Konzert: PJ Harvey
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 14.02.11
Zuschauer: ausverschenkt, etwa 500
Konzertdauer: 75 Minuten
Meine Güte, so bitter gefroren habe ich seit langem nicht mehr!
Polly Jean Harvey spielt am Valentinstag (der für mich und meine Frau keine besondere Bedeutung hat, ist eher was für Blumenhändler) in der Pariser Maroquinerie und Oliver Peel steht draußen vor der Tür, verzweifelt versuchend, den Türsteher davon zu überzeugen, daß er da unbedingt rein muss. Eine räudige Angelegenheit, eigentlich ein schlechter Witz.
Als ich gegen 20 Uhr 50 in die Rue Boyer einbiege, in der die Maroquinerie liegt, stehen ungefähr 30 bis 40 Leutchen vor der Tür und warten auf Einlass. Geplanter Beginn des Konzertes: 20 Uhr 50. PJ Harvey wird heute in einer Weltpremiere ihr neues Album Let England Shake präsentieren und dies in einer Location, die gerade einmal 500 Leuten Platz bietet. Geladen hat der Internetstreaming Service Deezer und Arte Liveweb. Über Deezer und Arte wurden etwa 60 Plätze per Gewinnspiel unters Volk gebracht, die restlichen Plätze gingen an spezielle Gäste (Labelfritzen, Leute aus der Musikindustrie, Promis). An Oliver Peel haben sie nicht gedacht. Sauerei. Ich tue soviel für die Deutsch-Französische Völkerverständigung, da hätte doch gerade Arte mich mit einer Sänfte reintragen müssen. Aber ich war es ja auch selbst Schuld, hätte ich sie halt anschreiben sollen!
Ich stehe da also wie ein Depp vor der verfluchten Tür und bekomme mit, wie 95 % der Leute mittels ihres Gästelistenzettels reinkommen. Inzwischen ist es 21 Uhr 15. Das Konzert beginnt nun, Arte und Deezer werden es per streaming live übertragen. 3 andere Freunde von mir, ebenfalls absolute Konzertjunkies und schon tausend mal hierher gekommen, stehen ebenfalls blöd in der Kälte rum. Der Türsteher, er kennt mich natürlich vom Sehen, begrüßt mich sogar per Handschlag, lässt mich aber nicht passieren. Eigentlich hatte ich auf ihn gehofft, aber er erklärt, daß er heute ganz strenge Vorgaben habe. Ich solle Geduld haben, vielleicht ginge später was. Neben mir wartet ein Mädchen, ein riesiger Fan von Polly Jean. Aber wir hoffen umsonst, obwohl der Türsteher immer mal wieder einen Offiziellen fragt, ob man uns reinlassen dürfe. Vergeblich. Das Ärgerliche: ein paar blasierte Mitbürger verlassen das Konzert vorzeitig, ein Mädchen sogar nach lediglich 15 Minuten. Hätten sie mir doch ihren Platz überlassen!
Um 22 Uhr 30 stehe ich immer noch draußen und bin inzwischen ein Eiszapfen. Selbst das andere Mädchen ist inzwischen frustriert abgehauen. Nun darf ich wenigstens mal einen Schritt in den Flur des Clubs setzen und sehe wie die Zuschauer aus dem Konzertsaal kommen (keine Spur von Euphorie in den Gesichtern) und mit einem VIP-Bändchen Richtung Bar latschen. Open Bar wohlgemerkt, das heißt alle Getränke sind gratis. Wie immer ist mein Freund Rockerparis mit von der Partie, aber mir war klar, daß der Bastard (ein Kosename, kein Schimpfwort) da irgendwie reinkommt, der ist da schließlich absoluter Spezialist drin.
Rockerparis schreibt Folgendes über das Konzert: (in Stichworten zusammengefasst)
- der Soundcheck für das Konzert fand gestern statt (das hatte man mir auch gesagt)
- die britische Schauspielerin Helen Mirren ist unter den Zuschauern (wer is'n das? ich gehe nie ins Kino!)*
- Es herrscht eine relaxte Atmosphäre in dem Club (@ Rockerparis: es heißt auf englisch richtigerweise "relaxed atmosphere", nicht "relax atmosphere", immer der gleiche Fehler bei dir), es ist nicht proppenvoll (argh!!)
- es herrschen perfekte Bedingungen
- schöne Lightshow, der Sound ist perfekt
- Polly Jean spielt Autoharp, akustische und elektrische Gitarre
- sie performt sehr leise Lieder, jeder hört aufmerksam und still zu
- ihre Stimme ist kristallklar
- sie kommuniziert so gut wie nie mit dem Publikum, außer bei den Zugaben
Setlist PJ Harvey, La Maroquinerie, Paris:
01: Let England Shake
02: The Words That Maketh Murder
03: All & Everyone
04: The Gun Called Me
05: Written On The Forehead
06: In The Dark Places
07: The Glorious Land
08: The Last Living Rose
09: England
10: Bitter Branches
11: Hanging In The Wire
12: On Battleship Hill
13: The Colour Of The Earth
14: Down By The Water
15: C'mon Billy
16: Meet Ze Monsta
17: Silence
Links:
- English Review & many beautiful pictures + 1 video at Rockerparis
- Topfotos bei Robert Gil, klick!
(Polly Jean trägt ein langes weißes Klied und Federn in den Haaren, sehr extravagant)
- Auf dem Klienicum gibt es jede Menge Infos zum neuen Album von PJ Harvey, klick!
Aus unserem Archiv:
PJ Harvey, Paris, 16.11.07
* ich sehe später auch Brisa Roché (amerikanische Sängerin, die in Paris lebt), Matthieu Malzieu von Dionysos (eine fürchterliche, aber in Frankreich enorm erfolgreiche Band), Mademoiselle K (ebenfalls gräßlich, aber erfolgreich).
7 Kommentare :
... ich habe mich im warmen Wohnzimmer von deezer.com bedienen lassen und die ganze Zeit gedacht: das ist also La Maroquinerie (kenne ich ja sonst nur von hier aus den Konzertberichten...). Dein Bericht erklärt auch ein bißchen, warum das Konzert so seltsam kühl war. Alle waren sehr freundlich, es gab Applaus und das Konzert hatte wirklich hohe Qualität in allen Aspekten, die man sich wünschen kann. Aber der Funke sprang nicht so recht rüber.
Ich habe mir das auch als Stream angesehen. Bei mir sprang der Funke über, fast hätte ich vor dem Bildschirm sogar applaudiert.
Bei geladenen Gästen kann man das nicht erwarten und kommunikativ war PJ eigentlich noch nie (Thank You + Merci)
habe den (fast) live stream gesehen. ich bin rießen Fan des neuen Albums und fand den Auftritt, obwohl nicht mal vor Ort, sensationell. LEt England Shake (http://www.laxmag.de/laut/rezensionen/2233-pj-harvey-let-england-shake) hat wirklich sehr anspruchsvolle Stücke, die sie aber alle live präsentierte und "wuppte". Echt genial. Jetzt will ich sie dringen live sehen, nur kommst die nicht in meine Nähe. ein Dilemma.
schade, oliver. ich hätte es wohl auch versucht. keine ahnung warum, aber polly hat gerade einen lauf. in der öffentlichen wahrnehmung findet sie mehr denn je statt. und ich höre das neue album und denke: "zurecht!" es ist sehr, sehr gut. etwas befürchtungen habe ich, dass es sich abnudeln würde. aber so ein paar querbalken hat die gute ja eingefügt.
Hab die letzte regulaere Nummer und die beiden Zugaben im Livestream mitverfolgt - es war super!
Die Kameras haben die ersten Publikumsreihen gefilmt, da hab ich den Rocker gesehen :-) Und Robert Gil ohne Fotoapparat; ich nehm' mal an, dass nur bei den ersten paar Liedern fotografiert werden durfte.
In einer Einstellung aufs Publikum von hinten konnte man sehen, dass hoechstens 250 Leute 'drinwaren!! So locker, wie die da standen!!
Trotzdem danke, Oliver, fuer deine Muehen.
Uschi aus P.
Soundcheck am VOrtag: das hab ich mir schin gedacht, dass die Sun Kil Moon in ide Fleche d'Or verbannt haben, um ihr Zeug aufzubauen. Grrr.
Uschi aus P.
Hätte ich mir doch auch zu Hause im Warmen den Stream angesehen! Aber einen Versuch war es wert, obwohl ich das Gefühl habe, mich übel erkältet zu haben.
Aber ich werde Polly Jean am 24. Februar im Olympia sehen und berichte dann natürlich hier ausführlich.
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