Montag, 19. Juli 2010

Mia Doi Todd u.a., Paris, 18.07.10


Konzert: Mia Doi Todd (Butch McKoy, Every Man Has Your Voice)

Ort: La Loge Paris
Datum: 18.07.10

Zuschauer: 80-100

Konzertdauer: pro Künstler gut 30 Minuten



"Mia ist noch nicht da!" Die junge Dame, die in der Pariser Loge für den Programmablauf verantwortlich ist, wirkt schon leicht panisch, als sie feststellt, daß die kalifornische Singer/Songwriterin Doi Todd noch nicht eingetroffen ist. Ob jemand ihre Telefonnummer habe, will man wissen, aber ich sage nichts, obwohl ich Mias Handynummer kenne. Zwei Minuten später kommt die dunkelgelockte Chanteuse dann endlich angetrabt, spaziert durch den schönen rechteckigen Innenhof und möchte als Erstes noch einmal schnell auf Toilette. Sie beeilt sich und steht schon kurze Zeit später auf der Bühne, auf der schon ihr Percussionist Joseph wartet. Mia bittet mich ein Foto von ihr mit ihrem Iphone zu schießen, sieht dann aber, daß ich meine Kamera dabei habe und packt ihr in eine schicke rosa Hülle gewickeltes Smartphone weg. "Will you send me the link to the pictures, Oliver? Klar will ich, gerne erfülle ich ihr diesen Wunsch! Wie könnte ich der charmanten Lady auch etwas verwehren, was mir Spaß macht? Fotos von Mia zu knipsen ist fun, schließlich ist die Kalifornierin sehr charismatisch und ausdrucksstark. Aber es geht natürlich nicht nur um das Sehen und die Optik, sondern vor allem um das Hören und die Emotionen, die die Musikerin schürt. Wunderbar sanft und warm ihre Stimme, glockenklar und traumhaft schön ihr sirenenhafter Gesang. Vergessen sollte man aber auch ihr filigranes Fingerpicking nicht, das gerade beim Song River Of Life besonders gut zur Geltung kommt. Mit ein paar gekonnten Griffen erzeugt sie eine knisternde Atmosphäre, die man so ähnlich von Nick Drake her kennt. Intim, betörend, nahegehend. Anmutig und elegant steht die zieriche Amerikanerin da auf der Bühne und zieht die Zuschauer, darunter Kultfilmer Vincent Moon, mit ihrem grazilen Vortrag in ihren Bann. Es ist mucksmäuschenstill im bestuhlten Saal und man könnte die vielzitierte Stecknadel fallen hören. Doi Todd spielt ein paar Kostproben ihrer umfassenden Diskografie - 7 Alben stehen bereits zu Buche, und performt auch Neuheiten, die auf dem kommenden Opus drauf sein werden, wie Paraty, Open Your Heart und das wundervoll-melancholische La Havanna. Am berührendsten finde ich aber Rise Above, das durch eine ungemein hübsche Gitarrenmelodie und die umwerfende Stimme Mias begeistert. Ich bin emotional sehr bewegt, mir geht der Song sehr nahe. Salziges Wasser steigt in meine Augen und meine Knie werden butterweich. "Can you fix it with your love, can you rise above?" wimmert die Sängerin die Zeilen des Refrains. Zum Schluß gibt es dann noch die musikalische Liebeserklärung an ihren schauspielenden Lover Jean-Marc Barr, der heute abend nicht dabei sei kann. My Baby Lives in Paris (far from the Eiffel Tower), was für ein entzückendes Kleinod! Der positivste und lebensbejahendste Song, den die schwer verliebte Mia je geschrieben hat. Der Beifall hierfür ist hochverdient und dann covert Doi Tood zum Abgang auch noch die Piaf (La Vie En Rose), Kompliment!

Setlist Mia Doi Todd, La Loge, Paris:

01: Paraty
02: Summer Lover
03: Under The Sun
04: Skipping Stones
05: La Havanna
06: River Of Live
07: Rise Above /Rising Tide
08: Open Your Heart
09: My Baby Lives In Paris

10: La Vie En Rose (Edith Piaf Cover)

Insgesamt ein sehr schöner Konzertabend, zu dem auch andere Akteure aktiv beigetragen haben. Eliote & The Ritournelles, die den Ball eröffnet hatten, hatte ich zwar verpasst, aber mit dem bärtigen Barden Butch McKoy kam ich noch in den Genuß eines spannungsgeladenen Sets, vorgetragen voller Inbrunst und mit 200 Sachen auf der Akustischen. Den Mann muss ich mir merken, er spielt auch bei den ebenfalls interessanten I Love UFO. Als letzte Gruppe performten schließlich die Franzosen Every Man Has Your Voice, die mir schon einmal im Vorprogramm von Anna Ternheim sehr positiv aufgefallen waren. Mein guter Eindruck wurde heute noch einmal bestätigt, das Trio bot eine eigenständige Mischung aus Folk und Post Rock feil und die Stimmen von Sänger Christoph und Sängerin Andrea (die ein zauberhaftes Sommerblümchenkleid trug!) ergänzten sich perfekt.

Aftershow: Globetrotter, und das sind nun einmal alle Musiker, sind auch in einer fremden Stadt nie ganz allein. So war es nicht weiter verwunderlich, daß zwei amerikanische Freundinnen von Mia beim Konzert vorbeischauten und auch der aus New York stammende Musiker Saul Williams zugegen war. Wir unterhielten uns angeregt im Foyer der Loge und zu uns gesellte sich auch Kultfilmer Vincent Moon (La Blogothèque). Vincent erzählte begeistert von einer außerordentlich tollen Bar, die hier gleich um die Ecke sei. Ob wir nicht Lust hätten, da noch vorbeizuschauen? Klar hatten wir, schließlich hatte uns der Franzose den Mund wässrig gemacht! Hoffentlich keine Schicki-Micki Bar, in die er uns da führte? Weit gefehlt! Wer Moon kennt, weiß, daß er in jeder Hinischt die alternativen und abgefahrenen Plätze dieser Erde heimsucht. So entpuppte sich dann auch der Laden (Le Petit Bar, so der Name) als eine unfassbar altmodische Pinte, in der eine weißhaarige alte Französin (etwa 85-90 Jahre!), bei Schummerlicht zusammen mit ihrer dicken Katze hinter dem gammeligen Tresen kauerte und ziemlich patzig fragte, was wir trinken wollen. Wir orderten fast alle Bier aus der Flasche und pflanzten uns auf die abgeranzten Barhocker. An den Wänden hing überall Nippes rum, es gab Papierchen, Zeitschriften Medikamente der betagten Dame, Postkarten, Fotos von Katzen und George Brassens und nach unten hängende Spirtuosenflaschen, die so aussahen, als hätten sie noch den zweiten Weltkrieg erlebt. Hinter mir zwitscherte im Dunkeln ein Kanarienvogel im Käfig. Ein abgefahrenes Szenario! Die dicke Katze kletterte unterdessen immer mal wieder auf den Tresen und ärgerte damit die Patronin. Diese packte sich mehrfach das Vieh und warf es laut schimpfend ("va t-en"-hau ab!) unsanft in ihr Körbchen zurück. Wir lachten uns kaputt und wären vor lauter Gekicher fast von den ollen Barhockern gefallen! Die Alte wollte dann auch noch wissen, wo wir her kämen, erfuhr, daß wir bis auf mich und Vincent Amerikaner seien und fragte krächzend in die Runde: "Wer ist denn der Deutsche?" Ich bekannte mich im Sinne der Anklage für schuldig, lächelte ihr zu und reichte ihr die Hand. Sie ergriff sie, bedankte sich bei uns für den Besuch und kassierte für sechs Getränke lediglich 20 Euro. Ein Spottpreis für Pariser Verhältnisse! Vincent Moon hatte Recht, die Bar war wirklich umwerfend cool! Woher er den Schuppen kannte? Nun, bevor er mit dem Filmen von Musik anfing, war er eher auf Fotografie spezialisiert (von ihm stammt das Coverfoto von Alligator by The National) und hatte sich von seinem Lehrmeister Michael Ackerman inspirieren lassen, der die alte Dame und ihre Bar kannte und dort auch Bilder ausgestellt hatte, die aber heute nicht zu sehen waren. Ackerman lebe jetzt in Berlin gab uns die Wirtin mit auf den Weg und wir verschwanden breit grinsend in die laue Pariser Nacht...



 

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