Dienstag, 20. Juli 2010

Belle & Sebastian, Latitude Festival, 17.07.10


Konzert: Belle & Sebastian

Ort: Latitude Festival
Datum: 17.07.2010
Zuschauer: 30.000
Dauer: 85 min



Wie oft hat man in den letzten Jahren gelesen "klingt wie Belle & Sebastian"? Die schottischen Indie-Pop-Könige sind der Maßstab für gute Popmusik und konnten es sich aufgrund ihrer herausragenden Position locker erlauben, vier Jahre zu pausieren. Seit 2006 haben Stuart Murdoch und Co. viele musikalische (und bastelnde, nämlich Sarah) Nebenprojekte wie God Help The Girl bearbeitet, die Hauptband hatte aber Pause. Schrecklich!

In den letzten Monaten erwachten Belle and Sebastian. Irgendwann wurde ein Album angekündigt, dann die ersten Tourtermine. Auf ihrer Website wird angezeigt, wann welcher Bereich zuletzt aktualisiert wurde. In der Rubrik Tour stand da als Datum immer ein Tag im Jahr 2006, ein deprimierender Anblick. Und dann kamen die ersten, heiß erwarteten Daten: Finnland, Norwegen, Südkorea, Indonesien - und dann das Latitude Festival...

Ich hatte vorher nicht nach irgendwelchen Setlisten gesucht, ich wollte mich überraschen lassen. Eines der neuen Lieder kannte ich durch ein youtube Video, sonst wußte ich nichts.

Es war knallvoll geworden auf dem riesigen Platz vor der Obelisk Stage. Obwohl die Sonne gerade unterging, war es noch sehr warm, am Himmel keine Wolke, perfekte Bedingungen also. Die erstaunlich frühe Anfangszeit der Headliner (zwischen 21.30 und 22.00 Uhr), die sicher nicht den Anwohnern geschuldet war, die nächsten waren nämlich Schafe, waren auch extrem angenehm.

Als die Band dann kam, herrschte eine enorm feierliche Stimmung, wieder einer dieser magischen Momente des Wochenendes, auch wenn ich den Begriff langsam albern finde. Aber wie soll man all die strahlenden Gesichter sonst beschreiben? Außerdem habe ich nicht vor, hier sachlich zu bleiben!

Das neue Stück, das ich kannte bildete den Auftakt,
I didn't see it coming, mit viel Gesang von Sarah Martin. Beim zweiten Hören mochte ich es schon sehr, vermutlich ein kommender Liebling.

"They promised me a bunch of old people!" Kein Wunder, daß Stuart Murdoch
überrascht war, das Publikum war wirklich erstaunlich heterogen. Latitude ist eben ein wirkliches Familienfest, noch mehr als Haldern. Der Stimmung schadete das im Schnitt eigentlich viel zu junge Publikum gar nicht, sie war blendend!

Dann das nächste Highlight... Es war mittlerweile dunkel. "Kann jemand schon den ersten Stern sehen?" Jeder, restlos jeder, Band oder Zuschauer guckte nach oben und
suchte den klaren aber noch sternlosen Himmel ab. Twee-Pop, auch in den Pausen.

Musikalisch startete nach dem Auftaktsong eine Sammlung großer Hits der Band, beginnend mit I'm a cuckoo laut Stuart Murdoch "the first of many songs ab
out animals". Es stimmte, es folgten später noch Frosch, Pferd und Fuchs (Hund fehlte leider). Die meisten Stücke stammten von den beiden Platten If you're feeling sinister und Dear catastrophe waitress.

Am meisten begeisterten mich Step into my office,
baby, Get me away from here, I'm dying und Fox in the snow, weil das zwei besondere Lieblinge sind, die ich nicht unbedingt erwartet hatte.

Relativ früh kam aber zunächst einmal ein zweites neues Stück.
I'm not living in a real world wird von Stevie Jackson gesungen und hat einen oh-oh-Mitsingteil. Der Gitarrist erklärte uns erst, wie und wann wir mitzusingen hätten (unnötig, es sang eh jeder immer mit). "Dann ändert es seine Tonart von Cis nach D, ihr müsst dann also höher werden!" Als es dann beim Mitsingen zu der Stelle, folgte ein kurzes "Change!" und alle ohten höher, sehr schön!

I'm not living in a real world muß ich noch ein
paarmal hören. Auf Anhieb war es zwar (natürlich) gut, aber noch kein Liebling.

Nach Fox in the snow wurde es wieder sehr komisch! Stuart erzählte davon, wie aufgeregt sie alle gewesen
seien, das erste Konzert in Großbritannien nach vier Jahren zu spielen. "Ich habe letzte Nacht geträumt, ich würde mich zu Stevie umdrehen und sagen 'Spiel Jumping Jack Flash!' Wir absurd!" - "Ok, ich spiele jetzt Jumping Jack Flash!" Und er und die Band spielten den ollen Stones-Song. Natürlich waren alle begeistert! "Ihr mögt die Rolling Stones? Wenn wir sie spielen, gefallen mir die Lieder auch!"

Und es ging urkomisch weiter. Der Sänger wollte plötzlich ein paar Leute aus dem Publikum nach oben holen. Als ob Dämme brachen, hüpften immer mehr
über den Zaun. Am Ende waren es sicher zwanzig, die hintenrum zur Bühne geführt wurden. Als das nächste Lied vorbei war, führten Helfer die Leute nach oben. "Oh, euch hatte ich wieder vergessen!" Als einige dann in seine Richtung liefen, rief Stuart "Don't touch me, don't touch me!" und flüchtete!

Langsam näherte sich das Konzert seinem Ende, aber nicht, ohne noch einmal enorm charmant zu werden. Nachdem Stevie Jackson vorher schon seiner Nichte
Stella zum Geburtstag gratuliert hatte, bedankte sich Stuart bei Bandmitarbeiter Brian. Der saß wohl, wie Stuart vermutete, im riesigen Regieturm auf der anderen Seite des Platzes. "Brian, wenn du da bist, gib ein Zeichen!" Und wie macht ein Beleuchter das? Die Bühne wurde taghell, die Band lachte sich schlapp!

Wenn es nach jeder langen Pause so großartig ist, akzeptiere ich das ab sofort blind! Trotzdem gut, daß es bis zu den nächsten Malen Belle & Sebastian nicht wieder so lange dauert!

Setlist Belle & Sebastian, Latitude Festival 2010, Suffolk, England:

01: I didn't see it coming (neu)
02: I'm a cuckoo
03: Step into my office, baby
04: The state I am in
05: I'm not living in a real world (neu)
06: If you're feeling sinister
07: Sukie in the graveyard
08: Fox in the snow
09: Jumping Jack Flash (Rolling Stones Cover)
10: Funny little frog (God Help The Girl Cover)
11: The boy with the arab strap
12: If you find yourself caught in love
13: Judy and the dream of horses
14: Sleep the clock around

15: Get me away from here, I'm dying (Z)
16: Legal man (Z)

Links:

- God Help The Girl live in Den Haag





 

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