Konzert: Desperate Journalist (& Dynarchy)
Ort: Tag & Nacht Studio, Darmstadt (Bedroomdisco)
Datum: 08.04.2017
Dauer: Desperate Journalist gut 55 min, Dynarchy gut 40 min
Zuschauer: ca. 120
Die Bedroomdisco in Darmstadt ist ein großartiger Musik-Gemischtwarenladen, den man gar nicht genug loben kann. Besonders das Golden Leaves Festival im Herbst (das es seit 2012 gibt) und die Wohnzimmerkonzerte sind fantastisch!
In Wohnzimmern finden diese Konzerte wohl kaum noch statt, dafür ist der Rahmen zu groß geworden. Die Gewinner der Tickets erfahren erst kurz vorher, wo sie stattfinden. Das Tag & Nacht Studio als Auftrittsort für Desperate Journalist sagte mir nichts, "Studio" ist schließlich dehnbar. Auf die naheliegendste Antwort, es könne sich um ein Tonstudio handeln, war ich nicht gekommen. Da das Wetter schön war, hatten die Veranstalter kurzerhand entschieden, statt im Studio im Hof spielen zu lassen. Dadurch konnte ein ganzer Schwung weiterer Zuschauer zugelassen werden.
Desperate Journalist! Seit 2015 verfolge ich die Band aus London und ihren steigenden Erfolg. Live hatte ich das Quartett erstmals (natürlich) auf dem Indietracks gesehen. Das nächste Konzert war schon ein selbst veranstaltetes im Tsunami-Club in Köln und dann zuletzt im letzten Sommer in York.
Vor zwei Wochen erschien Grow up, das zweite Album der Desperate Journalists, das in England hervorragende Kritiken erhielt. Die Vorabsingles liefen regelmäßig im britischen Radio und wurden dort besprochen. Grow up passt also. Am deutlichsten zeigte sich das wohl vor ein paar Tagen, als die Band ihr bisher größtes eigenes Konzert in der Scala in London spielten, zu dem rund 550 Leute kamen.
Im Hof des Tag & Nacht Studios waren keine 500 aber immerhin gut 120 Zuschauer. Um kurz nach acht begann zunächst eine lokale Vorgruppe. Nein, Unsinn! Dynarchy kommen zwar aus Mainz, klangen aber überhaupt nicht nach 0815-Support. Stilistisch erinnern Dynarchy offenbar an London Grammar, die ich bisher ignoriert habe, daher ist das Hörensagenwissen. Da London Grammar aber so eindeutig von Daughter beeinflusst wurden und ich die immer mal wieder in den Dynarchy-Liedern raushörte, scheint der Vergleich nicht ganz falsch zu sein. Ähnliche Musik machen auch Kafka Tamura, die ich sehr schätze. Diese tollen verträumt-sphärischen Gitarren, dazu die elektrischen Beats und die leicht soulige Stimme von Sängerin Nadjana Gaffron, das hat eine ganze Menge Charme und sicher auch Potential.
Nadjana spielt auch Bass und Keyboard, dazu kommen Gitarrist Daniel Schmidt Schlagzeuger Ruben Hartwig, der dem Frühling nicht richtig traute und T-Shirt und Schal trug. Die neun Lieder plus Zugabe stammten zum Großteil vom Debüt der Band, das bereits 2015 erschienen ist und sich lohnt!
Setlist Dynarchy, Bedroomdisco, Darmstadt:
01: Lumina
02: Warrior
03: Lay me down
04: Gravity
05: Aleph
06: Blossom
07: Moving
08: Iceland
09: Kyra
10: Mantra of courage (Z)
Im August in York hatten Desperate Journalist schon vier neue Lieder gespielt, eines davon war I try not to, mit dem sie auch heute begannen. Dabei war der Ton noch etwas zurückhaltend leise, trotz der guten Soundanlage des Tonstudios hörte es sich nach angezogener Handbremse an. Das gab sich aber glücklicherweise schnell, denn Desperate Journalist sind eine Band, die man am besten laut hört. Die Konzerte der vier Musiker sind gerade deshalb so toll, weil die Lieder so druckvoll gespielt werden. Hauptschuld daran hat natürlich Jo Bevans irre tolle Stimme aber es wäre idiotisch, sich nur auf die zu konzentrieren, weil da drei fabelhafte Musiker neben der kurzhaarigen Sängerin auf der Bühne stehen: Schlagzeugerin Caz Hellbert, Gitarrist Robert Hardy und Bassist Simon Drowner.
Einen Unterschied zwischen dem ersten Album und Grow up hört man live besonders gut, die treibenden Beats vieler der Lieder. Bei Why are you so boring? ist das besonders deutlich. Dadurch sind Desperate Journalist einen Tick popiger geworden als auf dem ersten Album. Die wavigen Gitarre und Bass dazu - und Jos Stimme - verhindern aber, daß es ein zu krasser Stilwechsel wird.
Nach I try not to und dem grandiosen Happening vom Debüt spielten die Londoner Hollow, eine der Vorabsingles, die immer besser wird, je öfter ich sie höre. Dann Why are you so boring? und Lacking in your love. Mit zwei Alben und einer EP (bisher) hat die Band mittlerweile ein Repertoire, das Nur-Hits-Konzerte ermöglicht. Mal kurz rausgehen, um eine zu rauchen (gut, das ist bei Open-Air-Konzerten eh nicht so relevant), geht nicht mehr.
DJ spielten fast das ganze neue Album. Und jedes Lied hat totale Liveberechtigung, sie sind alle toll. Zwar waren die offensichtlichen (Hollow, Resolution) besonders gut, aber die nahmen sich alle nichts. Be kind ("I don't wanna be kind", darüber freue ich mich bei jedem Hören). Dazwischen kamen immer mal wieder Stücke der ersten Platte - auch da die Hits, Cristina, Happening, Control und Distance in einer neuen Version mit ähnlichem Beat wie bei einigen der neuen Songs.
Zur ersten Zugabe kamen erst nur Rob und Jo zurück. Da mußte man nicht lange überlegen, welches Lied das werden würde, Radiating, das letzte Lied der Platte ist eine mit Klavier instrumentierte Ballade. Klavier gab es keins, also spielte Rob Gitarre. Die Version gefiel mir auch so hervorragend! Danach kamen die beiden anderen zurück und spielten das logische Abschlußlied Resolution (über Neujahrsvorsätze). Gottseidank hörten sie aber das "sie haben mein Lieblingslied Organ nicht gespielt" neben mir und beendeten damit das Konzert.
Desperate Journalist werden noch weiter wachsen, und es ist sehr verdient!
Setlist Desperate Journalist, Bedroomdisco, Darmstadt:
01: I try not to
02: Happening
03: Hollow
04: Why are you so boring?
05: Lacking in your love
06: Be kind
07: Control
08: Your genius
09: Distance
10: Cristina
11: All over
12: Radiating (Z)
13: Resolution (Z)
14: Organ (Z)
Links:
- aus unserem wachsenden Desperate-Journalist-Archiv:
- Desperate Journalist, York, 05.08.16
- Desperate Journalist, Köln, 30.03.16
- Desperate Journalist, Ripley, 25.07.15
Tourdaten Desperate Journalist:
09.04. Freiburg, Slow Club
11.04. Stuttgart, Goldmarks
12.04. Köln, Blue Shell
13.04. Hamburg, Grüner Jäger
14.04. Leipzig, Ilses Erika
15.04. Bremen, Lagerhaus
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