Konzert: Lucy Rose & William Fitzsimmons & Carosel
Ort: L'International, Paris
Datum: 07.02.11 Zuschauer: viele
Freunde, habe die neue Laura Marling! Lucy Rose heißt die blutjunge Engländerin mit den niedlichen Sommersprossen, die mir gestern in Paris gehörig den Kopf verdreht hat. Was für ein Talent, wow, wow, wow! Solch eine Ausnahmekünstlerin sieht auch ein abgebrühter Konzertblogger wie ich nicht alle Tage. Lucy ist ein Rohdiamant, der nur noch ein bißchen geschliffen werden muss, bevor er im hellsten Glanz erstrahlt. Ach, was rede ich da überhaupt, gestern beim Konzert funkelte es ja schon jetzt, wo man nur hinschaute! In ihren wunderschönen blauen Augen, in den Augen der völlig geplätteten Zuschauer, einfach überall! Und auch ihre melancholischen Lieder glänzten wie Gold und ließen mein Herz erglühen.
Es war bereits 23 Uhr, als das rotblonde Kücken zusammen mit drei männlichen Begleitmusikern loslegte. Da sie erst spät aus Brüssel eingetroffen war, konnte sie den Soundcheck nicht wie üblich mittags erledigen, sondern tat dies auf der Bühne vor den Augen der zahlreich versammelten Zuschauer: Diese hatten zuvor bereits zwei Konzerte gesehen. Zunächst den Auftritt des sehr früh angesetzten Singer Songwriters William Fitzsimmons, der ganz alleine mit Rauschebart, Zipfelmütze und Akustikgitarre sein schönes Set bestritt, allerdings über Stimmprobleme klagte. Er sei heiser, hätte Probleme zu singen und merkte selbstironisch an: "aber ihr kommt ja hier sowieso nur zum Bier trinken hin, oder? Und nicht für meine Songs, die klingen doch alle gleich, stimmt's?" Das war allerdings ein wenig fishing for compliments, denn natürlich hatten sich viele Leute eingefunden, um seinen fragilen Liedern zu lauschen. Allerdings gab es auch einen gewissen Prozentsatz an Besuchern, die in der Tat nur zum Quatschen und Saufen gekommen waren und mit ihrem Geplapper das sehr leise Konzert störten. Vielleicht kam Fitzsimmons gerade deshalb auf die Idee, seinen letzten Song inmitten der auf dem Boden sitzenden Zuschauer (eine Unsitte!) zu performen. Er erzielte auch den gewünschten Effekt, denn plötzlich waren fast alle leise und nur das Klicken der Fotoapparate nervte noch ein wenig. William erntete am Ende einen tosenden Aplaus und kündigte an, im Laufe des Jahres mit neuem Album im Gepäck und einer ausgewachsenen Band wiederzukommen.
Danach traten die furchtbar netten, aber leider auch furchtbar langweiligen Iren Carosel auf und trugen ein jazzig angehauchtes Konzert zum Abgähnen vor.
Aber das Warten und Ausharren hatte sich gelohnt, denn nun stand als Letzte Lucy Rose an. Ein Mädel, auf das ich Anfang des Jahres zufällig über eine Akustiksession bei youtube gestolpert war. Night Bus hatte sie dort vorgetragen und mich mit ihrem sentimentalen Gesang und ihrer Zartheit höchst neugierig gemacht. Als ich dann las, das sie am 7. Februar in Paris spielen würde, war klar, daß ich da unbedingt hin musste. Und die zierliche Britin erfüllte meine Erwartungen nicht nur, sondern übertaf sie um Längen. Alles an ihr war faszinierend. Die warme, zuweilen brüchig-fragile Stimme, das Guitarpicking, das erstaunlich reife Songwriting, die Kompositionen und nicht zuletzt ihre umwerfende Ausstrahlung. Ein unschuldiges Schulmädchen könnte man auf den ersten Blick meinen, aber schon derart kess und ausgebufft, das es mir die Sprache verschlug. Die Kleine hatte Humor und war zudem ungemein schlagfertig. "Kann mir mal bitte jemand von der Bar ein Bier besorgen, meines habe ich eben gerade aus Versehen ausgekippt?", sagte sie ganz lässig. Der Wunsch wurde ihr erfüllt, aber kurze Zeit später kommentierte sie schelmisch: "Oh you got me, this is a big beer!" Noch witziger wurde es in einer Szene, als ein offensichtlich angetüdelter Franzose mit starkem Akzent reinrief: "I love you Lucy, I want to love you, I can show you Paris, etc." Sie blieb da ganz gelassen, erklärte den verrückten Zuschauer zu ihrem Lieblingsgast des heutigen Konzertabends und fuhr ganz entspannt im Programm fort. Viele starke Song hatte das Set zu bieten, darunter angesprochenes Night Bus, zudem auch Middle Of The Bed und vor allem den vorzüglichen Closer Bikes. Der Drummer bekam bei diesem letzten Lied richtig Arbeit und machte von hinten ordentlich Dampf. Der Basser war übrigens kein anderer als der Frontmann der Band Broadcast 2000, den ich bereits schon einmal live in Paris gesehen hatte. Im Hintergrund agierte auch noch ein zweiter Gitarrist.
Der Applaus des Publikums war nach dem Verklingen von Bikes so gewaltig, daß Lucy noch einmal zu einer ungeplanten Zugabe zurückkam und ganz prima abschloss. Sie hatte Paris im Sturm erobert, mit Stimme und natürlicher Ausstrahlung geglänzt und bei einem Song auch einen Geigenbogen zur Bearbeitung der Gitarre verwendet. Ein Beleg daür, daß sie auch an kleinen Details arbeitet und an Abwechslung interessiert ist.
Erinnert euch bitte später, wo ihr zuerst von Lucy Rose gelesen habt. Daran, daß die Frau groß rauskommen wird, besteht für mich nicht der geringste Zweifel und ich würde meine Katze darauf verwetten, daß sie in den nächsten Jahren im Spiegelzelt in Haldern das deutsche Publikum um ihre zarten Finger wickelt!
Setlist Lucy Rose, L'International, Paris:
01: Be Alright
02: Night Bus
03: All I've Got
04: Svar
05: First
06: Gamble
07: Don't You Worry
08: Middle Of The Bed
09: Bikes
+ 1 Zugabe
Setlist William Fitzsimmons, International, Paris:
01: The Tide Pulls From The Moon
02: I Don't Feel It Anymore
03: The Winter From Her Leaving
04: Beautiful Girl
05: Blood And Bones
06: Wounded
07: Passion Play
08: Just Not Each Other
09: If You Would Come Back Home
10: Goodmorning
11: After Afterall
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