Konzert: Ninn Ozera
Ort: Boutique Gals Rock, Paris
Datum: 10.04.11
Zuschauer: etwa 30
Konzertdauer. eine gute halbe Stunde
"Langweilst du dich schon zu Tode, oder was?". Mein französischer Freund Matthieu ist jemand, der immer sofort auf den Punkt kommt und nicht lange rumredet. Etwas kleinlaut hatte ich ihm gesagt, daß ich noch etwas vorhabe und jetzt gehen würde. Wohlgemerkt, es wurde gerade die Taufe seiner kleinen Tochter gefeiert, der offizielle Teil war vorbei und alle amüsierten sich, tranken, plauderten, genoßen die Sonne im herrlichen Park der Kirche. Da war es schon etwas peinlich, daß ich mich als Erster abseilen wollte, weil ich, wie könnte es auch anders sein, noch auf ein Konzert wollte. Aber Matthieu kennt mich inzwischen, weiß, daß ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe und ließ mich ziehen.
Etwas overdressed kam ich somit noch pünktlich zum Showcase der aus der Ukraine stammenden Französin Ninn Ozéra, der im schönen Laden Gals Rock im 9. Pariser Arrondissement stattfand. Bei Gals Rock dreht sich alles um die weibliche Rockkultur. Sängerinnen werden hier fast wie Göttinen verehrt, man findet Literatur zu den Riot Girls, den New Wave Ikonen (Blondie, Siouxsie), zu Patti Smith usw., desweiteren T-Shirts, Taschen, originelle Accessoires und natürlich CDs und Platten weiblicher Musikerinnen. Ein Treffpunkt für Lesben, Fans von Frauenstimmen, Trendsetter, Modefreaks. Eigentlich aber ein Ort für jeden Musikliebhaber, egal ob männlich oder weiblich, gay oder straight, alt oder jung. Ich mag den Shop sehr, die Betreiberinnen sind wahnsinnig freundlich, die Auslagen ansprechend, die CD-Auswahl geschmackvoll und kennerhaft. Und vor allem gibt es die wundervollen Minikonzerte im hinteren Zimmer. Die französischen Andromakers und die Norwegerin Rebekka Karjord (Foto oben) hatte ich hier schon gesehen.
Der heutige Showcase ging mit etwas Verspätung los, zunächst waren auch noch nicht viele Leute da, aber dann pünktlich zum Beginn platzte der kleine Raum aus allen Nähten und nicht jeder kam rein. Ninn Ozéra war nicht alleine gekommen, sie hatte männliche Verstärkung mitgebracht. Der Herr in der Mitte (Pablo) spielte alle möglichen Percussioninstrumente und der andere Bursche (Matthieu) Gitarre und ab und zu Akkordeon. Begonnen wurde mit einem tiefmelancholischen russischen Lied, das an Anmut und schwarzer Schönheit schwer zu überbieten war. Ich fühlte mich an die in New York lebende Alina Simone erinnert, die genau wie Ninn aus der Ukraine stammt und gleich ein ganzes Album bewegender russischer Lieder eingespielt hat. Irgendwie leiden die Slaven anders als wir im Westen, noch intensiver, noch schmerzverzerrter, noch schwermütiger.
Ninn Ozera Paris El Alamein, 20/03/10 'Le conte... par NoMoreReturn
Eine Melancholie von der ich mich stark angezogen fühle, weswegen ich innerhalb kürzester Zeit vom Set von Ozera in den Bann gezogen wurde. Die talentierte Künstlerin wechselte nun ins Englische und auch der ganze Rest des Programms wurde in der Sprache Shakespeares gesungen. Trotzdem war Bewegung und Abwechslung drin, denn die schlanke Musikerin spielte mal Piano, mal Akkordeon und in zwei Fällen auch auf einer kleinen Harfe. Ihre Stimme war sehr schön, sie vibrierte, hatte ein ganz spezielles Timbre. Ich war mächtig bewegt, hatte schon bald einen dicken Klos im Hals.
Ninn Ozera - The Doe par Big_Up_Asso
Aber auch ihre männlichen Mistpieler machten ihre Sache ganz prima. Auf engstem Raume zog der Gitarrist sphärische Töne aus seiner Klampfe und der Percussionist rührte mit dem Schneebesen oder bearbeitete seine seltsamen Drums (ein halbierter Medizin-Ball?) auf verschiedene Weise mit der Hand.
Kurzum: das etwa dreißigminütige Konzert war zum Steineerweichen schön. Es wurde gekrönt von einem originellen Joy Division Cover, natürlich Love Will Tear Us Appart. Mir hätten aber auch die wunderbaren Eigenkompositionen von Ozéra gereicht. Ein paar davon konnte man hinther glücklicherweise auf einer fein gestalteten CD erwerben.
Ninn Ozéra, wow!
3 Kommentare :
gefällt mir gut, ihr leihe ich gern noch mal mein ohr.
Bist du aber gnädig, Eike. Du verleihst deine Ohren ja nicht an alle.
richtig. zum beispiel keinen langweiligen electrochanteusen.
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