Ort: Gebäude 9, Köln
Datum: 18.05.2007
Zuschauer: ausverkauft
Irgendetwas scheint derjenige, der im Gebäude 9 für das Buchen der Bands zuständig ist, besser zu machen als seine anderen Kölner Kollegen. Oder liegt die Dichte exzellenter Bands, die in dem Hinterhofclub auftreten, an der genau richtigen Größe des Raumes für das typische Indiekonzert? Dagegen spricht, daß meine letzten Konzerte im Gebäude 9 bei weitem nicht ausverkauft waren - trotz fantastischer Konzerte von Malcolm Middleton, den Noisettes oder Polarkreis 18.
Das war diesmal anders. Ich kann mich nicht erinnern, vor dem Gebäude 9 irgendwann gefragt worden zu sein, ob ich eine Karte zuviel hätte. Das Konzert war also restlos ausverkauft. Das Publikum, das dann auf Bierbänken vor dem Laden wartete, war sympathisch Ü30.
Der Bühnenaufbau deutete nicht darauf hin, daß es eine Vorgruppe geben sollte. Und so trat dann auch um halb neun schon Built to Spill um Sänger und Songwriter Doug Martsch auf die kleine Bühne. Der Saal war mittlerweile proppenvoll und sehr enthusiastisch. Doug Martsch - für die, die wie ich Built to Spill noch nie vorher live gesehen hatten (was nicht schwer ist, weil die Band sehr lange nicht in Deutschland gespielt hat und sich gerne rar macht) - Doug Martsch also sieht schon anders aus, als man nach dem Hören seiner Platten vermuten würde. Da ist schon ziemlich viel Waldschratiges an ihm - und wenig klassisches Rock-Star-Aussehen. Er trug ein T-Shirt mit einem gezeichneter Pottwal im Kampf mit einem Riesenkalmar. Mir fällt beim besten Willen nicht ein, für was das sinnbildlich stehen könnte, ich fand es aber ein wenig exzentrisch.
Neben Doug standen vier weitere Musiker auf der Bühne, Schlagzeuger und Bassist und zwei weitere Gitarristen. Die Musiker haben während des ganzen Konzerts ihre Instrumente nicht gewechselt. Es standen also keine eindruckvollen Gitarrenbatterien im Hintergrund, es erschien alles ziemlich pragmatisch. So war dann auch der Beginn. Das Hintergrundgedudel lief noch, als der Schlagzeuger das erste Lied anzählte. Da aber auch immer wieder eines der Bandmitglieder sein Instrument stimmte, schien der Hintergrundgedudel-Mann nicht mitbekommen zu haben, daß es jetzt wirklich losgehen sollte. Erst als Doug dann ein paar kurze Worte ins Mikro sprach, ging die Musik aus. Die drei Worte am Anfang waren auch das längste für einige Zeit, das der Sänger sprach. Nach den Liedern (und dem lang anhaltenden und begeisternden Applaus) sagte er nämlich immer nur extrem schüchtern "thanks", als wäre es ihm selbst unangenehm, daß seine Musik das Publikum so sehr begeisterte.
Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich nur die beiden letzten CDs der Band kenne. Von der aktuellen, im letzten Jahr erschienenen "You in reverse" stammte auch gleich das erste Lied, das wundervolle "Liar". Danach spielten Built to Spill Lieder von jeder der sechs Platten, mehrheitlich aus der früheren Bandphase. Ob man nun amerikanischen Indierock mag oder nicht, die Titel von Doug Martsch und Band faszinieren sich auch den (US-) Indie-Muffel, wenn er sich damit nur einmal beschäftigt. Die Melodien, die zwar sehr gitarrenlastig sind, wirken aber (obwohl es schon sehr laut war) überhaupt nicht krachig. Innerhalb der teilweise sehr langen Lieder wechseln regelmäßig Tempo und Melodie. Und dazu kommt Dougs phänomenal sanfte Stimme, die dann eben unfassbar schöne Lieder erzeugt (wie eben "Liar" oder auch "Strange" und und und).
Und nach jedem Lied und jedem begeisterten Applaus und jedem dahingehasteten "Thanks" stimmte jeder sein Instrument und irgendwann (ich hatte den Eindruck, daß der Schlagzeuger den Zeitpunkt am wenigsten kannte) ging dann das nächste wundervolle Lied los. Der Schlagzeuger übrigens wirkte zumindest am Anfang herrlich gelangweilt. Bei den ersten beiden Lieder habe ich staunend beobachtet, wie stoisch und träge er spielte. Das paßte aber gut zu seinem introvertierten Sänger. Daß einer der anderen Gitarristen (mit Wuschelbart und Wuschelhaaren) am Anfang ein paarmal herzhaft gähnte war auch spektakulär, heißt aber nicht, daß das Konzert zu irgendeinem Zeitpunkt langweilig gewesen wäre.
Eines der letzten Lieder sagte Doug dann aber wirklich an "Tonight is a very special night for us as a band", ohne dann weiterzureden. Nicht nur ich war neugierig, im Publikum brüllte dann jemand "Why?" als offenbar nichts mehr kommen sollte. Doug antwortete darauf mit "It's not important". Bei Eddie Argos hätte das ironisch gewirkt, hier gar nicht. Herrlich!
Mit "Carry the zero" von "Keep it like a secret" (das paßte ja) endete das reguläre Programm nach anderthalb Stunden (6 Minuten pro Lied, wow!). Nach kurzer Pause kam die Band dann aber zu einer einzigen Zugabe zurück, zu "The Plan", ebenfalls von "Keep it like a secret". Das Stück dauerte aber gute 25 Minuten. In den letzten fünf Minuten der Zugabe begann der Schlagzeuger schon, die Gitarrensoli (das ist jetzt der falsche Begriff - eigentlich wollte ich sagen, daß mehrere Gitarren instrumental spielten und der Schlagzeuger eben nicht mehr gebraucht wurde) zu nutzen, um sein Schlagzeug gemütlich abzubauen! Das habe ich noch nie erlebt. Aber es war eben naheliegend. Der Chef spielt noch eine Weile, also kann ich ja schon mal meinen Kram aufräumen, damit die nachher nicht auf mich warten müssen. Ich bin wahnsinnig froh, die seltene Gelegenheit, die Band zu sehen, genutzt zu haben, denn ich hätte ein wirklich wundervolles Konzert verpaßt.
Setlist Built to Spill Köln:
01: Liar
02: In the morning
03: Get a life
04: Kicked it in the sun
05: Stab
06: Else
07: Goin' against your mind
08: Car
09: Strange
10: Conventional wisdom
11: Reasons
12: You were right
13: Stop the show
14: Made up dreams
15: Carry the zero
16: The plan (Z)
Mehr Fotos zum Konzert gibt es hier.
Termine Built to Spill:
26.05.07: Schorndorf Manufaktur
27.05.07: Frankfurt Mousonturm
28.05.07: Winterthur Salzhaus
29.05.07: Fribourg Fri-Son
30.05.07: Paris Maroquinerie
2 Kommentare :
Liar, ein toller Einstieg! Strange liebe ich auch und Goin' against your mind ebenfalls.
Das muß also eigentlich gut gewesen sein!
Überragende Setlist, überragendes Konzert :)
Auch wenn ich mich als weibliches Wesen unter 30 die ganze Zeit wie ein Alien gefühlt habe ;)
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