Konzert: Interpol
Ort: Le Zénith, Paris
Datum: 15.03.2011
Zuschauer: nicht ausverkauft
Konzertdauer: gut 80 Minuten
Das Vorspiel soll ja eigentlich dazu dienen, die Lust anzuregen. Matthew Dear mit seinem öden 1980er Jahre Elektropop bewirkte aber genau das Gegenteil. Es war, als wäre einem ein Eimer kaltes Wasser über den Schwanz geschüttet worden. Anstatt für den Hauptakt gewappnet und heiß zu sein, war man abgetörnt und kühl.
Zäh und eher mechanisch steril deshalb auch der Beginn des Sets von Interpol. Drummer Sam Fogarino trommelte wie eine Marionette und der Opener Success verpuffte wirkungslos. Auch Say Hello To The Angels, eigentlich ein postpunkiger Abräumer par excellence, stach nicht und sorgte kaum für Bewegung im Rund. Kein Vergleich zum Highfield- Festival vor ein paar Jahren, als genau dieses Lied tausende Leute zum wilden Abtanzen trieb. Woran es lag konnte ich eigentlich gar nicht genau sagen. Der Sound war präzise, klar und nicht zu breig, die Stimme von Paul Banks bestens geölt und die Gitarrenriffs von Daniel Kessler gewohnt melodisch und technisch perfekt dargeboten. Den Bass, für den ein neuer, mir unbekannter Musiker verantwortlich war, hörte man allerdings kaum. David Pajo hatte den Gründungsbasser Carlos D im Trabendo noch gut ersetzt, aber heute merkte man, daß ein Spitzenmusiker von Carlos Schlage auf dieser Position fehlte.
Irgendwie überkam mich das ungute Gefühl, das heute eine Enttäuschung möglich war. Wohlgemerkt: ich bin Hardcore Fan, mag Interpol über alles, kenne jedes Album in und auswendig.
Mit Hands Away wurde aber allmählich die Wende eingeläutet. Gerade zu Beginn des Songs hatte die famose Stimme von Paul Banks genügend Luft, sich zu entfalten. Sein durch Mark und Bein gehender Nörgel-Bariton erfüllte die Halle und versetzte mir erste emotionale Wallungen. Diese Mischung aus Stolz und Verletzheit in seiner Stimme ist einzigartig, Banks ist der David Bowie der 00er Jahre, elegant, mysteriös, unnahbar, charismatisch. Auch die Instrumentierung bei Hands Away wusste zu gefallen. Die Gitarren bauten sich schleifenförmig auf und endlich hatte das Ganze genügend Volumen, um eine große Location wie das Zenith zu beschallen. Sam Fogarino trommelte unterdessen weiterhin wie ein Aufziehmännchen und sein Punch wurde härter und härter. "Peng, peng, peng", er peitschte unerbitterlich und war dabei präzise wie ein Schweizer Uhrwerk.
Bei Rest My Chemistry wurden heroische Gitarrenmelodien hochgezogen, wie man sie auf der Konserve nicht findet. Aus dem passablen, aber nicht überragenden Albumtitel von Our Love To Admire haben Interpol live einen packenden Song hinbekommen, denn sie vielschichtig und wuchtig umsetzen und zum Highlight werden ließen. Drei Stücke später kam mit Lights auch der wohl beste Songs des vierten Longplayers. Unscheinbar startend wurde die Nummer im weiteren Verlaufe immer aggressiver, angrifflsustiger und spannungsgeladener. Plötzlich wurde ein unsichtbarer Schalter umgelegt. Interpol hatten mich nun gepackt, sich wie eine dicke Würgeschlange um meinen Hals geschlungen und ließen mich aus diesem Klammergriff bis zum Ende nicht mehr entkommen. Der Sound der postpunkigen Gitarren und die Grabesstimme von Paul Banks berauschten mich von nun an über alle Maßen. Ich fühlte mich wie ein gelangweilter und missverstandener Jugendlicher auf der Suche nach einem Kick, der nun reichlich Stoff und Adrenalinstöße frei Haus geliefert bekam. Cool, daß mit dem treibenden C'mere dann das Tempo angezogen wurde und die Band mir weitere Dosen Hochprozentiges infiltrierte. Da war er, der ersehnte Rausch, der Endorphinausstoß, die Extase! Aber - und das ist das packende bei Interpol, immer mit dieser tiefen Melancholie versetzt, die bewirkt, daß man in seinem bekifften Zustand losheulen will. Ein Wechselbad der Gefühle, ein Psychococktail, an dem sich wahrscheinlich nur Leute besaufen können, die wie ich die Platten bis zum Abwinken gehört haben und trotzdem immer wieder von diesem seltsamen, suiziden Gefühl angezogen werden, der die Alben durchzieht.
NYC schürte die Emotionen immer weiter. Eine ruhige Nummer, die aber trotz der Größe der Location nicht verpuffte, sondern durch ihren sphärischen Charakter einen Breitwandsound an die Decke malte, der gut ins Zenith passte. Idealerweise wurde mit dem schmissigen Heinreich Manouver dann ein Uptempo-Song hinterhergeschickt, der aufrüttelte.
Dramaturgisch passend auch, daß mit der Granate Not Even Jail der offizielle Teil abgeschlossen wurde.
Für den Zugabenblock erhoffte ich mir Leif Erikson und Roland, wusste aber durch Internet- Recherche nur allzu genau, daß es eher die mittelmäßig spektakulären Untitled und The New werden würden und so war es dann auch. Zu verschmerzen, denn mit Slowhands und Obstacle 1 hauten sie zum großen Finale dann noch mal zwei ihrer größten Hits raus, bei den auch das insgesamt recht lahme Publikum endlich mal besser mitging, hüpfte, klastchte und gröhlte.
Unter dem Strich stand nach gut 80 Minuten dann das bisher beste von drei Interpol Konzerten, die ich im Zenith gesehen hatte. An die Dichte des Auftritts im kleinen Club Trabendo (Kapazität 600 Leute) oder im nicht größeren Cabaret Sauvage kam der Gig feilich nicht ganz heran, was ich allerdings auch nicht erwartet hatte.
Interpol bleiben im Bereich Indierock eine Bank. Kein Wunder, sie haben ja auch Paul Bank (s).
Die Reime von Reimer werden schlecht, Zeit ins Bett zu gehen.
Setlist Interpol. Le Zénith, Paris, 2011:
01: Success
02: Say Hello To The Angles
03: Narc
04: Hands Away
05: Barricade
06: Rest My Chemistry
07: Evil
08: Lenghth Of Love
09: Lights
10: C'mere
11: Summer Well
12: NYC
13: The Heinrich Maneuver
14: Memory Serves
15: Not Even Jail
16: Untitled
17: The New
18: Slow Hands
19: Obstacle 1
Aus unserem Archiv:
Interpol, München, 12.03.11
Interpol, Dortmund, 22.10.10
Interpol, Paris, 17.09.10
Interpol, Montreux, 16.07.08
Interpol, Brüssel, 23.11.07
Interpol, Paris, 21.11.07
Interpol, Köln, 19.11.07
Interpol, Hohenfelden, 17.08.07
Interpol, Köln, 11.05.07
Interpol, Paris, 10.05.07
Zäh und eher mechanisch steril deshalb auch der Beginn des Sets von Interpol. Drummer Sam Fogarino trommelte wie eine Marionette und der Opener Success verpuffte wirkungslos. Auch Say Hello To The Angels, eigentlich ein postpunkiger Abräumer par excellence, stach nicht und sorgte kaum für Bewegung im Rund. Kein Vergleich zum Highfield- Festival vor ein paar Jahren, als genau dieses Lied tausende Leute zum wilden Abtanzen trieb. Woran es lag konnte ich eigentlich gar nicht genau sagen. Der Sound war präzise, klar und nicht zu breig, die Stimme von Paul Banks bestens geölt und die Gitarrenriffs von Daniel Kessler gewohnt melodisch und technisch perfekt dargeboten. Den Bass, für den ein neuer, mir unbekannter Musiker verantwortlich war, hörte man allerdings kaum. David Pajo hatte den Gründungsbasser Carlos D im Trabendo noch gut ersetzt, aber heute merkte man, daß ein Spitzenmusiker von Carlos Schlage auf dieser Position fehlte.
Irgendwie überkam mich das ungute Gefühl, das heute eine Enttäuschung möglich war. Wohlgemerkt: ich bin Hardcore Fan, mag Interpol über alles, kenne jedes Album in und auswendig.
Mit Hands Away wurde aber allmählich die Wende eingeläutet. Gerade zu Beginn des Songs hatte die famose Stimme von Paul Banks genügend Luft, sich zu entfalten. Sein durch Mark und Bein gehender Nörgel-Bariton erfüllte die Halle und versetzte mir erste emotionale Wallungen. Diese Mischung aus Stolz und Verletzheit in seiner Stimme ist einzigartig, Banks ist der David Bowie der 00er Jahre, elegant, mysteriös, unnahbar, charismatisch. Auch die Instrumentierung bei Hands Away wusste zu gefallen. Die Gitarren bauten sich schleifenförmig auf und endlich hatte das Ganze genügend Volumen, um eine große Location wie das Zenith zu beschallen. Sam Fogarino trommelte unterdessen weiterhin wie ein Aufziehmännchen und sein Punch wurde härter und härter. "Peng, peng, peng", er peitschte unerbitterlich und war dabei präzise wie ein Schweizer Uhrwerk.
Bei Rest My Chemistry wurden heroische Gitarrenmelodien hochgezogen, wie man sie auf der Konserve nicht findet. Aus dem passablen, aber nicht überragenden Albumtitel von Our Love To Admire haben Interpol live einen packenden Song hinbekommen, denn sie vielschichtig und wuchtig umsetzen und zum Highlight werden ließen. Drei Stücke später kam mit Lights auch der wohl beste Songs des vierten Longplayers. Unscheinbar startend wurde die Nummer im weiteren Verlaufe immer aggressiver, angrifflsustiger und spannungsgeladener. Plötzlich wurde ein unsichtbarer Schalter umgelegt. Interpol hatten mich nun gepackt, sich wie eine dicke Würgeschlange um meinen Hals geschlungen und ließen mich aus diesem Klammergriff bis zum Ende nicht mehr entkommen. Der Sound der postpunkigen Gitarren und die Grabesstimme von Paul Banks berauschten mich von nun an über alle Maßen. Ich fühlte mich wie ein gelangweilter und missverstandener Jugendlicher auf der Suche nach einem Kick, der nun reichlich Stoff und Adrenalinstöße frei Haus geliefert bekam. Cool, daß mit dem treibenden C'mere dann das Tempo angezogen wurde und die Band mir weitere Dosen Hochprozentiges infiltrierte. Da war er, der ersehnte Rausch, der Endorphinausstoß, die Extase! Aber - und das ist das packende bei Interpol, immer mit dieser tiefen Melancholie versetzt, die bewirkt, daß man in seinem bekifften Zustand losheulen will. Ein Wechselbad der Gefühle, ein Psychococktail, an dem sich wahrscheinlich nur Leute besaufen können, die wie ich die Platten bis zum Abwinken gehört haben und trotzdem immer wieder von diesem seltsamen, suiziden Gefühl angezogen werden, der die Alben durchzieht.
NYC schürte die Emotionen immer weiter. Eine ruhige Nummer, die aber trotz der Größe der Location nicht verpuffte, sondern durch ihren sphärischen Charakter einen Breitwandsound an die Decke malte, der gut ins Zenith passte. Idealerweise wurde mit dem schmissigen Heinreich Manouver dann ein Uptempo-Song hinterhergeschickt, der aufrüttelte.
Dramaturgisch passend auch, daß mit der Granate Not Even Jail der offizielle Teil abgeschlossen wurde.
Für den Zugabenblock erhoffte ich mir Leif Erikson und Roland, wusste aber durch Internet- Recherche nur allzu genau, daß es eher die mittelmäßig spektakulären Untitled und The New werden würden und so war es dann auch. Zu verschmerzen, denn mit Slowhands und Obstacle 1 hauten sie zum großen Finale dann noch mal zwei ihrer größten Hits raus, bei den auch das insgesamt recht lahme Publikum endlich mal besser mitging, hüpfte, klastchte und gröhlte.
Unter dem Strich stand nach gut 80 Minuten dann das bisher beste von drei Interpol Konzerten, die ich im Zenith gesehen hatte. An die Dichte des Auftritts im kleinen Club Trabendo (Kapazität 600 Leute) oder im nicht größeren Cabaret Sauvage kam der Gig feilich nicht ganz heran, was ich allerdings auch nicht erwartet hatte.
Interpol bleiben im Bereich Indierock eine Bank. Kein Wunder, sie haben ja auch Paul Bank (s).
Die Reime von Reimer werden schlecht, Zeit ins Bett zu gehen.
Setlist Interpol. Le Zénith, Paris, 2011:
01: Success
02: Say Hello To The Angles
03: Narc
04: Hands Away
05: Barricade
06: Rest My Chemistry
07: Evil
08: Lenghth Of Love
09: Lights
10: C'mere
11: Summer Well
12: NYC
13: The Heinrich Maneuver
14: Memory Serves
15: Not Even Jail
16: Untitled
17: The New
18: Slow Hands
19: Obstacle 1
Aus unserem Archiv:
Interpol, München, 12.03.11
Interpol, Dortmund, 22.10.10
Interpol, Paris, 17.09.10
Interpol, Montreux, 16.07.08
Interpol, Brüssel, 23.11.07
Interpol, Paris, 21.11.07
Interpol, Köln, 19.11.07
Interpol, Hohenfelden, 17.08.07
Interpol, Köln, 11.05.07
Interpol, Paris, 10.05.07
0 Kommentare :
Kommentar veröffentlichen