Samstag, 27. April 2013

Johnossi, Wiesbaden, 23.04.2013

Konzert: Johnossi
Support: Amanda Jenssen 
Ort: Schlachthof Wiesbaden 
Datum: 23.04.2013 
Zuschauer: ca. 1000 
Dauer: Amanda Jenssen (ca. 25min), Johnossi (ca. 90min) 



 „Wo bleibt das Schlachterfeeling?“ - dieser wahnsinnig fesche Stempelabdruck zierte nach zweitägigem erfolglosen Versuch ihn abzuschrubben immer noch mein Handgelenk und ungefähr diese Frage hat sich anscheinend auch Johnossi-Frontmann John Engelbert im Laufe des Konzerts manchmal gestellt zu haben – doch dazu kommen wir gleich. Da ich dieses Jahr bereits mit Biffy Clyro und Sizarr direkt auf der anderen Seite des Rheins verwöhnt wurde, hat der Schlachthof inklusive seines Bookers schon längst einen festen Platz in meinem Herzen, und somit war klar, dass ich mir auch Johnossi, da ich sie bisher noch nicht live gesehen hatte, nicht entgehen lassen wollte. 

Zum Support-Act, der Schwedin Amanda Jenssen, waren bereits genug Menschen versammelt, damit es nicht allzu sehr auffiel, dass die Halle recht leer war - an den Seiten und im hinteren Teil der Halle war jedenfalls noch überraschend viel Platz. Amanda Jenssen ist eine schwedische Pop-Sängerin, die auf ihrer Facebook-Seite erstaunlich hochgegriffene Referenzen bzw. Einflüsse von Edith Piaf, Nina Simone und Nick Cave bis hin zu Ella Fitzgerald auflistet. Auf der Bühne erschien dann eine blonde junge Frau, die stimmlich nicht nur nach Adele, sondern wie Adele klingt, gemischt mit ein bisschen Amy Winehouse. Outfitmäßig hatte ich sie leider nach wenigen Sekunden bereits gnadenlos abgestempelt, da ich die glitzernden Schmetterlingsapplikationen (oder was auch immer das eigentlich sein sollte) über ihren lady parts einfach vollkommen unnötig fand – dementsprechend sah ich trotz beachtlicher stimmlicher Darbietung leider nur einen Abklatsch von Lady Gaga & Co. vor mir bzw. viel mehr einen perfekt konzipierten Pop-Hybrid à la „wir nehmen mal ein bisschen Gaga, performen musst du dann ähnlich ausgeflippt wie Florence Welch, vielleicht noch ein wenig Katy Perry und Marina & the Diamonds und voilà: dein Image steht.“ Um es auf den Punkt zu bringen: handwerklich, vor allem stimmlich, möchte ich Amanda Jenssen kein Unrecht zufügen, aber ihre Show habe ich ihr einfach nicht abgekauft. Für den Großteil des Publikums schien es aber zu funktionieren, da es nach dem sehr kurzen 25-minütigen Set deutlichen Zuspruch gab und ich immerhin ehrlich für die extrem coole Gitarristin und den Keyboarder von Amanda Jenssen applaudieren konnte, da die beiden eine solide und weitaus weniger aufgesetzte Show abgeliefert hatten. 

Johnossi hatte es an diesem Abend zum ersten Mal nach Wiesbaden verschlagen, wie Frontmann John eingangs bemerkte. Die beiden Schweden waren gekommen um ihr Ende März erschienenes viertes Studioalbum „Transitions“ zu präsentieren und eröffneten ihr Set vielversprechend laut und kraftvoll mit „Into the Wild“. Vielleicht nicht die kreativste Wahl, da „Into the Wild“ das erste Lied auf dem neuen Album ist, aber definitiv eine sehr gute Wahl. Johns Stimme ist haargenau so kratzig-markant, wie man es auf den Alben erahnen kann und wie meine Begleitung es so schön auf den Punkt brachte, klingt das schon „ziemlich geil“. Der 6-minütige Opener ist einer dieser Songs, die sich langsam an einen heranschleichen und dann nach etwa 3 Minuten in ein klangliches Feuerwerk übergehen, das in Stadionrockmanier mit wenigen großangelegten, aber sehr effektvollen Bühnenscheinwerfern in Szene gesetzt wurde, sodass es sowohl akustisch, als auch optisch kein Entkommen gab. Den Fokus zunächst auf das neueste Album legend, ging es genauso überzeugend mit „Gone Forever“ weiter. Charmanterweise moderierte John ein weiteres sehr eingängiges Stück des neuen Albums namens „Everywhere (with you man)“ an, indem er es seinem Bandkollegen Oskar „Ossi“ Bonde widmete und die Dynamik innerhalb des Duos, wie sie sich dem Publikum an diesem Abend darstellte, treffend auf den Punkt brachte. Johnossi sind ein gut eingespieltes Team, das live durch einen dritten Mann an Keyboards und Percussion ergänzt wird. Obwohl ich das Gesicht des Drummers erst ganz am Ende sehen konnte, da er die ganze Zeit hinter einem seiner, wie ich vermute Crash-Becken (man korrigiere mich bitte, falls nötig!) versteckt war, war er deutlich die treibende Kraft hinter den Songs. Für mich persönlich funktionierten vor allem die Stücke von „Transitions“ live sehr gut und wenn ich mich so umblickte bzw. umhörte, dann schienen die zahlreichen Fanboys, die lautstark mitsangen, mitsprangen und sich gegenseitig begeistert in den Armen lagen, auch ihren Spaß zu haben. Genau deshalb hat es mich auch verwundert, dass Mr. Engelbert häufiger monierte, dass das Publikum doch so ruhig sei.

Nachdem einige „Come on!“s und „Hey!“s für ihn anscheinend nicht die gewünschte Wirkung zeigten – und ich muss ganz klar sagen, dass ich schon Konzerte mit weitaus schlechterer Stimmung erlebt habe, aber vielleicht sehen wir uns hier tatsächlich mit einer kulturellen Kluft konfrontiert – gipfelte sein Lamentieren diesbezüglich dann in einer versierten, jedoch etwas fragwürdigen Aussage: „I feel like I am in the matrix, it's like nobody is ever fucking waking up!“. Ich dachte erst, dass ich mich verhört habe und wenn ich auch meine Hand nicht ins Feuer legen würde, was den genauen Wortlaut angeht, so war die Botschaft so oder so meiner Meinung nach nicht besonders lustig, sondern eher unangemessen aggressiv. Bis zu diesem Zeitpunkt fand ich die Show gut gelungen, eine solide Performance und alle Anwesenden schienen ihren Spaß zu haben, doch ich lege besonderen Wert darauf, dass Fans immer noch selbst entscheiden dürfen, ob sie jetzt lautstark ekstatisch Ausrasten oder lieber stillschweigend genießen und ich bin kein Fan von Frontmännern, die dann Animation mit Aggression verwechseln.

Bis auf diese seltsame Aussage ein gelungenes Konzert. Leider wurden die Fans so schnell vor die Tür gesetzt, dass niemand eine Setlist ergattern konnte – schade und unnötig, wie ich finde, da die 5 Minuten dann auch nicht den großen Unterschied machen. Dank setlist.fm gibt es nun immerhin die Setlist des Konzerts in Karlsruhe vom Vortag, die meiner Meinung nach unverändert übernommen wurde.


Setlist, Johnossi, Schlachthof Wiesbaden, 23.04.2013:

01: Into the wild
02: Gone forever
03: Bobby
04: Everywhere (with you man)
05: Party with my pain
06: Execution song
07: For a little while
08: Worried ground
09: Roscoe
10: Alone now
11: E.M.
12: Dead end
13: Glory days to come

14: 18 karat gold (Z)
15: Seventeen (Z)
16: What's the point (Z)

3 Kommentare :

sim hat gesagt…

Ich war beim Konzert im Substage in Karlsruhe. Dort war die Stimmung bestens! Es hat richtig Spaß gemacht; das Publikum hat getanzt und mitgesungen.

Ein Vorteil für KA war sicher dass die Band bereits zum dritten Mal in der Stadt war und sie den Karlsruhern (und Freiburgern und Stuttgartern und was sonst noch auf dem Parkplätzen stand...) besser vertraut waren.

Nach der Zugabe hat das Publikum 'Man must dance' gefordert. Leider ohne Erfolg :(

Ich war ehrlich gesagt froh als Amanda Jenssen fertig war. Erst beim letzten Song hat es langsam angefangen, etwas zu gefallen.

Nummer Neun hat gesagt…

Sie spielen tatsächlich nicht mehr ihren größten Hit live?

dd hat gesagt…

Ich kann den Beitrag zum Johnossi-Konzert im Prinzip vollständig unterschreiben, insbesondere die Stempel-Sache! ;)

Ich persönlich finde jedoch das neue Albumn deutlich schwächer als die Vorgänger, daher war ich recht froh, dass sich doch viele alte Sachen im Set wiederfanden. Sehr enttäuscht war ich auch, dass »Man must dance« nicht dabei war. Damit war ich auch nicht allein.

Dennoch unterm Strich ein guter Abend.

 

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