Samstag, 19. September 2009

Tomte, Wien, 05.09.09

Konzert: Tomte (A Life, A Song, A Cigarette)
Ort: Karlsplatz, Wien
Datum: 05.09.2009
Zuschauer: ca. 3000
Konzertdauer: etwa 100 Minuten


von Julius aus Wien

Als sich Thees Uhlmann auf dem Frequency Festival selbst für den 5. September und den Wiener Karlsplatz ankündigte, erntete er so manches Gelächter und leicht irritierte Blicke, gilt besagter Platz doch als Hotspot des städtischen Drogenmilieus.

Wie insgeheim allerdings schon erwartet, machte der RedBull-Tourbus, unter dessen Schirmherrschaft das Konzert statt fand, nicht zwischen Streetworkern und Giftlern Station, sondern vor der imposant-kitschigen Kulisse der Karlskirche.

Das kreisrunde Brunnenbassin mit einem Durchmesser von etwa 100m soll wohl als eine kleine Reminiszenz an den Hamburger Hafen dienen, wo Tomte mit bzw. auf besagtem Getränkeherstellervehikel ihrer Heimatstadt die Ehre erwiesen. In der Praxis funktioniert diese Idee natürlich nicht, und so klaffte eine riesige (nasse) Lücke im Publikum, in der sich dann immerhin die Abendsonne spiegeln konnte. Ja, richtig gelesen, Abendsonne, welche in Österreich zwar schon rund eine Stunde früher am Horizont verschwindet als in Deutschland, aber dennoch Tomte noch kurz bis vor Schluss begleiten durfte. Beginn war nämlich schon um 17h, als die als Support fungierenden A Life, A Song, A Cigarette die Leiter auf das Gefährt erklommen. Ein für Wiener Verhältnisse extrem früher, vor allem aber pünktlicher Beginn und so verpassten viele den Beginn der Folk/Americana/Indie-Truppe, was die meisten aber nicht allzu schwer nehmen dürften, stammen doch Alasac erstens aus Wien und war doch die gesamte Veranstaltung gratis.

Eben genannte Formation wusste zwar handwerklich durchaus zu überzeugen, ihre Stärke liegt aber erfahrungsgemäß indoor und in möglichst dunklen Räumen. Auch mit dem Amateur-Sound, der der im Tourbus eingesetzten Sparversion einer Soundanlage geschuldet war, hatten Alasac zu kämpfen, spielten ihre knappe Stunde Spielzeit dennoch mehr als solide herunter. Egal, der Hauptzweck aller Support-Slots war erfüllt: Neugier wecken. Und so bleibt zu hoffen, dass die in Wien meistens als Supportacts „verschleuderten“ Alasac demnächst wieder einmal eine Solo-Show spielen können/wollen/dürfen. Thees Uhlmann war auf jeden Fall mehr als nur angetan von der Darbietung und bekundete zwischen zwei Songs freimütig, dass er zwar die ganze Zeit schon auf die Toilette gemusst hätte, aber nicht weg wollte. Und tatsächlich lief uns Thees nach dem Ende von Alasac über den Weg, als er in die TU eilte, wo die Toiletten zugänglich gemacht waren. Und er, der joviale Frontmann, der sich sonst für jeden Fan, der ihn anspricht, ein paar Worte Zeit nimmt, hatte auch nur einen kurzen Gruß für uns übrig. Dass er wesentlich erleichterter wirkte, als er wieder aus dem TU-Gebäude heraus kam, passte somit auch ins Bild.

Während der Umbauphase zeigten dann einige BMX-Fahrer im Sold von Red Bull ihre Künste, welche auch durchaus spektakulär waren, aber Tomte kamen dadurch natürlich nicht früher auf den Bus. Währenddessen strömten die zwei Generationen über uns in die Karlskirche, wo ein Konzert der Wiener Sängerknaben stattfand.

Stilgerecht eröffnete Thees den Abend dann mit einer Zeile aus der Strauß- Operette „Wiener Blut“, nur um dann eine 180°-Wendung zu vollziehen und den „Killers“-Hit „Human“ zum Besten zu geben... „Are we human or are we dancer?“ Naja, ich entschied mich mal vorerst für „human“, den „dancer“ wollte ich mir für die besseren Songs aufsparen.

Und diese ließen auch nicht lange auf sich warten: „Die Schönheit der Chance“ schickte sich nämlich gleich an, uns in Galilei’scher Manier die Gravitationstheorie näherzubringen: „Das ist nicht die Sonne, die untergeht, sondern die Erde, die sich dreht.“ Ein durchaus eingängiger Refrain, den im vergangenen November das bestens gelaunte Wiener Publikum über 30 Minuten lang nach dem eigentlichen Konzert rezitierte und so den auch nicht gerade miesepetrigen Thees zu insgesamt drei Zugabenblöcken verleitete.

Diesmal war dies leider nicht der Fall, denn die Spielzeit war durch die Konkurrenzveranstaltung in der Kirche begrenzt und so ging es flott weiter und Tomte fragten nach dem werten Befinden in ihrer Heimat: „Wie siehts aus in Hamburg?“

Von Hamburg ging es flugs wieder nach Österreich und Thees widmete dem österreichischen Ausnahmetalent Anja Plaschg alias „Soap&Skin“ den Song „So soll es sein.“ Die nächste, diesmal eher zweifelhafte, Hommage ließen die Hamburger dann den kürzlich aneinander zerbrochenen Britpop-Monolithen „Oasis“ zukommen: „Wilhelm, das war nichts.“ Ein Song, der nicht nur hinsichtlich des Titels viel mit dem „Smiths“-Klassiker „William, it was really nothing“ gemein hat. Und um keinen Zweifel an seiner Einstellung zu Liam Gallagher’s Gesang zu lassen, intonierte Thees, mehr würgend als grölend, „I am the walrus“. Und auch die ewige Nr. 1 des Oasis-Werks – „Wonderwall“ blieb nicht unangetastet. Aber als Gegengewicht zu dieser gewaltigen Ladung Spott und Ironie muss klar gestellt werden, dass Tomte immerhin schon als Vorband für Oasis in Dresden auftraten und damals richtig stolz darauf waren, gerade mal ein halbes Jahr her. Und besonders Keyboarder Simon Frontzek äußerte sich in Interviews positiv über die Mods aus Manchester und vergleicht mitunter auch mal Songs wie „Die Bastarde, die dich jetzt nach Hause bringen“ mit Oasis-Granaten.

Der großartige Conferencier Thees Uhlmann verzückte dann mit einer neuen Version einer bereits am Frequency Festival zum Besten gegebenen Geschichte: Nach ihrem Konzert auf Sylt (am Frequency noch das „Graz Deutschlands“, diesmal die „Steiermark Skandinaviens“) vor ein paar Wochen seien er und Dennis Becker, der Gitarrist, nächtens und nackt im Meer schwimmen gewesen, eine riesige Woge hätte Dennis dann an eine Klippe geschleudert, worauf der sich eine Rippe gebrochen hätte. Am nächsten Morgen hätten sie dann ein Warnschild mit der Aufschrift „Schwimmen verboten. Lebensgefahr!“ entdeckt.

Diese kleine Geschichte aus dem Tomte’schen Nachtleben sorgte aber längst nicht für die Erheiterung, für die Thees sorgte, als er mit neidischem Blick auf die BMX-Fahrer gestand, in jungen Jahren einmal zwei Jahre auf ein Skateboard gespart und dann an einem einzigen Abend das ganze Geld versoffen zu haben. Denn: „Nichts ist so schön, wie betrunken traurige Musik zu hören.“ Und unter das Label „Traurige Musik“ fällt auch wohl „What A Wonderful World“, Tomtes hinreißende Ode an ebendessen Geigen beendeten dann ein typisches Tomte-Konzert, es soll zwar schon bessere Abende mit den Hamburgern gegeben haben, aber dank Thees’ charmanter Ansagen, der Spielfreude der ganzen Band und natürlich auch des Preises konnte man einfach nicht enttäuscht sein, „so soll es sein, so war es erdacht.“

Setlist Tomte, Karlsplatz, Wien:

01: Human (The Killers Cover)
02: Die Schönheit der Chance
03: Wie siehts aus in Hamburg
04: So soll es sein
05: Schwer wie ein Planet
06: Schrei den Namen deiner Mutter
07: Heureka
08: Wilhelm, das war nichts
09: Wonderwall (Oasis Cover)
10: Korn & Sprite
11: Küss mich wach, Gloria!
12: (spontane Ode von Thees an den Gitarristen Dennis Becker)
13: New York
14: Voran Voran
15: Nichts ist so schön, wie betrunken traurige Musik zu hören

16: Dein Herz sei wild (Z)
17: Ich sang die ganze Zeit von dir (Z)
18: Die Geigen bei Wonderful World (Z)

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