Konzert: Built To Spill
Datum: 30.05.2007
Ort: La Maroquinerie, Paris
Zuschauer: ausverkauft
Kommen Frauen eigentlich nur zu Rock-Konzerten, wenn schlanke Musiker mit Waschbrettbauch und knackigen Hinterteilen auf der Bühne stehen? Geht es ihnen also gar nicht vornehmlich um die Musik, sondern um einen attrakiven Anblick? Fast könnte man diesen Eindruch gewinnen, denn wie schon bei Slint war der Frauenanteil wieder äußerst gering, er lag bei vielleicht 15 %. Wenn britische Nachwuchsrocker, Mando Diao, oder die Killers auf dem Programm stehen, sieht das trotz schlechterer Musik ganz anders aus, da geben sich die hübschen Mädchen die Klinke in die Hand...
Ach, die Weiber mit ihrer Po-Fixiertheit! Achten nur auf Äußerlichkeiten, von wirklich guter Musik verstehen se nix! (he,he, he, jetzt krieg ich bestimmt Ärger...). Na gut, Doug Martsch und seine Bandmitglieder von Built To Spill sind nicht wirklich was für's Auge, mit ihren Vollbärten, dem teilweise lichten Haar und den nicht sehr schlanken Bäuchen, das geb' ich ja zu. Zudem tragen sie wirklich häßliche, labrige T-Shirts, die jeweils nicht mehr als eine ihrer CDs gekostet haben dürften... Aber man kommt doch schließlich wegen der Musik zu einem Konzert, oder? ;-) Ich jedenfalls, zumindest zum überwiegenden Teil. Gegen den Anblick einiger flotter Bienen im Publikum, so mit Skinny-Jeans, Ballerinas, oder trendigen roten Lackschuhen hätte ich allerdings nichts gehabt, stattdessen war ich umgeben von Typen mit Vollbärten, Brillen und der falschen Jeans...
Schon verblüffend, daß das Publikum immer den Bands ähnlich sieht, bei den Babyshambles laufen sie alle mit diesem Clochard-Hütchen rum, sind die Bandmitglieder hingegen bärtig, sind es die Fans zumeist auch. Bartträger machen aber interessanterweise immer irgendwie die beste Musik, das war schon bei Arab Strap so, setzt sich fort mit Bonnie "Prince" Billy und Built To Spill machen auch keine Ausnahme von der Regel.
Vor den Amerikanern durfte aber noch kurz das Pariser Blues-Rock Trio von Sentenza Bühnenluft schnuppern, sie vertraten die nicht erschienenen Camper Van Beethoven. Und das sehr würdig, ihre Lieder im Stile von Neil Young, Led Zep, oder den White Stripes und den Kings of Leon, gefielen mir richtig gut.
Den anschließenden Umbau besorgten dann die Musiker von Built To Spill, inklusive Frontmann Doug Martsch, ganz alleine, wie das auch Christoph schon von dem Kölner Konzert berichtet hatte. Irgendwann ging das Licht aus und es konnte sofort losgehen, schließlich stand die Band ja schon auf der Bühne. So etwas hatte ich zuvor auch noch nicht gesehen!
Eine weitere Parallele zu Köln: Opener war auch hier das fabelhafte "Liar" von dem letzten Album "You In Reverse". Schon jetzt scheint mir der Song das Zeug zum Klassiker zu haben. Die Stimme von Doug klang klar und prägnant, genau wie auf den Alben, der Sound war allerdings etwas zu dumpf. Zudem gab es des öfteren Rückkoppelungen, die nicht nur mir Schmerzen in den Ohren bereiteten. Dabei waren die Lauscherchen ohnehin schon genug strapaziert, denn es war wirklich höllisch laut! Das Taubheitsgefühl in den Ohren werde ich wohl frühestens in zwei Tagen verlieren...
Zurück zum Set: mit Lied zwei, "In The Morning", endeten die Ähnlichkeiten zu dem Kölner Gig vorläufig, denn an dritter Stelle kam in Paris "Time Trap". Den Titel von "Keep It Like A Secret" mochte ich schon immer, ich war erfreut, ihn endlich auch mal live zu hören. Typischerweise hörte man hier, wie so oft bei Built To Spill, erst einmal zwei Minuten lang nur melodische Gitarren, bevor Douggie zu seinem Einsatz kam. Mit drei Gitarren errichteten die Musiker hierbei wahre Soundwände, die die Maroquinerie zum Beben brachte. Ich mußte mich ein wenig von den Boxen wegbewegen, um das Aushalten zu können, nicht weil es schlecht war, sondern weil einfach mein persönlicher Dezibelpegel überschritten wurde. Mit "Strange" von "Ancient Melodies Of The Future" wurde wunderbar an das vorige Lied angeknüpft, auch dieses Stück ist nämlich einer meiner Favoriten aus dem umfangreichen Repertoire der Band. Meine Augen waren hierbei auf den Drummer gerichtet, der scheinbar aus der Hüfte auf sein Arbeitsgerät einprügelte. Peng! Paff! Peng, erklang es hart und trocken, ohne daß der Bursche jedoch eine Miene verzog. Kalt wie eine Hundeschnauze saß er da, ohne jede Mimik. Das fand ich herrlich, ich liebe nämlich stoische Schlagzeuger, die ohne groß Aufhebens zu machen, mächtig Gas geben. Das hatte mich auch schon damals bei einem Konzert der Kings of Leon fasziniert, die haben einen ähnlich coolen Burschen hinter der Schießbude, ganz im Gegensatz zu den Killers, bei dem der Drummer immer seltsame Grimassen schneidet.
"Going Against Your Mind" sorgte dann für die bisher beste Stimmung im Saale, manche Herren in den ersten Reihen tanzten gar wild umher. Soviel Euphorie schien auch Doug anzustecken, denn entgegen seiner Gewohnheiten bedankte er sich äußerst redseelig mit "Thank you very much". Christoph hatte ja schon berichtet, wie das sonst von Statten geht: ein knappes "Thanks" ist das höchste der Gefühle. Um die nächsten Lieder anzukündigen, mußte der bärtige Sänger aber gezwungenermaßen weiter aushohlen. "Auf den Postern, die da im Flur rumhängen, waren ja eigentlich Camper Van Beethoven angekündigt, aber irgendwie haben die es nicht ganz nach Paris geschafft. Um etwas für Ausgleich zu sorgen, spielen wir jetzt einfach drei Lieder der Camper, von denen wir zwei gut und ein drittes relativ gut kennen." Und so hielten sie es auch in der Folge, wir kamen in den Genuß von drei Cover-Versionen der College-Rock Kollegen. Leider kannte ich die Titel nicht, ein Stück stammte allerdings ganz sicher vom Album "New Roman Times". Danach wollten die Leute aber dringend wieder Original Built To Spill Material haben und das bekamen sie natürlich auch. Hervorzuheben waren hierbei die Ballade "Car" und das flotte "Conventional Wisdom", welches auch das offizielle Set beendete. Die folgende Zugabe war dann typisch für amerikanischen Indie-Rock. "The Plan" beeinhaltete zahlreiche Gitarrensoli, Tempowechsel und ähnliche Dinge. Das Stück wurde über geschlagene 25 Minuten ausgedehnt und war deshalb selbst für mich, der gegen lange Instrumentalpassagen eigentlich nichts einzuwänden hat, etwas zu langatmig. Insgesamt war es ein solides und gutes Konzert, wenngleich die erwartete Euphorie bei mir ausblieb. Vielleicht liegt es daran, daß mich im Moment experimentelle Band wie !!! oder Battles etwas mehr inspirieren...
Auszug aus der Setlist Built To Spill Paris:
- Liar
- In The Morning
- Time Trap
- Strange
- Goin' Against Your Mind
- 3 Lieder von Camper Van Beethoven
- Car
- Conventional Wisdom
- The Plan (Z)
von Oliver
Bilder und Links folgen
von Oliver
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6 Kommentare :
Doug Martsch steht übrigens auf der Nominierungsliste der Peta zum "world sexiest vegetarian".
http://www.peta2.com/outthere/o-sexyveg07.asp
Wollte ich nur mal erwähnt haben.
Da sind ja illustre Namen vetreten in dieser Liste!
Aber ob Douggie eine Chance gegen Morrissey hat? ;-)
Die Frage lautet wohl heutzutage eher: Ob Douggie denn eine Chance gegen Pete Wentz hat?
Traurige Welt, das.
Anna Ternheim und Gwynnie essen Fleisch?
Also, Christoph, Gwynnie hat ja sehr viel Stil, aber inwiefern ist die Frau denn sexy? Kein Wunder das die nicht in so einer Liste auftaucht ;-)
Wo ist eigentlich Mutter Beimer in der Liste?
Frage ich mich gerade mal so...
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