Konzert: Motel Mozaique
Ort: Innenstadt Rotterdam
Datum: 08.04.2017
Der zweite Tag in Rotterdam beginnt mit strahlendem Sonnenschein und ist zunächst geprägt vom gleichzeitig in der Stadt stattfindenden Marathon.
Über den Tag verteilt begegnet man immer wieder den beiden großen Fangruppen. Die einen tragen joggend ständig eine Wasserflasche mit sich herum, während die anderen den in den Niederlanden typischen Einweg-Bierbecher in 0,2l Größe in Händen halten. Zu sagen hatten sich beide Gruppen leider wenig.
Ab 12:00 Uhr mittags finden dann fünf kurze Sessions in einer der beiden Kirchen statt, organisiert von der 3voor12 Crew, die immer schon eine gute Nase für junge Talente hatte.
Zu meinem Erstaunen ist sogar "Lisa Hannigan", am Abend eine der beiden Headliner im Stadttheater, dabei und beginnt mit einem kurzen Set aus vier Songs ihren akustischen Reigen. Die Sonne taucht durch die bemalten Kirchenfenster tief in den Raum ein und die Stimme von Lisa Hannagin wärmt uns zusätzlich.
Begleitet von zwei Sängerinnen ihrer derzeitigen Vorband aus Irland (Saint Sisters) ergeben sich sehr gefühlvolle, intime Versionen ihrer Songs, die mit einem a capella gesungenen, irischen Poem "Anahorish" enden.
Als nächstes ist "Novo Amor" (John Meredith-Lacey) an der Reihe. Ein junger, in sich gekehrter Sänger aus Wales, dessen hohe Stimme und todtraurigen Songs sehr an Bon Iver erinnern. Er spielt mit seiner kompletten Band und seine Single "Anchor" ist eine Hit mit Ansage. Die mutige Coverversion von Guns N`Roses (Welcome to the Jungle) ist mit dieser Stimme und der gleichzeitig totalen Entschleunigung des Songs zwar originell aber gewöhnungsbedürftig.
Wesentlich melodischer, und anscheinend schon mittags einigermaßen beraucht, betreten die jungen und unfassbar schlanken "The Lemon Twigs" die Bühne. Zwei junge Amerikaner im Second Hand Look der Extraklasse. Am Abend sollten sie ihre komplette Glamrockshow im Rotown zeigen. Hier spielen sie, beide mit riesigen akustischen Gitarren bewaffnet, drei Songs aus ihrem Debutalbum, das passenderweise den Titel "Do Hollywood" trägt.
Das tolle "As long as we`re together" überstrahlt zunächst alles, bevor sie am Ende mit leichten Textproblemen noch eine BeeGees Coverversion zum Besten geben. Sehr unterhaltsam, für Freunde von David Bowie und Foxygen sehr zu empfehlen.
Der letze an diesem Nachmittag ist der hoffnungsvolle Singer/Songwriter "Isaac Gracie", dessen Name schon länger die Runde macht. Heute wirkt er aber im Vergleich zu den Vorgängern etwas fahrig und hat nicht seinen besten Tag. Wer Glen Hansard und/oder Jeff Buckley, ist hier aber goldrichtig.
Am späteren Abend dann wieder ab zum großen Theatersaal wo zunächst "Lisa Hannigan" ihren Auftritt hat. Diesmal mit voller "Show" und mit ihrer Begleitband aus akustischem Bass, Schlagzeug und Keyboarder im Rücken, dazu Lisa an der Gitarre und einem antiken Harmonium mit Blasebalg.
Der Auftritt ist gelungen, auch wenn manchmal das Überschlagen der hohen Töne etwas zu oft einsetzt und für etwas Eintönigkeit sorgt. Die Songs schwanken zwischen ruhig und ganz ruhig, was bei der bestuhlten Halle zu etwa Müdigkeit führt. Trotzdem sind es gerade die neuen Songs, die mir hier besonders gut gefallen, zum Beispiel "Fall" und "Prayer for the dying" der akutellen Platte "At Swim".
Viel schwieriger wird es aber danach. "Anna Meredith" aus England führt mit ihrer Band eine Art von Musikschulen-Abschiedsabend auf. So jedenfalls wirkt es, wenn Anna am Bühnenrand den Takt vorgibt und auf zwei riesige Becken eindrischt, während sie ansonsten den Bandmitgliedern ein Solo nach dem anderen durchgehen lässt. Anna Meredith ist gleichermaßen in der Klassik wie auch im Pop verwurzelt und konnte in England schon viel Aufmerksamkeit erlangen.
Diese unausgegorene Mischung aus Mike Oldfield der 1970er Jahre (in schlecht) und wildem Jam ist leider überhaupt nicht mein Ding. Also genug Zeit für das nächste Shoarmapita, um trotzdem noch pünktlich um 24:00 Uhr für das Finale von "The Slow Show" zurückkehren zu können.
Die Band hat sich ja gerade in Deutschland und Benelux zwischenzeitlich sehr viele Fans erspielt. Zurecht, sind ihre Auftritte doch in ihrer Emotionalität und Musikalität immer etwas Besonders.
Auch heute wird das Publikum nicht enttäuscht. Zwar kommen, im Vergleich zu den unvergessenen Auftritten in Haldern, hier einige Streicher und Bläser vom Band, trotzdem schafft es Band aber erneut, Nuancen ihres Sounds weiter zu entwickeln und die früher zu sehr in Moll geprägten Songs live etwas zu entzerren und das Tempo zu erhöhen.
Highlights sind, wie so oft, "Ordinary Lives" und "Bloodline". Sänger Rob Goodwin tänzelt am Bühnenrand, geht immer wieder in die Knie und beobachtet seine Band und das Publikum. Dann wieder steht er mit nackten Füssen auf dem Teppich vor seinem Mikrofonständer, gebeugt und konzentriert.
Diese Band aus Manchester kann live wohl in jeder Halle bestehen, obwohl ihre Songs so gar nicht in ein Hitkonzept passen wollen. Selten unter fünf Minuten und mit getragenen Waldhörnern arrangiert, ist es Musik aus einer anderen Welt.
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