Dienstag, 8. September 2009

Thos Henley, Paris, 08.09.09

Konzert: Thos Henley
Ort: UFO Bar
Datum: 08.09.2009
Zuschauer: circa. 40, darunter die Eltern von Thos
Konzertdauer: etwa eine halbe Stunde



21 Jahr jung müsste man noch einmal sein! Hach, was waren das für Zeiten! Gerne erinnere ich mich zurück, als ich in diesem Alter war und als junger Student jede Menge Träume hatte. Als ich 23 geworden bin, war ich in den Sommerferien in Cambridge (ich alter Streber!) und belegte eine sogenannte Summer School an einem hübschen College, um Einblicke in das englische Rechtssystem zu bekommen. Studenten aus allen Ländern dieser Erde waren mit dem gleichen Ziel dorthin gekommen und begannen die Kurse voller Ehrgeiz. Zunächst war alles sehr steif und formell, aber schon bald lockerte sich die Stimmung merklich auf. Anstatt den stinkweiligen Vorleseungen beizuwohnen, vergnügten sich immer mehr Leute auf der herrlichen Campuswiese. Das englische Rechtssystem war uns inzwischen längst schnuppe, was uns interessierte war einzig und allein das andere Geschlecht! Es wurde auf Teufel komm raus geflirtet und am Abend im unbequemen Bett überlegte man sich schon, ob man am nächsten Tag die flotte Holländerin oder doch die feurige Mexikanerin becircen sollte. Natürlich lief schon wieder alles nicht ganz so leicht wie man sich das erhofft hatte. Teilweise mussten harte Nüsse geknackt werden und die Mädchen gaben zuächst vor, zu Hause einen Freund zu haben, der auf sie wartet. Spätestens nach zwei Wochen war dieses Problem aber (zumindest für die Zeit des Aufenthalts) ad acta gelegt und jeden Tag bildeten sich neue Pärchen. Hach, herrlich!

Wie ich im Zusammenhang mit dem Konzert des 21 jährigen Engländers Thos Henley auf diese alte Geschichte komme? Nun, Thos ist im Moment in der Phase, in der ich mich damals befand. Er lebt ein wenig in den Tag hinein, geht zur Uni, probt an neuen Stücken und vergnügt sich ansonsten mit Mädels, die aus allen Ecken Europas kommen. Schwedinnen, Finninen, Französinnen, es ist alles vertreten, was das Herz eines jungen Mannes begehrt! In einem Blogeintrag vom letzten Jahr spricht er sogar von einer Muse namens Natalie, die in sein Leben getreten ist und nach der er sein Debütalbum benennen will. Diese Natalie habe ich allerdings nie zu Gesicht bekommen und auch auf das Album muss man sich noch ein wenig gedulden. Schon ein witziger Kerl, dieser Thos, so liebenswürdig und dies auf herrlich chaotische Art und Weise! Seinen letzten Gig vor den Ferien durfte er besipielsweise gar nicht spielen, weil er kein Bestätigungsmail an den Laden geschickt hatte und deshalb umsonst mit seiner Gitarre unter dem Arm ankam. Die Veranstalter gingen davon aus, daß er nicht spielen wollte, er wiederum hielt den Deal bereits für perfekt. Eine charmante Anekdote (es gäbe mehrere dieser Art zu erzählen), die gut das Wesen des unglaublich belesenen und kultivierten jungen Mannes widerspiegelt. Ein Bursche, der in der Lage ist, sich wochenlang in sein Zimmer zu verkriechen, um englische Literaturklassiker zu studieren, ist heutzutage schon außergewöhnlich. Hinzu kommt, daß er gerne Gedichte schreibt, die man teilweise auf seinem Blog bei MySpace finden kann. Ein zerstreuter Intellektueller, so könnte man ihn auch beschreiben, wohlwissend, daß solche oberflächlichen Eindrücke täuschen können. Bei seinem Talent aber, ist kein Irrtum möglich, davon hat er nämlich reichlich! Nur mit seiner Gitarre und ohne Mikrofon sang er vor Freunden, ein paar Neufans und seinen extra aus England angereisten Eltern in einem Pariser Keller solch betörend schöne Lieder, daß es mir die Sprache verschlug. Ich wusste ja, daß er etwas auf dem Kasten hat, eine unglaublich laute und vibrierende Stimme sein Eigen nennen kann und über ein verblüffend reifes Songwriting verfügt. Schließlich hatte ich ihn ja schon einmal für eine Oliver Peel Session in den eigenen vier Wänden zu Gast. Aber dass er mich so dermaßen berührt und in seinen Bann zieht, hätte ich trotzdem nicht vermutet. Vielleicht war ich bei der Session damals zu aufgeregt, um seine Musik vollständig zu genießen. Er hatte mir ganz ausgezeichnet gefallen, aber solch wohlige, unglaublich schöne Gefühle wie heute hatte ich damals nicht. Mir war, als sänge er mir als mein Studienfreund sehr persönliche Lieder auf seiner Studentenbude an der Gitarre vor. Lieder, die er nicht jedem offenbart, sondern nur ganz besonderen Freuden. Es war einfach atemberaubend intim und mir zitterten die Knie vor emotionaler Rührung. Selten zuvor hatte ich einen solch engen Kontakt zwischen Künstler und Publikum erlebt, es gab überhaupt keine Barrieren mehr. Der Beifall des gerührten Publikums steigerte sich von Lied zu Lied und am Ende tobte das kleine Kellergewölbe. Thos rieb sich als Reaktion hierauf wie so oft die Augen, ging schnurstracks auf Toilette und kam wieder, um noch eine Zugabe zu spendieren. The Wife war unfassbar schön, so schön, das ich es kaum in Worte fassen kann. Erst hinterher wurde mir bewußt, warum das heute so intim und nahegehend war: Er hatte vor den Augen seiner Eltern gespielt und dies in seiner Walhheimat Paris. Das war eben etwas ganz Besonderes. Er wollte es nicht verpatzen, genauso wie man als Schüler nicht das Weihnachstlied verpatzen wollte, daß man mit heißen Ohren im Kreise seiner Familie vortrug. Seine Eltern können stolz auf ihn sein, er ist ein riesiges Talent und wird seinen Weg gehen, da bin ich mir ganz sicher. Danke, Thos, daß Du mich zum Träumen gebracht hast und Erinnernungen an tolle Zeiten wachgerufen hast!

Setlist Thos Henley, UFO, Paris:

01: But At What Lost?
02: To Me You Are So English
03: Find Farewell
04: Balancing Books
05: Oldest Tree In Metley
06: Keeper Of My Breath
07: Darling You

08: The Wife (Z)

- Aus unserem Archiv:

Thos Henley am 01.07.2009 im Pariser Pop In hier
Thos in einer Oliver Peel Session hier

- Video von meinem Freund Stéphane von der Oliver Peel Session, Thos Henley To Me You Are So English



 

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