des 75-jährigen Drummers Jet Black zu bedauern, der nominell noch immer Teil der Stranglers ist. Ersetzt wird er vom jungen Jim MacAulay.
Während das rhythmische Grundgerüst stimmt, wird wiederum schon nach wenigen Minuten klar, dass das Problem der Band das Fehlen eines Frontmanns vom Schlage Hugh Cornwells ist. Der 50-jährige Baz Warne ist zwar ein ausgezeichneter Punk-Gitarrist und sicher auch passabler Sänger, doch stören die überzogenen Posen, das Ziehen einer AC/DC-haften Schnute und der ausladende Bewegungsdrang.
Obwohl die Setlist einen überraschend umfassenden Überblick über die wichtigen Momente in der Bandhistorie bietet, kommen mir die großartigen Nummern lieblos vor. Schon die Eröffnung mit „Toiler on the sea“, dem starken Ende des dritten Albums „Black and White“, geht an mir vorbei. Die Version wird lange gedehnt, Greenfield spielt die markanten Keyboard-Parts, aber es wirkt angestaubt.
Längen hat das Set generell, auch wenn das angedeutet-obszöne „Peaches“ blendend unterhält. Erschreckend ist dann allerdings doch, die mangelnde Begeisterung, mit der der Überhit „Golden Brown“ angenommen wird. Sicher, die Version heute Abend ist weder inspiriert noch inspirierend, aber dennoch fraglos eines der besten Stücke der 80er, dessen Melodie Noel Gallagher gut zwanzig Jahre später beinahe eins zu eins für „Part of the Queue“ kopierte.
Besser kommt „Always the sun“, das zweite signature tune der Band, mit seinen Synthie-Streichern im direkten Anschluss an. Die poppigen Sounds der 80er beschwören die Jugenderinnerung der angegrauten Konzertgänger. Schon in der Mitte des Auftritts verschossen, fehlen diese Hits im späteren Verlauf. Zwar können Raritäten und weitere Klassiker hin und wieder unterhalten, richtig belebend wirken sie nicht. „Nice N‘ Sleazy“, „Duchess“ und „5 Minutes“ waren einmal musikgeschmacksprägende Hymnen meiner Jugend in den späten 00er Jahren, umso trauriger ist es, wie lieblos sie kredenzt werden.
Dabei ist die Band sichtlich bemüht zu unterhalten, nur braucht es mehr als einen beeindruckenden Back-Katalog um wirklich gute Konzerte zu spielen. Erst „Hanging Around“ zum Ende des regulären Sets zeigt, was möglich gewesen wäre. Mit enormem Bewegungsdrang wirbelt Burnel über die Bühne und beschwört den vergangenen Glanz einer großen Band, die mit den Zugaben immerhin weitgehend versöhnt. Insbesondere „(Get A) Grip (On Yourself)“ entschädigt für einiges, würde im anschließenden Kinks-Cover „All Day And All of the Night“ nicht ein Geburtstagsständchen für den Ersatz-Drummer eingebaut werden.
Nach einer weiteren Pause folgt „Tank“ und hier taucht tatsächlich noch einmal die gewaltige Kraft einer der besten englischen Punkbands überhaupt auf. Die Riffs sind hart, die Performance lebendig. Über all die Längen zuvor können aber auch diese drei Minuten nicht hinweg täuschen. Die Songs sind auch 2014 noch erstklassig, ob es der Band noch immer bedarf hingegen, ist fraglich. Kein Käse, Keine Gig! steht auf Greenfields Keyboard, irgendwie ist das sehr treffend.
Während der einstige Frontmann Hugh Cornwell im Untergrund begeisterte Konzerte mit reduzierten Versionen der alten Hits spielt und sie somit für die Gegenwart rettet, verkommen die Klassiker in der aktuellen Stranglers-Besetzung zur Nummernrevue. Whatever happened to the heroes?
Setlist The Stranglers, Stuttgart:
Intro: Waltzin' Black
01: Toiler on the Sea
02: No More Heroes
03: Was It You?
04: Threatened
05: Relentless
06: Peasant in the Big Shitty
07: Peaches
08: Golden Brown
09: Always the Sun
10: Never To Look Back
11: Thrown Away
12: Nuclear Device (The Wizard of Aus)
13: Skin Deep
14: Time To Die
15: Lowlands
16: Nice 'N' Sleazy
17: Walk on By (Dionne-Warwick-Cover)
18: Freedom Is Insane
19: Duchess
20: 5 Minutes
21: Hanging Around
22: Norfolk Coast (Z)
23: (Get A) Grip (On Yourself) (Z)
24: All Day and All of the Night (The-Kinks-Cover) (Z)
25: Tank (Z)
4 Kommentare :
Ich kann das jammern nach Cornwell nicht mehr hören. Seine "reduzierten" stranglers-songs spielt er nur, weil es mit seiner weltkarriere nicht geklappt hat. Burnel, Greenfield, Black und auch Baz sind die echten stranglers. Hugh ist ein egomane. Das konzert war das beste stranglers konzert seit jahren und ich hab schon viele gesehen.
Stimmt. Und paul roberts braucht auch keiner mehr.
Was man den stranglers wirklich vorwerfen kann: georg auf lieder auf die bühne zu lassen. klar, als liedermacher hat man es nicht leicht, aber dann das publikum so schwach von der seite anlabern? Damit zu kokettieren, die stranglers (hab ich das richtig ausgesprochen?) noch nicht mal vom namen her zu kennen und die hosen für besser als die ärzte zu halten? Ja geht´s noch?
Wir haben vor dem konzert noch die schlechteste vorgruppe aller zeiten
(summit bei deine lakaien) nominiert, aber die wahl war 30 minuten später hinfällig.
In stuttgart ist es echt schwierig, einen support zu finden, der schlaechter als das bier ist. Geht aber, was zu beweisen war.
Who the fuck is hugh cornwell? konzert war supergeil, auch meine 3 mitbegleiter waren total begeistert, obwohl sie nicht solche fans sind wie ich, fanden aber die energie und die power, die die stranglers ausstrahlen, enorm. hoffen wir, dass daß es trotz jets gesundheitlichen problemen weitergeht,was momentan ja nicht der fall zu sein scheint. see you in longwy 2014.
Kommentar veröffentlichen