Sonntag, 14. April 2013

Troy Von Balthazar, Frankfurt, 13.04.13


Konzert: Troy Von Balthazar & The Loodies (Bedroomdisco)
Ort: Café Hoppenworth & Ploch, Frankfurt
Datum: 13.04.2013
Zuschauer: ca. 120
Dauer: Troy Von Balthazar gut 60 min, The Loodies 47 min



"I do make friends easily. I put them to work like machines for me. They're always home and always free" oder "You're just like the rest of us, you're colorless" sang Troy Von Balthazar mit leidender Stimme, bevor er etwas anderes ankündigte. "Now I wanna play a sad song. The ones before were so happy!"



Wenn man den zierlichen Amerikaner nicht kennt, käme man nicht auf die Idee, den Urheber dieser schrecklich düsteren aber auch wunderschönen Musik vor sich zu haben. Als Troy vor seinem Auftritt in seiner komischen grünen Jacke durch das Café Hoppenworth & Ploch auf dem Campus der Frankfurter Universität lief, hätte man ihn auch für den Pastor der ESG halten können, zumindest aber für einen freundlichen, vielleicht ein wenig langweiligen Mann. Nicht für den Rockstar und Frontmann von Chokebore, der Band, die Nirvana auf ihrer letzten US-Tour supportet hat (und deren T-Shirts Kurt Cobain getragen hat).

Als sich Troy seine E-Gitarre umschnallte und Took some $$ von seinem 2006er Album begann und mit Hilfe seiner Loopmaschine und seiner außergewöhnlichen Stimme dieses wundervolle Stück vortrug, merkte man, daß der Versicherungsvertreter, der dieser schüchterne Mann auch hätte sein können, spätestens jetzt verschwunden war.



Die ersten Lieder spielte Troy Von Balthazar so - am rechten Rand der Bühne mit seiner E-Gitarre und geloopten Melodien. Seit einigen Jahren ist dieses Live-Aufnehmen von kleinen Liedteilen, die dann schichtweise die Stücke aufbauen ja weit verbreitet. Owen Pallett, Dear Reader und viele andere setzen diese Technik gerne ein. So perfekt wie beim Auftritt des aus Hawaii stammenden Sängers habe ich aber noch kein Geloope erlebt. Dabei loopte Troy nicht nur seine Gitarre sondern auch ein auf dem Boden liegendes Keyboard und Gesangsteile. 

Noch viel großartiger - aber genauso unauffällig - war die Art, wie Troy seine Lieder beendete. Die meisten Titel ließ er ausfaden. Er spielte und sang sie immer leiser, benötigte keine Absprachen mit seinem Soundmann. Toll war das!



Das als traurig angekündigte Stück war Tone clusters - und es war unfassbar schön! Am Ende hob Von Balthazar den Arm in die Höhe und blickte (besonders) leidend nach oben. 

Danach setzte sich der Sänger auf einen Stuhl, knipste eine Tischleuchte an und spielte dort weiter. Zunächst lief aber eine Frauenstimme von Band, die das, was Troy eine Ecke später in seinem Song The tigers singen sollte, wiedergab. "I love the music but I hate the pain. I drink to keep the tigers away." Als der Amerikaner die Frauenstimme ablöste, sang er von einem Dämonen, der ihn begleitete und von seinem bedeutungslosen Leben. Draußen schien da noch die Sonne an diesem ersten schönen Tag des Jahres.

Applause vom aktuellen Album spielte Troy auf einem "für einen Zwerg oder ein Kind gebauten" Klavier. Zeilen wie "we deserve an award for being so evil" zu einer Spielzeug-Piano Melodie, das fasst den Auftritt von Troy Von Balthazar gut zusammen.

Daß auch ein Lied, das Tropical heißt und von seiner Heimat Hawaii handelt, sich dann überhaupt nicht nach Sommer anhörte, war dann auch nicht mehr überraschend. In dem Stück heißt es eben nicht "I am tropical" sondern "I wanna be tropical." Und die wahnwitzig traurige Melodie, zu der ein lautes Metronom klackte, erinnerte an I Like Trains, über die Konstantin Gropper einmal sagte, daß seine Band dagegen nach Mallorcamusik klinge.

Als sich Troy wieder hinstellte, spielte er die besten Lieder des Auftritts. Queen of what? von neuen Album beeindruckte mich sehr. Spektakulärer war nur noch das schon früh angekündigte The tigers, zu dem Troy (der eigentlich Bruno heißt bzw. als Bruno auf die Welt kam) auf den Verstärker stieg, einen kleinen Ghettoblaster und Schellen in die Hände nahm und sich wie ein Bobybuilder aufbaute. "I drink to keep the tigers away." Großartig!

Und dann gab es doch noch ein fröhliches Lied, für das sich Troy fast entschuldigte. "I wrote once a happy song. I woke up and there it was."

Ein wirklich eindrucksvoller Auftritt des enorm sympathisch wirkenden Manns, der in seinem Leben offenbar so viel mehr erlebt hat, als man ihm ansieht. "I wrote this song while I was living in my car," kündigte er die zweite Zugabe Wings an. Aber die Sitze seien bequem gewesen.

Setlist Troy Von Balthazar, Bedroomdisco, Frankfurt:

01: Took some $$
02: Tiger vs. pigeon
03: Rainbow
04: Communicate
05: Tone clusters
06: I block the sunlight out
07: White sailboat
08: Purple gold eye
09: Applause
10: Tropical
11: Magnified (?)
12: Zeros
13: Queen of what?
14: The tigers
15: Heroic little sisters

16: You, when you're drunk (Z)
17: Wings (Z)


Die Band, die ursprünglich vor Troy auftreten sollte, The Loodies aus Montréal, hatte den Auftritt des Hawaiianers auf einem Sofa links neben der Bühne angesehen. Als Chokebore mit Nirvana auf Tour waren, waren die Kanadier noch nicht auf der Welt, sie sind 18. Die Frisur des Sängers verdeutlichte dies. Sobald sie ihr erstes Lied angestimmt hatten und das irgendwann einen Bruch erlebte und herrlich dramatisch weiterging, standen die ersten Münder offen. Diese Musik stammt von so einer jungen Band? Mich erinnerten die Stücke der Loodies mal an ihre Landsleute Malajube, mal an British Sea Power.



Genauso großartig wie das erste Stück Hidden youth (sie treffend!) war Black waves, das auch von Debüt der Band stammt - oder das neue Lied, das sie als dritten Song spielten, und das noch keinen Text hat.



Womit ich mich etwas schwer tat, waren die Stimmen von Sänger Ludovic und Keyboarderin Lysandre Ménard, die gewöhnungsbedürftig sind. Je häufiger ich ihre Lieder auf Platte höre, desto besser gefallen sie mir. Beim Konzert überzeugten mich die Kompositionen und das professionelle Spiel der fünf Kanadier mehr. In dem Zusammenhang ist übrigens "Keyboarderin" Unsinn. Lysandre spielte so virtuos auf ihrem Nord-Piano, daß ich davon ausgehe, daß die junge Frau ausgebildete Pianistin ist. Auch ihre Begleiter klangen alle so, als könnten sie sofort jeden Part in Bands wie Arcade Fire, Sigur Ros oder Get Well Soon übernehmen. Wenn sie nicht alles falsch machen, werden die Loodies (im Indie Genre) Karriere machen!


Besonders toll wurde es immer, wenn Gitarrist Jérémy seine Gitarre wegstellte und zur Trompete griff! Er trug zwar am Anfang den schauderhaftesten Pulli, den ich je gesehen habe, spielt aber musikalisch eine wichtige Rolle.

Im Gegensatz zu Troys Stücken endeten die der Loodies oft sehr plötzlich - das Konzert aber nicht. Auch die eigentliche Vorgruppe spielte zwei Zugaben, auch eine auf französisch, und wurden danach vom vollen Café gefeiert. 

Toll, toll, toll, wie stilsicher die Bedroomdisco-Macher den Abend wieder einmal zusammengestellt haben!

Setlist The Loodies, Bedroomdisco, Frankfurt:

01: Hidden youth
02: The jugger
03: (instr.) (neu)
04: Coline
05: Black waves
06: Sunday
07: Hour of the wolf
08: Help me on
09: The anchor
10: ?

11: La petite mort (Z)
12: The thief (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Troy von Balthazar, Paris, 20.03.13
- Troy von Balthazar, Karlsruhe, 28.11.12
- Troy von Balthazar, Paris, 15.04.11
- Troy von Balthazar, Paris, 31.03.11
- Troy von Balthazar, Paris, 23.11.09*
- Troy von Balthazar, Paris, 18.04.09
- Troy von Balthazar, Paris, 04.12.06



7 Kommentare :

Guiddo hat gesagt…

ein mehr als gelungener Abend. Da kann man nur sagen:"Bravo Bedrommdisco", macht weiter so und entzückt uns mit so tollen Künstlern in mehr als angenehmer Atmosphere.

Guido hat gesagt…

wieder vertippt, aber was soll´s

Christoph hat gesagt…

Wenn man die Hälfte vergisst, muß man sich selbst kommentieren...

Mir wurde gestern gleich zweimal schmerzhaft bewußt, wie riesig der Unterschied zwischen den Musikszenen bzw. dem Durchschnittsgeschmack in Kanada und Deutschland ist. Einmal durch den Auftritt der Loodies und dann schon auf der Hinfahrt, als ich durch fehlenden DLF Empfang SWR3 Nachrichten hören musste und da verkündet wurde, daß das Southside Festival ausverkauft ist (was ja gut ist). Die drei Bands, die da als Beispiele genannt wurden, waren aber Rammstein, Deichkind und Max Herre. Und nicht etwa The National, Sigur Ros und Portishead.

Oliver Peel hat gesagt…

Ganz toller Bericht, Christoph! Wir dürfen uns ja auch mal untereinander loben.

E. hat gesagt…

ach, den troy würde ich in solo auch gern sehe wollen. bislang hatte ich nur das chokebore vergnügen. was zweifelsohne auch nicht übel war.

Anonym hat gesagt…

tja, "bravo bedroomdisco" - das auch nur, solange man bei den dubiosen verlosungen gewinnt. ein problem, das hippe konzertblogger selbstredend nicht kennen.

Christoph hat gesagt…

Ich kann halt schlecht über die vielen Konzerte schreiben, für die ich keine Karten gewonnen habe.

Aber den hippen Konzertblogger nehme ich mal als Kompliment.

 

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