Dienstag, 23. November 2010

Interpol, Dortmund, 22.11.10


Konzert: Interpol
Ort: Westfalenhalle 2, Dortmund
Datum: 22.11.2010
Zuschauer: nicht ausverkauft (vielleicht zu 2/3 gefüllt)
Dauer: Interpol 85 min, Surfer Blood 30 min


Interpol sind eine der Bands, über deren Qualität hier auf unserer Seite keinerlei Zweifel besteht. Bezeichnend ist, wie oft wir alleine andere Gruppen an den New Yorkern messen, meist mit ernüchternden Ergebnissen.* Interpol sind nicht nur musikalisch Maß aller Dinge, sie sind auch in jeder anderen Hinsicht stilprägend. Bei anderen Bands wirken Coolness und Arroganz aufgesetzt, den New Yorker fehlt grundsätzlich jeder Hauch Einstudiertheit und Unsouveränität auf der Bühne. Viele Male hätte ich den White Lies dieser Welt gerne mitgegeben: "seht euch das demütig an und lernt!"

Die Pause seit der letzten Platte und der dazugehörenden Tour war auch genau richtig bemessen. In Paris hatten Interpol bereits im September ihre neue Platte vorgestellt, zuletzt in Deutschland war die Band aber vor genau drei Jahren, eine perfekte Spanne, um extrem vorfreudig zu sein.

Der kleine Saal der Westfalenhalle war mir unbekannt. Auch konnte ich vorher nichts über die Kapazität finden, hatte also keine Vorstellungen, wie viele Leute dieses eine
von zwei Deutschlandkonzerten anlocken würde. Vor der Halle dann die erste Enttäuschung: es war nicht ausverkauft. Interpol nicht ausverkauft?

Leider war das dem großen Saal auch deutlich anzumerken. Halle 2 ist hoch, luftig und ein langer Schlauch. Nicht unangenehm für Konzerte, gar keine Frage. Aber wenn sie nicht voll ist, sieht das von der Bühne aus sicher schrecklich traurig aus.
Leider waren auch draußen an den Bierständen kaum noch Leute als Surfer Blood anfingen, man konnte sich also auf einen Abend mit viel Platz einstellen.

Surfer Blood aus Florida hatte ich im Mai in Brüssel gemeinsam mit den wundervollen Warpaint und den fabelhaften Wolf Parade gesehen. Dagegen konnten die Surferfreunde nicht ansatzweise anstinken, vor allem hatte mich die extrem schlechte Livestimme ihres Sängers genervt. Daß ich sie heute nicht mochte, hatte andere Gründe. Die Stimme ist mir nicht als so schlecht aufgefallen. Wie alles wirkte aber auch die aufgesetzt und einstudiert, sodaß mir schnell die Lust verging, aufmerksamer zuzusehen. Das Getänzele des Sängers, sein Tanzstil eine Mischung aus Morrissey und Eddie Argos, das Gitarrengewippe, puh, das war nichts. Und auch die Musik klang eher so, als spielten die Maccabees eine Platte mit B-Seiten.**

Und dann Interpol...

Seit meinem letzten Konzert der Band (2008 in Montreux) ist das neue Album Interpol erschienen, Bassist Carlos D(engler) ausgeschieden und Sänger Paul Banks mit Sololiedern auf Tour gewesen. Mit der neuen Platte tat ich mich anfangs sehr schwer. Gemeinsam mit dem ausgewiesenen Interpol-Experten Oliver (quasi unser
Mann bei Interpol) hatte ich Barricade im Sommer erstmals im Radio gehört. Wir hatte uns entsetzt angeguckt und gehofft, daß das nur eine Band wäre, die wie Interpol klingt. Das gebellte Barricade fanden wir beide scheußlich. Nach und nach änderte sich die Meinung, mit vielfachem Hören wurden Platte und Single besser und besser.

Um halb zehn kündigte jahreszeittypischer Nebel den Beginn an. Rechts und links der Bühne waren immens große Flutlichtmasten aufgebaut, die gutes Licht versprachen. Der Dauernebel der nächsten anderthalb Stunden machte das aber kaputt, die Band war grundsätzlich nur hinter weißem Schleier zu sehen, nur der neue Bassist David Pajo (den ich schon einmal mit den Yeah Yeah Yeahs gesehen hatte) auf unserer Seite war sichtbarer. Eitelkeit kann eigentlich nicht der Grund für dieses Vernebeln sein, Paul Banks war nämlich ähnlich gestylt wie bei seinem Solokonzert in der Kölner KulturKirche, eher leger, um es vorsichtig auszudrücken, vermutlich gefällt er Helena Christensen so am besten.

Das Konzert begann mit Success vom neuen Album. Der unverkennbare und unverwechselbare Interpol-Sound klang da an, hörte sich aber noch eklig gedämpft an. Mit der Zeit bekamen das die Tontechniker besser in den Griff, brillant wurde der
Sound aber den ganzen Abend nicht. Bei Band wie den Editors oder den Stokes ist toller Klang natürlich auch wichtig, bei Interpol allerdings für mich entscheidender Teil des Spiels.

Obwohl bis dahin schon einige Knüller wie Narc, Take me on a cruise oder Say hello to the angels kamen, sprang der Funke erst bei Rest my chemistry über. Es wirkte alles ein wenig ausgebremst. Aber ab hier wurde das Konzert, wie ich es erwartet hatte, der Saal tanzte, die Band beherrschte die Szene und knallte uns eiskalte Gitarrenmelodien um die Ohren. Und dann Slow hands und C'mere im gleichen Stile, es sollte also doch noch ein großartiger Abend werden!

Mit Hands away vom zweiten Album Turn on the bright lights war diese brillante Phase dann aber wieder vorbei. Das Lied ist fabelhaft, nicht, daß ich hier falsch verstanden werde, der Schwung war aber aus dem Konzert wieder raus, und er kam auch nicht zurück. Woran das nun lag, weiß ich nicht, an der Halle, dem Publikum, der Band, keine Ahnung. Aber das ist ja auch egal, solange ich nicht derjenige bin, der das Programm zu verantworten habe. So zählt nur das Ergebnis, und das war durchwachsen. Am Repertoire liegt es jedenfalls nicht, daß das
Konzert in dieser zweiten Hälfte nicht erwartet grandios war, schließlich sind Barricade, Not even jail, Pda, Lights oder das vor dieser Tour nie gespielte The new (von Turn on the bright lights) allesamt Killer.

Es war natürlich immer noch ein okayes Konzert, es war aber weit davon entfernt, was ich erwartet hatte. Mit solchen Erwartungshaltungen ist das ja so ein Ding, damit versaut man sich schnell viele Konzerte. An eine Lieblingsband, deren Auftritt beim Highfield Festival vor ein paar Jahren für mich die Blaupause für ein perfektes Konzert ist, darf
man aber sicher mit solchen großen Erwartungen herangehen und von einem durchschnittlichen Konzert sehr enttäuscht sein.

Ob die fehlenden Lieblinge Stella, Leif, Roland und Heinrich es geschafft hätten,
mich so mit offenem Mund zurückzulassen, wie ich es erwartet und erhofft hatte, weiß ich nicht, ich bezweifele es ein wenig, denn das gespielte Material (erstaunlicherweise mit Schwerpunkt auf den beiden ersten Alben) war schon brillant.

Setlist Interpol, Westfalenhalle, Dortmund:

01: Success
02: Say hello to the angels
03: Narc
04: Take you on a cruise
05: Summer well
06: Rest my chemistry
07: Slow hands
08: C'mere
09: Hands away
10: Barricade
11: The new
12: Lights
13: Pda
14: Memory serves
15: Not even jail

16: Untitled (Z)
17: Length of love (Z)
18: Evil (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Interpol, Paris, 17.09.10
- Interpol, Montreux, 16.07.08
- Interpol, Brüssel, 23.11.07
- Interpol, Paris, 21.11.07
- Interpol, Köln, 19.11.07
- Interpol, Hohenfelden, 17.08.07
- Interpol, Köln, 11.05.07
- Interpol, Paris, 10.05.07
- andere Federn: Interpol in Dortmund bei Pretty-Paracetamol


* google findet für Interpol +Konzerttagebuch 4.460 Einträge... ok, vermutlich sind die 460 von uns
** daher auch keine Setlist, mit Maccabees B-Seiten kenne ich mich leider zu wenig aus



14 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Die Halle in Dortmund war sicherlich zu groß. Im Pariser Trabendo (Kapazität 700 Leute) zogen die neuen Songs sensationell gut! Man sollte Stadien und Mehrzweckhallen einfach meiden, wie der Teufel das Weihwasser.

oliver s. hat gesagt…

werde mich geich christoph mit einem feeback auf den getrigen abeend anschließen. ich sehe die aussage mines namensvetters nichts so, zumal die 3 (oer 5) Herren mich ende September im Estadio ANOETT zu San Sebastian mit ihren Song restlos begeistern konnten. Also ligt es nicht nur an der location (das die westfalenhalle2 einen untrirdisch schlechten sound hat ... naa, das ist nichts neues)

Nina hat gesagt…

Mir gings mit Wien Konzert von Interpol vor 4 Tagen genauso.

Halle + Sound = :-/

Die Erwartungen waren auch bei mir sehr hoch (war mein 1. Mal Interpol) und wie du schon gesagt hast - es war garantiert nicht schlecht - aber Stimmung kam bei mir (fast) keine auf. Umso überraschter war ich, als ich am nächsten Tag überall nur positives über das Konzert las.. als wär ich bei einer anderen Band gewesen.

Anonym hat gesagt…

Christoph, ich muss sagen du sprichst mir aus der Seele. Bei der Zuschauerzahl, hätte das Konzert problemlos in die große Halle des FZW verlegt werden können. Da passen ca. 1600 Menschen rein..Das wäre der gelungene Rahmen für diese Ausnahmeband gewesen. So war es aber leider etwas enttäuschend, gerade auch durch das bass-echo im hinteren Bereich der Halle. Und die Leute um mich herum waren auch eher gelangweilt als willens mal etwas aus sich herauszugehen! Ich hatte die gleiche Erwartungshaltung, da ich auch vor 3 Jahren beim Highfield das Konzert gesehen hatte und das war einfach überragend. Man muss anerkennen, dass dortmund bzw. das Ruhrgebiet kein guter Konzergastgeber ist. Es gibt ein Einzugsgebiet von etwa 5 Millionen Menschen und Interpol ist nicht ausverkauft...Unglaublich!

Und mir ist auch aufgefallen, dass eher die ersten beiden alben gespielt worden sind, aber nicht mein liebling obstacle 1...shit

So what,,,dafür gibts nächste woche arcade fire auf die ohren!

Rob hat gesagt…

Ruhrpott + Konzerte = :-/
Es lag nicht nur an der Halle, auch das Publikum war was lame.
Ich meine, wofür gehe ich auf ein Konzert von Interpol??
Um da nur doof rumzustehn?
Dann kann ich mir auch eine Live-DVD anschaun, da hab ich sogar bessere Sicht^^

Da erwischt Interpol mal wieder einen ihrer guten Tage und dann will das Publikum nicht so recht.
Sie hätten einfach nach Köln kommen sollen!
Im übrigen ist die Bahnverbindung von Köln sehr schlecht nach Dortmund, wenn man keine Mitfahrgelegenheit hatte, konnte man es sowieso vergessn..;)

Denke in Berlin wird es für Paul und Co. wieder ein grandioses Konzert, weil das Publikum einfach viel alternativer sein wird!

benfi hat gesagt…

So schlecht fand ich Sound und Band eigentlich nicht - muss allerdings sagen, dass es mein erstes INTERPOL Konzert war. Es ist aber richtig, dass in kleinerem Rahmen bestimmt mehr Stimmung herüber gekommen wäre!
Toller Bericht ansonsten...allerdings hättest du die Vorband THE BLUE ANGEL LOUNGE erwähnen müssen - großartig!!! Dafür aber ein Mantel des Schweigens über SURFER BLOOD!

Christoph hat gesagt…

Über Blue Angel konnte ich nichts schreiben, da habe ich mich noch der Halle mehr oder weniger erfolgreich genähert (darüber mein Mantel des Schweigens).

oliver s. hat gesagt…

in der tat muss ich als Konzerbesucher in dortmund (auch wenn man sich die wirklich 'grossen' acts - die masse ziehen, wie Linin park oder green day anschaut) sagen, dass es höchst selten vorkommt, dass die Hallen voll werden - k.a. woran das liegt, bei vielen shows im neuen fzw sieht das anders aus - ich denke aber nicht, dass alle gestern anwesenden Zuschauer dort pllatz gefunden hätten.

pers. muss ich sagen, ich will garkein interpol konzert wo die masse so richtig abgeht, ich fand es so schön, wie das ganze stadion in spanien der musik der band lauschte, ruhig und bessonen, wie die Musik die luft bricht ... Herrlich - aber immer eine frage des Geschmacks!

stiller hat gesagt…

Nimmt mir zumindest ein bisschen den Wehmut keine Zeit gehabt zu haben. Gerade das fehlende Stella. Bei der nächsten Tour einfach wieder in ner kleineren Location in Köln spielen.

LA hat gesagt…

dann habe ich wohl glück gehabt,denn ich stand auf der anderen seite und da waren mehr als genug fans, die sich gefreut haben interpol zu sehen,die stimmung war also ziemlich gut auf meiner seite... und der sound war genial (ich stand im grunde direkt vor der box) und ich bin immernoch schwer begeistert vom konzert,vorallem von the new.

dass es nicht ausverkauft war,wundert mich aber auch tierisch... und ich hätte es (trotz meines wohnortes in do) gerne im düsseldorfer zakk gehabt,das hätten sie bestimmt voll bekommen... träume bleiben träume.ich schau mir interpol auf jeden fall noch einmal an, der gestrige abend war einfach zu gut.

Anonym hat gesagt…

Interpol ist eine total launische Band, an guten Tagen hui, an schlechten pfui. Das liegt nicht nur an der location. Ist ne Tatsache, auch wenn sie Herrn Peel nicht gefallen wird...

ceho hat gesagt…

Super Bericht, danke. Das war meine erste Interpol Show, ich bin eigentlich mehr ein alter The Cure-Hase ;-) und hatte bisher noch keine Gelegenheit Interpol endlich einmal zu sehen. Ich fand das Konzert genial, super Sound, allerdings habe ich so ein statisches Publikum und eine nahezu halbleere Halle so auch noch nicht erlebt. Die Vorband fand ich ziemlich mies. Aber Interpol haben mich begeistert, Lichtshow, Spielfreude etc., alles super. Ein bißchen mehr Info von uns, wer mag: http://www.cureconnections.com/other-band-concert-reviews/8956-interpol-22-11-2010-dortmund-westfalenhalle.html

Ich freue mich jedenfalls die Band irgendwann wieder zu sehen!

Jan hat gesagt…

Ich muss LA zustimmen. Es kommt doch sehr darauf an, wo man sich positioniert und wer so um einen herum steht. Ich nehme an, dass du, Christoph, beim Highfield ganz vorne in einer Traube euphorisierter Fans gestanden hast und bei den späteren Konzerten weiter hinten (korrigiere mich, wenn ich da falsch liege). Dazu kommt, dass das Publikum auf einem Festival mitunter ein ganz anderes ist als das "Interpol only" Publikum auf Konzerten, und nach meiner Erfahrung gehen die Festivalmenschen einfach mehr ab, weil zu den Konzerten halt auch viele kommen, die sich die Band einfach gerne anhören, aber nicht unbedingt tanzen wollen. Die allgemeine Stimmung unter den Zuschauern und die Atmosphäre macht definitiv sehr viel aus für das Gefühl, was man von einem Konzert mitnimmt.

Ich war leider nicht auf dem Highfield 2007, aber das Konzert in Köln im Palladium hat mich damals richtig umgehauen und ist bis heute wohl das beste geblieben, das ich je erlebt habe (also vergleichbar mit deiner Erfahrung in Hohenfelden). Das lag neben den großartigen Songs, davon bin ich überzeugt, vor allem an der Atmosphäre und an den Leuten, die da in der zweiten, dritten Reihe um mich herum standen und auch einfach abgegangen sind. Habe deshalb von der wohl recht enttäuschenden Stimmung in der restlichen Halle (die ja auch nicht voll war) nichts mitbekommen.

Und gestern war es eigentlich ähnlich. Zwar war ich anfangs schon schockiert, wie apathisch das Publikum da rumstand, aber dann bin ich halt noch etwas weiter nach vorne bis ungefähr in die fünfte Reihe und habe wieder ein paar Leute gefunden, mit denen ich tanzen und das Konzert richtig genießen konnte.

Fazit für mich persönlich: großartiges, begeisterndes Konzert! Trotz zu großer und leerer Halle, nicht perfektem Sound und selten schlecht aufgelegtem Publikum. Die Band ist damit souverän umgegangen und hat meiner Meinung nach wieder eine tolle Show abgeliefert. Auch die Setlist hat mich überzeugt, viele alte Hits, leider zwar nur ein Song vom letzten, aber dafür(zum Glück) auch nur das Nötigste vom aktuellen Album.

Insgesamt scheint es somit zwar vom Songmaterial und von der Bandbesetzung her bergab zu gehen mit Interpol, aber live sind sie für mich immer noch das Maß aller Dinge.
Hoffentlich spielt beim nächsten Konzert auch das Publikum wieder mit.

Bernie hat gesagt…

Ich finde, sie haben's verkackt an diesem Abend, und ich frage mich, woran das wohl lag. Mein Eindruck war, dass die Band auf irgendetwas einen gewaltigen Hals hatte. Auf den Sound vielleicht, der meinem Eindruck nach immer schlechter wurde? Auf das Publikum, das so spärlich erschienen war? Aufeinander, weil's mit den ungeübten Stücken nicht so recht klappen wollte?

Die letzte Zugabe, "Evil", haben sie in hoher Geschwindigkeit förmlich heruntergerotzt. Ich hatte den Eindruck, als könnten sie es kaum erwarten, von der Bühne zu kommen.

 

Konzerttagebuch © 2010

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