Konzert: Bob Dylan
Ort: Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle
Datum: 13.04.2017
Dauer: 110min
Zuschauer: 5.500 (ausverkauft)
Am Tag vor dem Konzert hatte ich mir einen Blick in die "Eventim-Fankommentare" gegönnt, in denen Besucher der bisherigen Shows die üblichen Tiraden unters Volk streuten. "...das beste am Abend war die Currywurst", "..herausgeschmissenes Geld", "wir waren gekommen um den Folkmusiker der 70er zu hören"..und so weiter.
Besonders der Vorwurf, ob man für so viel Geld so wenige Hits spielen darf, zeigt die Ignoranz und Selbstgefälligkeit dieser Leute, aber auch deren Blick auf die Kunst.
Wer natürlich nur Musicals gewohnt ist kann eigenständige, künstlerische Entscheidungen vielleicht schwer nachvollziehen, aber Musicals gewinnen ja auch keinen Literaturnobelpreis.
Abgesehen davon bitte ich vor einem Museumsbesuch ja auch nicht den Maler, mir die Bilder zu malen, die ich toll finde. Es ist wirklich erstaunlich, dass es noch Konzertgänger gibt, die auch nach fast 20 Jahren nicht mitbekommen haben wollen, das es nie wieder ein Best of.. Konzert von Bob Dylan geben wird.
Gleich zu Beginn gibt es aber eine volle Ladung alter Hits. Allerdings nur auf dem Parkplatz vor dem Eingang, auf dem sich ein Lookalike an Coverversionen versucht.
Bob Dylan wird den ganzen Abend seinen schwarzen Flügel nur verlassen um in der Bühnenmitte als Chansonnier einige Cover zu interpretieren. 21 Songs werden zur Zeit jeden Abend aufgeführt, das Programm variiert nicht.
Die Band spielt ohne Unterbrechung (wahrscheinlich damit es nicht zu peinlichen Zwischen-oder Buhrufen der Anwesenden kommt) und Dylan gibt das, was er in seinem Alter noch geben kann.
Mundharmonika und Gitarre wird er an diesem Abend kein einziges Mal in die Hand nehmen. Einige Songs gelingen und klingen toll, das zur Eröffnung gespielte "Things have changed" und eine fast schon rockige Version von "Desolation Row", andere sind entbehrlich. Obwohl die Instrumentierung bei allen Songs gleich ist (akustische Einlagen gibt es ebenfalls nicht), ist die musikalische Bandbreite doch enorm.
Aber man muss schon genau hinhören, um die Einschübe von Blues, Folk, Americana, Chanson und Rock wahrzunehmen. Allzu oft ist man darauf konzentriert die einzelnen Stücke erst einmal zu erkennen um sie dann in ihrer neuen Version würdigen zu können.
Die strikten Vorgaben des Künstlers indes haben auch gute Seiten. Keiner traut sich das Handy als Fotoapparat zu missbrauchen, Mitklatschen und Aufstehen verbieten sich sowieso und lassen einen so den Konzertabend genießen wie schon lange nicht mehr.
Nach einer kurzen Zugabenpause und dem am Ende etwas zerschossenen "Ballad of a thin man" ist dann mit einer kurzen Verbeugung der offizielle Teil beendet.
Und wieder vergeht keine Sekunde im hellen Saallicht, ohne das ich sofort wieder von wildesten Kraftausdrücken umgeben bin. Dem Künstler wird nahegelegt "endlich zu sterben" oder direkt am Ausgang "das Eintrittsgeld persönlich wieder auszuzahlen".
Weitere, noch schlimmere Ausdrücke kann ich hier wirklich nicht wiedergeben. Es bleibt zu vermuten, dass genau diese Leute sich umgehend auf den Weg zum nächsten Dylan-Konzert begeben, um wieder enttäuscht zu werden.
Eine Hassliebe von ungeahntem Ausmaß. Zu gerne würde man in Dylans Kopf blicken und seine Gedanken lesen. Ein wahrer Künstler aber behält die Geheimnisse für sich, seine Aura und Unnahbarkeit (ob gespielt oder nicht) unterscheiden ihn ja gerade vom normalen Zuhörer.
Das ist der Preis oder auch Fluch des kreativen Schaffens, den Dylan wie kein anderer lebender Künstler verinnerlicht hat.
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