Dienstag, 1. Februar 2011

Jae, Paris, 31.01.11


Konzert: Jae

Ort: L'Espace B, Paris
Datum: 31.01.11
Zuschauer: um die 30


Eigentlich wollte ich heute zur Black Session von Iron & Wine, aber die junge Holländerin Jessica Sligter alisa Jae schaute mich beim heutigen Soundcheck im Espace B so treuherzig an, daß ich einfach nicht nein sagen konnte. "Wouldn't you like to come to my show tonight, Oliver? That would be really great!"

So kam es, daß ich den ganzen Tag mit Jessica und ihrem musikalischen Partner Viljam Nybacka verbrachte. Erst sah ich ihnen beim Soundcheck zu und bekam mit, wie perfektionistisch sie dabei vorgingen (" a bit more vocals on the monitor please", "a bit less guitar", etc.), dann zogen wir zusammen weiter in ein uriges Restaurant, das mit deftigen Portionen aus der Region Sud -Ouest aufwarten konnte. Es lag ganz am anderen Ende der Metrolinie, so daß wir insgesamt 22 (!) U-Bahnstationen zurücklegen mussten, um dort anzukommen. Auch im Zug gingen sie noch einmal gedanklich die Abläufe durch und diskutierten leidenschaftlich, wie man diesen und jenen Part zu interpretieren habe. Musiker eben.

Vor dem Restaurant angekommen, standen wir dann eine Weile in der Schweinekälte, denn drinnen waren alle Tische von studentischem Publikum bevölkert. Der Keller flitzte mit riesigen Portionen durch den engen Raum und empfahl uns, eine halbe Stunde zu warten. Wir froren uns draußen den Arsch ab, fanden es später drinnen aber um so gemütlicher. Ein süffiger Roter sorgte für rosige Wangen und öffnete den Magen für die üppigen Teller, die wir serviert bekamen. Jessica nahm übrigens Confit de Canard, das kannte sie aus Holland nicht, aber es mundete ihr. Kurze Zeit später stieß auch eine amerikanische Freundin hinzu, die als Berufsbezeichnung spannenderweise "Malerin" angab. Sie hatte ein unverschämt charmantes Lächeln und erzählte, daß sie in Japan aufgewachsen sei. In dieser netten Runde, an unserem Tisch saß auch Philippe, der Sänger von GeneralBye Bye, fühlte ich mich pudelwohl. Nicht dran zu denken, mich nach dem Essen aus dem Staub zu machen und Richtung Maison Radio de France zur Black Session von Iron & Wine aufzubrechen. Zumal ich ohnehin schon zu spät dran gewesen wäre. Wir hatten uns so angeregt unterhalten, daß Jae und Viljam fast zu spät zu ihrer eigenen Show gekommen wären. Viljam (30) erzählte ein wenig von seiner Heimat Finnland, aber auch von Oslo und der dortigen Musikszene und Jessica (27) bekannte, daß sie drei Jahre nach Oslo gegangen sei, weil sie die den Vibe in Amsterdam nicht als inspirierend empfunden hätte. In der U-Bahn auf dem Weg zum Espace B quatschten wir weiter und waren von dem Wein schon ein wenig angetüdelt. Die Ente lag Jessica noch schwer im Magen, aber das konnte nicht als Ausrede dienen, sie musste jetzt ran, raus auf die Bühne, zeigen, was in ihr steckt!

Es war bereits gegen 22 Uhr, als Jessica und Viljam die Bühne erklommen. Zwei französische Vorgruppen waren bereits mit ihrem Programm durch. Jae spielte Lieder, die sie schon am Vortag bei der Oliver Peel Session zum Besten gegeben hatte. Hier und heute klang das Ganze aber ein wenig anders, weil nicht akustisch, sondern elektrisch und mit mehr Lautstärke gespielt wurde. Schon früh kam ein absolutes Highlight. Jim's Place konnte fast mit beatlesker Melodieseligkeit aufwarten und im ohrwurmigen und herzenserwärmenden Refrain ging es um Everlasting Love und Everlasting Hope, Schön! Jae's liebliche Stimme hatte ein wenig Feedback und schwebte wie im Kirchenchor durch den Raum. Ihr Gesang war Balsam für die Seele, er war so friedvoll, zärtlich, Ruhe und Hoffnung spendend. Ein Genuß. Bei In The Garden hatte auch Viljam einen längeren Vocalpart und sein dunkles Organ harmonierte wunderbar mit der Stimme von Jessica. Sein Gitarrenspiel erinnerte mich zuweilen an Nick Drake und bezauberte mich außerordentlich.

Stilistisch wird Jae teilweise wie die Norwegerin Hanne Hukkelberg unter Jazz verortet und wenn man die betörende Ballade I Still Owe The Morning hört, weiß man, daß dies nicht ohne Grund geschieht. Ansonsten ist Jae aber gar nicht so leicht zu kategorisieren, die Zeitschrift Uncut sprach kürzlich in seinem 4 Sterne Rating (!) von "Soft Psychedelic Folk" und verglich sie sogr seltsamerwiese mit Morrissey. Ich würde hingegen eher Rockettothesky, Olöf Arnalds, Laura Gibson, Sharron van Etten und eben Hanne Hukelberg als Referenzen nennen. Festzuhalten ist auf jeden Fall die experimentelle Note, die Jae ihrer Musik bisweilen verleiht, wenn sie beispielsweise ein Gedicht (The Egg) rezitiert, eine Pause von 30 Sekunden einlegt (bei dem bezaubernden Red Around The Eyes nach der Textzeile: "Now I have to pause a bit") oder aber (zum Amüsement des Publikums) krächzige Laute von sich gibt. Noch avantgardistischer ist ihr anderes Projekt Sacred Harp, mit dem Jessica im März nach Paris zurückkommen wird. Ich werde wieder dabei sein, einem solchen Talent wie Fräulein Sligter weiche ich einfach nicht von der Seite!

Setlist Jae, Espace B, Paris:

01: Gentle Friend
02: Over, The White Snow
03: Jim's Place
04: Red Around The Eyes
05: They Said
06: The Egg
07: Shots
08: The Garden
09: I Still Owe

Jæ (preview) | Take Away Show from La Blogotheque on Vimeo.


http://vimeo.com/19293877



3 Kommentare :

E. hat gesagt…

nachdem dann am schluß das stichwort sacred harp auftauchte, bin ich doch wesentlich neugieriger geworden. danke für die verknüpfung. denn die ep dieser holländisch- norwegischen mischversammlung höre ich sehr, sehr gern. werde also auch bei jae nachsetzen. danke!

Oliver Peel hat gesagt…

Ja, aber undebingt bei Jae nachsetzen, Eike!! Höre bitte alle Lieder bei MySpace in Ruhe an, es lohnt sich auf jeden Fall.

http://www.myspace.com/o0lljaell0o

Ich erhoffe mir dann Feedback.

Oliver Peel hat gesagt…

unbedingt nicht "undebingt" natürlich :)

 

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