Donnerstag, 10. Mai 2007

Rickie Lee Jones, Paris, 09.05.07

Konzert: Rickie Lee Jones
Datum: 09.05.2007
Ort: La Cigale, Paris
Zuschauer: ausverkauft


Rickie Lee Jones musste heute im Pigalle-Viertel am Fuße des Sacré Coeur gegen starke Konkurrenz anreten, denn ein paar Hausnummern weiter, ebenfalls am Boulevard Rochechouart gelegen, traten Queens Of The Stone Age im Elysée Montmartre auf. Da wäre auch ich gerne hingegangen, aber am 15. Juni werden Josh Homme und seine Männer an gleicher Stelle wieder die Gitarren aufheulen lassen, so dass ich heute der Dame aus Chicago den Vorzug vor den harten Rockern gab.

Die heute 53-jährige schaffte es trotz der unmittelbaren Konkurrenz, die gar nicht so kleine Cigale restlos zu füllen, was vielleicht auch daran lag, dass ich einer der wenigen Zuschauer war, der auch gerne zu den Stoner-Rockern gegangen wäre. Der überwiegende Rest schien mir doch zu gesetzt, um donnernden Gitarren etwas abgewinnen zu können. Da sah ich dann auch eine Vielzahl weisshaariger Herren mit ihren Frauen (und teilweise erwachsenen Kinder) auf den Stühlen vor der Bühne sitzen. Andächtig wippten die ehemaligen Revoluzzer (heute wahrscheinlich wohlhabende Psychologen, Professoren, Zahnärzte...) mit ihren weißbehaarten Köpfchen und jauchzten vor Begeisterung auf, wenn sie einen Song von Frau Jones schon nach den ersten Takten erkannten. Zu meiner Freude war ich aber von zwei bildhübschen, nicht älter als zwanzigjährigen Mädchen umgeben. So liess sich auch die Tatsache ertragen, dass ich das gesamte Konzert (und ich sage euch, es war lang!) stehenderweise bestritt. Überhaupt waren auch ein paar jüngere Semester vertreten, das freute mich, dies sorgte nämlich für eine angenehme Mischung im Publikum, ein bisschen so wie in einem bayrischen Biergarten (ist jetzt nur so ein Spruch, ich war noch nie in einem bayrischen Biergarten!). Zu dumm nur, dass ich verspätet erschienen bin und - so sagte man mir - die ersten zwanzig Minuten verpasst hatte.

Rickie Lee Jones und ihre Band hatten tatsächlich pünktlich um 20 Uhr begonnen, genau so, wie es auf der Karte stand. Das ist unüblich, normalerweise kann man locker eine Stunde hinzurechnen. Zum Glück war ich nicht bei den Rakes gelandet, da war die Messe schon nach einer Stunde gelesen. Die Messe der Amerikanerin war aber ausgedehnt und ganz entspannt. Keine Hetze, keine Lieder, die ineinander übergehen, stattdessen eine peacige Atmosphäre mit einer Art Altar auf dem eine
Kerze und noch so allerhand anderer esoterischer Nippes stand. Fehlten nur die Räucherstäbchen, ich war verwundert, dass mir nicht der Geruch von Weihrauch in die Nase stieg, so wie damals, als ich als kleiner Junge Messdiener war. Kein Weihrauch also, dafür aber auf der Bühne ausgebreitete Teppiche und eine Rickie Lee, die predigte. "Das neue Album ist so eine Art Konzeptalbum über Jesus Christus geworden" erklärte uns die in eine Art indischen Sari gehüllte, blonde Sängerin. Das erkärte so einiges... Wobei man aber wohl immer den zarten Zynismus der Amerikanerin mitbedenken muss (Eike, Du als Fachmann, korrigier mich bitte, wenn ich Blödsinn erzähle).

Von dem aktuellen Longplayer stammten dann auch so einige Lieder des heutigen Abends, z.B. "Gethsemane", "Circle in the sand", oder auch das fulminante letzte
Stück "Lamp of the body". Dazwischen aber auch Klassiker wie "Coolsville", "It takes you there", oder das fabelhafte "The Last Chance Texaco". Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir der Name "Rickie Lee Jones" schon scheinbar seit Ewigkeiten bekannt zu sein scheint, ich allerdings bis vor kurzem noch kein einziges Album der Künstlerin mit der unglaublichen Stimme hatte. Ein Lied wie "Chuck E´s in love" kennt sicher jeder, auch ich, ich wusste allerdings bis vor kurzem nicht, von wem es stammt. Insofern lest ihr hier einen Bericht eines 35 jährigen Neueinsteigers in das Werk der ehemaligen Geliebten von Tom Waits. Neulich hat mir ein sehr netter Herr bei Flickr.com berichtet, dass er in diesem Alter zum ersten Mal in Paris gewesen sei und damit die Frage verbunden, ob das zu spät sei. Ich antwortete ihm, etwas spät vielleicht, aber nicht zu spät. Genauso sehe ich das auch mit mir und Frau Jones. Ich stosse spät auf sie, aber nicht zu spät, denn ich konnte dem Konzert so einiges abgewinnen. Ich mochte z.B. die Variation in der Stimme der Frau, mal tief brummeld, mal flehend, mal keifend. Besonders in den hohen Tonlagen ist sie einzigartig. Ein bisschen wie Joanna Newsom heutzutage, aber doch sehr eigen. Man würde sie immer leicht raushören, das macht sie unverwechselbar. Auch der Sound ihrer Band gefiel mir, es gab ein stark bluesig, zuweilen rockig angehauchtes Set, viel weniger jazzig im übrigen, als ich erwartete hatte. Da ich Blues deutlich bevorzuge, kam mir das sehr gelegen. Wunderbar, die warme Atmosphäre, die von der meist nur spärlich angezupften Gitarre ausging und auch der Bassist, ein Asiate spielte tolle Läufe. Besonders aufgefallen ist mir der junge Drummer, den ich mir auch als sehr guten Tennisspieler vorstellen könnte, vielleicht weil er Ähnlichkeit mit Nicolas Kiefer hatte. Er machte allerlei lustige Gesten, bewegte seine Mundwinkel, je nach Stimmungslage hin und her und hatte zuweilen seine Drummsticks im Mund, weil er die Hände gerade für etwas anderes brauchte. Spektakulär war eine Szene, während eines - nicht seltenen - langgezogenen Instrumentalparts, in dem er krampfhaft und lange Zeit vergeblich versuchte, Blickkontakt zu seinem Gitarristen aufzunehmen. Irgendwann machte er sich mit einem kleinen Tusch bemerkbar und der auf sich konzentrierte Gitarrenmann schnallte endlich was los war. Davon liess sich Rickie Lee aber nicht beeinflussen, zu lange ist die Frau im Geschäft, zu souverän ist sie, um sich von so etwas aus der Konzentation bringen zu lassen. Schon eher reagierte sie verständlicherweise auf die "We love you" Zurufe aus dem Publikum, wobei sie kokett konterte: "What did you say?"

Ja, die Franzosen mochten sie, zu Recht im übrigen, denn sie schaffte es so völlig unaufgeregt, für eine fabelhafte Atmosphäre zu sorgen. Ich kam so richtig vom Stress runter und lauschte entspannt ihren schönen Liedern. Besonders angetan hatte es mir ein Stück mit der Textzeile "Loved by someone". Leider weiss ich nicht, wie es heisst. Wie ich schon sagte, ich habe bei Rickie Lee einige Lücken zu füllen. Eine der Zugaben "Joli, jolie" sagte mir dann aber was. Eine weitere enthielt die Passage "Soft sweet devil", ein sehr schönes Stück im übrigen. So vergingen dann auch letzlich mindestens 2 Stunden Spielzeit wieder sehr schnell und ich hatte es keineswegs bereut, anstatt zu Queens of the Stone Age zu Rickie Lee Jones gegangen zu sein.

Auszüge aus der Setlist Rickie Lee Jones:

- Gethsemane
- The Last Chance Texaco
- Circle in the sand
- It takes you there
- Coolsville
- Tried to be a man
- Lamp of the body
- Jolie, jolie

von Oliver



1 Kommentare :

E. hat gesagt…

na ja, um das stehen dürfen beneide ich dich schon, sitzen war für mich eher horror, zu sehr lud die musik zum sich bewegen ein. ansonsten gibt es natürlich nichts am bericht auszusetzen, oliver!
mit last chance texaco durftest du auch einen wirklichen klassiker hören. wunderbar.

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates