Donnerstag, 24. September 2009

Anna Ternheim, Paris, 23.09.09


Konzert: Anna Ternheim (Every Man Has Your Voice)

Ort: l'Alhambra, Paris
Datum: 23.09.2009
Zuschauer: etwa 550
Konzertdauer: gut 80 Minuten Anna Ternheim, 30 Minuten Every Man Has Your Voice



Schon wieder Anna Ternheim? Gähn!, wird so mancher Stammleser (soll es ja angeblich wirklich geben) unseres Konzerttagebuches ausrufen und damit gar nichts Deplatziertes sagen, denn wir hatten die Konzerte der Schwedin gerade in letzter Zeit wirklich sehr oft rezensiert. Und wenn ich ehrlich bin: Auch mir hatte es hier ein bißchen arg viel geternheimt. Als Christoph dann auch noch in die Schweiz gefahren ist, um die Blondine kurz nach seinem Kölner Konzert erneut zu sehen, dachte ich mir insgeheim auch schon, daß mein Freund so langsam aber sicher überschnappt. Hatte sie ihm wohl gehörig den Kopf verdreht, wie? Für mich nicht ganz nachvollziehbar, denn das letzte Album ist meines Erachtens ingesamt doch recht enttäuschend ausgefallen und kann den ersten beiden Werken, vor allem in den wunderbaren "naked versions", nicht das Wasser reichen. Zudem war ich auch von den Festivalauftritten von Anna Ternheim beim Melt! und in Haldern nicht gerade begeistert, da war es mir doch an einigen Stellen der Instrumentierung und des Backgroundgesanges zu viel des Guten.

Nach dem heutigen Abend aber weiß ich: Für die Ternheim und ihre beiden glänzenden Mitmusiker an Kontrabass und Gitarre, bzw. Xylophon und Trompete würde ich bis nach Neuseeland schwimmen! Christophs Lobhudelei war also keine blinde Schwärmerei, sondern absolut gerechtfertigt! Die drei Akteure legten nämlich ein Konzert aufs Parkett, das an Brillianz, Harmonie und Schönklang nicht zu überbieten war! Jedes einzelne Lied bot Hörgenuß pur, der Sound im Alhambra war glasklar und rundum ausgewogen und die jeweiligen Versionen waren tausendmal schöner als auf den Alben. Zum mit der Zunge schnalzen! Kaviar für die Ohren! Wenn es so etwas wie das perfekte Konzert gibt, dann war es dieses hier! Nicht ein kleines Fehlerchen unterlief den Künstlern, Anna traf jeden Ton und sang so schön wie nie zuvor und die countryeske Instrumentierung war hochklassig und auf Weltniveau.

So ein Level erreicht man nicht nebenbei, man konnte erahnen, daß hinter dem störungsfreien Vortrag jede Menge Arbeit und intensives Üben steckte, auch wenn die Schwedin schmunzelnd eine Anekdote aus dem Tourbus erzählte und beichtete, daß sie vier Stunden lang den Film Mad Man gesehen hätten. Da sie ein paar Semester Architektur in Lausanne studiert hatte, war es für sie auch kein größeres Problem, diese Ausführungen auf französisch abzugeben. Eine gebildete und intelligente Frau also, die trotz ihrer enormen Erfolge in Schweden und Deutschland bescheiden und natürlich geblieben ist. Das Publikum honorierte den perfekten Vortrag und das sympatische Auftreten mit minutenlangem Applaus, so daß es am Ende noch zu zwei Zugabeblöcken kam: Beim ersten, der zwei Stücke umfasste, wurde Sinatras Klassiker Fly Me To The Moon in neuem, schicken Gewande präsentiert und beim zweiten sang sie zusammen mit ihren beiden Jungs akustisch die Ballade Summer Rain. Auch diese übrigens wesentlich besser als auf dem Album. Ihr Gitarrist unterlegte hierbei dezent die Stimme der Schwedin und machte es in dieser Hinsicht viel besser als die recht nervige Linn, die beim Haldern und Melt! viel zu stark auf die Tube gedrückt hatte und den Songs durch ihren operettenhaften Gesang ihren Liebreiz nahm.


Zum Abschluß noch eine amüsante Anekdote: Am riesigen Place de la republique hatte ich von der Metro kommend ein wenig die Orientierung verloren und wußte nicht mehr genau, auf welche Seite ich musste. Da die Zeit drängte, fragte ich Passanten nach dem Alhambra, erhielt aber jeweils nur ein ahnungloses Schulterzucken. Ein junger Franzose allerdings, hörte den Namen, guckte mich ein wenig neidisch an und meinte: "Alhambra? Du Glücklicher! Da spielt doch heute Anna Ternheim! Natürlich kann ich Dir sagen, wo Du lang musst" ...

Achso. Eine Vorgruppe gab es auch. Die hieß Every Man Has Your Voice, kam aus Frankreich und bestand aus drei Musikern, dem Sänger und Ukulelespieler Christophe, dem Gitarristen Jéremie und der Sängerin und Glockenspielerin Andrea. Und sie war ganz ausgezeichnet! Allein schon die Liste ihrer Einflüsse ist äußerst geschmackvoll, da finden sich solch feine Bands wie die Bowerbirds, die Castanets, Beirut und Explosions In The Sky. Diese kupfern sie aber keinswegs bloß ab, sondern schaffen einen eigenständigen, wunderschönen und intimen Sound, der durchaus das Niveau hat, über die Grenzen Frankreichs hinaus zu erstrahlen. Every Man Has Your Voice, also meine Stimme haben sie! Die muss ich unbedingt nochmal sehen!

Setlist Anna Ternheim, Alhambra, Paris:

01: Off The Road
02: Black Sunday Afternoon
03: What Have I Done
04: Tribute To Linn
05: Damaged Ones
06: Losing You
07: Better Be
08: My Secret
09: To Be Gone
10: Terrified
11: Let It Rain
12: China Girl (David Bowie Cover)
13: No, I Don't Remember
14: Halfway To Fivepoints

15: Fly Me To The Moon (Frank Sinatra Cover) (Z)
16: My Heart Still Beats For You (Z)

17: Summer Rain


Pour nos lecteurs français:

Une chronique de ce très beau concert (le tout meilleur d'Anna) va suivre bientôt! Je dis bravo aussi à Every Man Has Your Voice, qui m'ont beaucoup plu.

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- aus unserem Archiv:


1 Kommentare :

isa oder becky oder beide hat gesagt…

Anna Ternheim kann einen wirklich begeistern, dass durfte ich auch schon erfahren. Danke für den schönen Bericht und die tollen Bilder dazu!

 

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