Die besten aus weit über 100 Konzerten auszuwählen, fällt schwer. 2014 war für mich ein ausgesprochen gutes Konzertjahr. Das Fehlen von Bands und Künstlern, die für gewöhnlich Favoriten auf hohe Platzierungen in solchen Listen sind - wie Elvis Costello, Billy Bragg oder Get Well Soon -, folgt aus der Klasse derjenigen Bands, die es auf die Ränge geschafft haben.
Eigen organsierte Wohnzimmerkonzerte laufen wie immer außer Konkurrenz. Grund genug an dieser Stelle Danke zu sagen für großartige Abend und Erinnerungen an: Me and Oceans & Arpen, Christian Kjellvander, Pelle Carlberg, Martha Rose, Biggles Flys Again, Jethro Pickett, Bernd Begemann, The Indelicates, Terry Lee Hale, Enno Bunger & Onno Dreier, Sarah and Julian Muldoon, Boy Omega, Anika Auweiler, Arpen & The Volunteers und Big Fox.
Knapp verfehlt, die Plätze 30-21 in chronologischer Reihenfolge:
Karl Bartos, Stuttgart, Wagenhallen, 26.01.2014
Garish, Stuttgart, Zwölfzehn, 12.04.2014
All diese Gewalt, Stuttgart, Rakete, 18.04.2014
King Khan & The Shrines, Stuttgart, Goldmark's, 26.04.2014
Motorama, Esslingen, Kulturzentrum Dieselstraße, 28.05.2014
Van Morrison / Mavis Staples, Stuttgart, Schlossplatz, 18.07.2014
Solander, Burning Eagle Festival, Reutlingen, 26.07.2014
Rhonda, Hamburg, Hafenklang, 04.10.2014
Elvis Costello, Stuttgart, Theaterhaus, 14.10.2014
Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, Hamburg, Knust, 27.12.2014
20: Pond, Mannheim, Maifeld Derby, 31.05.2014
Die Australier lassen das Maifeld Derby bei herrlichsten Abendsonnenschein in einer psychedelischen Lärmorgie versinken. Mal bluesig, mal hardrockig ist das, was das Tame-Impala-Seitenprojekt da veranstaltet, zu jedem Zeitpunkt extraordinär und mit großer Berechtigung in dieser Liste vertreten.
19: The Wave Pictures, Reutlingen, Burning Eagle Festival, 26.07.2014
Bei einfacher Betrachtung schlichte Indie-Popnummern türmen sich zu Giganten auf, wenn man richtig hinhört. The Wave Pictures sind vermutlich die unprätentiöseste Rockband ihrer Klasse. Beim tollen Burning Eagle Festival in Reutlingen bestätigt das Trio aus der englischen Grafschaft Leicestershire einmal mehr seinen exzellenten Ruf unter Leuten, die es wissen müssen. David Tattersall spielt so unauffällig Gitarre, dass man glatt übersehen könnte, wie viel Ähnlichkeit zu Neil Young in seinem Spiel liegt.
18: Temples, Mannheim, Maifeld Derby, 01.06.2014
Royal Albert Hall, London. Es ist der zehnte Oktober 2010. Mit meinem Bruder warte ich vor der Halle auf dem Einlass. Die Britpop-Heroen Ocean Colour Scene treten vor ausverkauftem Haus auf. Support sind The Moons, eine authentische Mod-Band um Weller-Keyboarder Andy Crofts. Die Gruppe aus den Midlands überzeugt, später lerne ich den Gitarristen James Edward Bagshaw kennen. Als er mit seiner Freundin zusammenzieht, braucht er Platz und verkauft Kleidungstücke über Facebook. Ich nehme ein paar Hemden und einen Parka. Die Moons verlässt Bagshaw nach einiger Zeit gemeinsam mit Bandkollegen Thomas Edison Warmsley, um mit den Temples ein neues Projekt ins Leben zu rufen.
Beim Maifeld Derby sehe ich die Gruppe, die mit dem "Shelter Song" und dem formidablen Debüt "Sun Structures" gerade die wichtigste Band im Hype verwöhnten England sind. Der Auftritt in Mannheim ist fantastisch. Im großen Zelt drängt es sich dicht, während das Quartett tollen Psychedelic-Pop ohne Schwächen spielt. Tadellos.
17: Suzanne Vega, Würzburg, Posthalle, 29.07.2014
Die alterslose New Yorkerin liefert in 90 Minuten all das, was man von ihr erwartet. Große Hits, traurige Lieder über traurige Großstadtmenschen, ungewöhnliche Liebeslieder und eine Menge Charisma. Gerry Leonard, der Bowie auf seiner letzten Tour unterstützte, setzt neue Facetten mit zurückhaltendem Gitarrenspiel. Am Ende erscheint die Vega am Merchandise-Stand und unterhält sich mit Fans. Da fällt auch die grausige Atmosphäre der Posthalle am Würzburger Bahnhof nicht so negativ ins Gewicht, in die das Konzert wetterbedingt verlegt wurde. Hätte es wie geplant Open Air am Main stattgefunden, wer weiß, auf welchem Rang dieser Liste ein Auftritt mit identischem Set zu finden wäre-
16: John Mayall, Stuttgart, LKA Longhorn, 16.04.2014
Der 80-jährige Godfather des britischen Blues feiert im vollen LKA Longhorn eine Messe, wie es nur ein Großmeister kann. Eine der wichtigsten Figuren der europäischen Rockevolution wirkt dabei agiler als seine jüngeren Epigonen Clapton, Mick Taylor oder Jeff Beck und lehrt gleichzeitig gelebte Musikhistorie. Am Ende scheint das ergraute Publikum erschöpfter als Mayall selbst, der sich lächelnd verabschiedet. In Erinnerung bleibt ein Konzert, dass so herausragend wie konservativ und dessen Intensität außergewöhnlich war.
15: Bernd Begemann, Stuttgart, Merlin, 17.10.2014
© Katja Charlotte Rohr |
Am Vortag spielte er noch ein perfektes Wohnzimmerkonzert bei uns. Jetzt steht Begemann im Merlin und zeigt alles. Entertainment und Tiefgang. In Kombination. Er ist der größte Popdichter des Landes. Mehr gibt es nicht zu sagen.
14: Wolf Mountains, Stuttgart, Dresden Bar, 20.03.2014
Die Band um Die-Nerven-Drummer Kevin Kuhn zeigt beim Release-Konzert des Albums "Birthday Songs for Paul" in der Dresden Bar, warum ihr Garagen-Surf-Punk-Rock zum Besten und Spannendsten gehört, was derzeit im deutschen Pop geschieht. Dazu gibt es Gastauftritte der Nerven-Kollegen Julian Knoth und Max Rieger, Die-Selektion-Sänger Luca Gillian und anderen.
13: Dr. John, Schlossplatz, Stuttgart, 20.07.2014
Der 73-Jährige Nighttripper tritt im Vorprogramm des Piano-Kaspers Jamie Cullum beim Stuttgarter Jazz-Open auf und überzeugt. Es ist eine Voodoo-Messe bei schwülen Temperaturen, garniert mit einigen der besten Stücke, der Popgeschichte.
12: Ben Schadow & Special Guests, Hamburg, Knust-Bar, 05.10.2014
Der umtriebige Ben Schadow lädt zum Release-Konzert seines zweiten Soloalbums - und gleich einige Freunde ein. Gastsänger wie Bernd Begemann, Paul Pötsch (Trümmer), Dirk Darmstaedter oder Ole Specht machen den Abend unvergesslich.
11: St. Vincent, Stuttgart, Wagenhallen, 10.11.2014
© David Christoph Oechsle |
10: Kraftwerk, Karlsruhe, ZKM, 12.09.2014
Zum Jubiläum des ZKM spielt die Mensch-Maschine auf und Ralf Hütter ist erkältet. Das kurze Aufbrechen der Roboter-Fassade macht das Konzert besonders. All die Hits sind natürlich auch toll, die 3D-Show natürlich perfekt, aber auch überflüssig.
09: Andreas Dorau, Stuttgart, Merlin, 14.05.2014
Dorau ist Da Da und viel mehr als NDW oder gar Schlager. Im Merlin wirbelt er über die Bühne, schreit, pöbelt Fotografen an und zeigt wie nebenbei doch, wie gut deutschsprachige Popmusik sein kann.
08: The Pretty Things, Frankfurt/Main, Nachtleben, 29.05.2014
2009 und 2011 habe ich die bahnbrechende 60s Band bereits an gleicher Stelle gesehen, doch nie in dieser Form. Rolling-Stones-Gründungs-Mitglied Dick Taylor spielt filigrane R'n'B-Riffs, der legendäre Frontmann Phil May verausgabt sich völlig. "Come See Me", "Midnight To Six Man" und all die anderen Hits werden natürlich auch präsentiert. Das ist leidenschaftlich, rau und irgendwie noch heute rebellisch-jugendlich.
07: Marianne Faithfull, Stuttgart, Liederhalle, 11.10.2014
Eine weitere Überlebende der 60er. Die Faithfull kann nicht singen, das Konzert ist trotzdem überragend. Sarkasmus trifft auf Charisma und fantastische Songs.
06: The National, Köln, Open Air am Tanzbrunnen, 11.06.2014
© |
05: Die Nerven, Stuttgart, Filmwinter, 17.01.2014
© David Christoph Oechsle |
"Als ich den großen Saal betrete, spielen Die Neven bereits und ziehen offensichtlich auch diejenigen in ihren Bann, die zuvor nicht wussten, was sie erwartet. Die Szenerie, die sich vorfindet, weckt Assoziationen zu Michelangelo Antonionis zeitlosem Meisterwerk „Blow Up“. Wie den Yardbirds, die an bekannter Stelle im Film The Who imitieren und Gustav Metzgers autodestruktive Kunst zelebrieren, gelingt es den Nerven ein Kulturpublikum mit Krach und Feedbacks zu faszinieren. Instrumente müssen gar nicht zertrümmert werden, Rieger, Knoth und Kuhn gelingt das verstörende Element ihrer Show auch so. Derzeit gibt es wohl keine andere Band, der es gelingt mit misanthropischer Grundhaltung Popmusik derart zu dekonstruieren", schrieb ich nach dem Konzert der großartigen Noise-Punk-Band die kurz vorm Release ihres umjubelten zweiten Studioalbums noch einmal ihre Kernkompetenzen im Live-Auftritt zeigen.
Das Merlin platzt förmlich aus allen Nähten, schließlich präsentiert Die Höchste Eisenbahn ihr Debütalbum, meine Platte des Jahres 2013. Der Hype ist gerechtfertigt. Moritz Krämer, Francesco Wilking spielen früh im Jahr das beste deutschsprachige Konzert, das ich 2014 erleben durfte.
03: Okta Logue, Stuttgart, Zwölfzehn, 28.02.2014
© David Christoph Oechsle |
02: Patti Smith & her Band, Breitenbach am Herzberg, Burg Herzberg Festival, 01.08.2014
© Katja Charlotte Rohr |
01: Sleaford Mods, Esslingen, Komma, 12.05.2014
Die Sleaford Mods sind vulgär, zyisch und voller Wut, die neuen Arschlöcher des englischen Pop, wie ich in der Stuttgarter Zeitung schrieb. Im Esslinger Komma zeigt das Duo aus den Midlands, warum mittlerweile ein gigantischer Hype, um sie entsteht. Niemand verpackt die Schattenseite des Zeitgeists so konsequent in harte Beats und Verse.
2 Kommentare :
Eine exquisite Liste, lieber Jens! Die ersten zehn kannte ich ja schon von hier, aber der Ausschluss von Wohnzimmerkonzerten verzerrt das Bild doch ein wenig. Bei mir sind drei Wohnzimmerkonzerte unter den Top 10 und mindestens eines davon hätte es auch bei dir verdient. Ich sag nur "Pelle". ;)
Schöne Liste. Die Pretty Things sind bei mir auch bei den Jahresbesten. Patti Smith ist heuer wieder dran, und die Sleaford Mods auch. Marianne Faithfull hätte ich auch gerne gesehen. Ansonsten: Entsetzt, wie der Bernd Begemann zugelegt hat - Elvis im Endstadium.....
Viele Grüße,
Gerhard
Kommentar veröffentlichen