Sonntag, 4. Januar 2015

Unterwegs in Edinburgh, Juli 2014


Gelegenheitskonzerte u.a. mit 
       Iain Gordon Macfarlane, Bobby Nicholson, Martin Boland, Allan Grant
Orte: Jazz Bar, The Royal Oak & The Blind Poet in Edinburgh
Datum: 4.-7. Juli 2014

Martin Boland im Royal Oak

Andre Länder - andre Sitten. 
Am besten man schaut sich das selbst und vor Ort an.

Lange kannte ich Edinburgh nur aus den Krimis von Ian Rankin und  die Musik aus der schottischen Hauptstadt hatte in Form von Meursault (inzwischen Supermoon) und Simon Kempston (begleitet von Iain Gordon Macfarlane) in unser Wohnzimmer gefunden. Als ich nun den Plan fasste, für ein Konzert mit Neil Gaiman nach Edinburgh zu fliegen, hatte ich mir vorgenommen, möglichst viel Live-Musik mitzunehmen, für die die Stadt so bekannt ist.


Tatsächlich hatte ich auch mein Nachtquartier so ausgesucht, dass ich leicht zu den von mir ausgewählten Live-Musik-Orten kommen würde (und schnell wieder heim!). Kaum eine Stunde nach der Landung saß ich so schon in der Jazz Bar (1A Chambers Street) und hatte das Vergnügen, dort eine freie frühabendliche Matinee von Singer/Songwritern aus Edinburgh zu erleben, die kuratiert war von Sher Watson unter dem Namen Teatime Acoustic – Tartan Underground (jeden Freitag 18:30-20:30, Eintritt kostet es erst ab 20 Uhr; Teatime acoustic mit wechselnden Gastgebern dort fast jeden Tag zur gleichen Zeit).


Wenn man die Jazz Bar unter der angegebenen Adresse sucht, findet man zunächst nur eine kleine Tür und stürzt dahinter eine steile Treppe hinunter. Unten öffnet sich dann der Raum recht gemütlich mit einem Tresen an einer der langen Seiten, Tischen, Bänken und Stühlen und einer Bühne. Ich war gerade zum Beginn des ersten der drei geplanten Sets gekommen und nutzte den Moment, um mich mit dem ersten Cider zu versorgen und mich etwas zu orientieren. Man war hier fast unter sich. Das Publikum bestand aus den Musikern und deren Freunde.

Allan Grant und Iain Gordon Macfarlane
Fast hätte ich mich aber ganz arg an meinem süffigen Getränk verschluckt, als der zweite Gast des Edinburgher "underground-Sets" Allan Grant es sich auf der Bühne bequem machte. Er hatte nämlich einen Geiger dabei, der mir noch bestens von seinem Set in unserem Wohnzimmer bekannt war. Und die Geige da in seiner Hand hatte er damals vergessen, als er die Tür zur Abfahrt hinter sich schloss...  sich so zufällig in die Arme zu laufen! Das gab im Anschluss ein ordentliches Hallo und in den Armen liegen, denn Iain war fast noch überraschter als ich und seine Musikerkollegen haben uns wahrscheinlich beide für ein bisschen betrunken gehalten.


Bobby Nicholson
Die dritte halbe Stunde bestritt Bobby Nicholson. Er schreibt Songs voll sarkastischer und schwarzhumoriger Texte. Das beigelegte Pandalied (Video unten) ist dabei ein echter Ohrwurm. Er ist ein stolzes Arbeiterkind mit einem klar artikulierten linken Standpunkt. Auf seiner Gitarre ist der Spruch: This machine kills Fascists. Ihm und Allan Grant begegnete ich in den kommenden Tagen noch mehrfach, z.B. im Pub The Royal Oak, das auch dem Video als Kulisse dienen darf.

 
Dieser Pub ist ein weiterer wichtiger und gut bekannter Livemusikort in Edinburgh. Mir war das vorher nicht bewusst gewesen und ich kam eigentlich zunächst nur dorthin, weil es der Treffpunkt für eine geführte Tour war und ich sicher gehen wollte, dass ich es am Samstag Vormittag auch finden würde. Vor allem, nachdem ich überrascht feststellen musst, dass man nicht vom Bannerman's in den Jazz Club hinübergehen kann, weil sie auf unterschiedlichen "Etagen" der Stadt sind.

Allan Grant im Royal Oak
Im Royal Oak gibt es jeden Abend Livemusik mit unterschiedlichen Personen, die sich über die Woche verteilt dort einfinden. Neben den eben schon genannten ist Martin Boland dort etwa jeden zweiten Abend mit seiner Gitarre vorm Bierbauch in der Ecke zu finden. Es kommen z.B. Geigen und Celli dazu, manchmal auch durchreisende Musiker. An meinem ersten Abend (immer noch der Freitag), tobte der Pub unter den Stimmen fast aller Gäste. Am Samstag Vormittag hätte ich in Ruhe einen ausgezeichneten Whisky an der Theke ordern können. Im Keller gibt es auch noch einen Raum, in dem akustische Konzerte stattfinden (Sonntags 20:30 Uhr und während der Festivalsaison täglich).



Für den Samstag hatte ich mir eine Nachmittagssession im The Blind Poet ausgesucht. Auch dort gibt es jeden Tag Programm und regelmäßige kuratierte Sessions wie den Sunday Service oder die Freitäglichen (jetzt Samstäglichen) Wolf Sessions. Mein größtes Problem war, dass ich die Adresse nicht richtig verstanden hatte: 32 b W Nicolson St. war leider nicht in dem Abschnitt der Nicolson Street, der der Nummer entsprochen hätte. Statt dessen gab es dort überhaupt keine Nummer um die 30, sondern eine Lücke in der Numerierung. Sehr viel weiter südlich fand sich dann die W(est) Nicolson St. mit den fehlenden Nummern und damit auch der von mir gesuchte Pub.


Ich fand es sehr gemütlich dort und einladend. Das musikalische Programm war sehr gemischt. Als ich kam, war es eher Folk mit zwei Geigen und zwei wunderbaren Frauenstimmen. Interessant fand ich, das mehrere Personen dort die Musiker bzw. Gäste zeichneten. Noch interessanter, dass dies nicht nur mit Papier und Stiften geschah.


Im Anschluss gab es eher groovigen Pop von einer ziemlich jungen Truppe, die sehr sympatisch aufspielte. Sie wurden ordentlich angefeuert und ich verbrachte einen sehr schönen Samstag Nachmittag im Blind Poet.


Mit der Aufmerksamkeit in den Pubs ist  das natürlich so ein eigenes Ding. In der Regel ist die Band eine musikalische Untermalung. Die Gespräche werden weiter geführt - allerdings habe ich auch erlebt, das der ganze Pub singt. Den Vogel abgeschossen hatte für mich aber die Lösung im Biergarten neben dem Blind Poet, wo die Livemusik das laufende Fußballspiel (der Weltmeisterschaft) als Hintergrundprojektion akzeptieren musste.


Ein weiterer Pub, der mit viel Livemusik im Programm protzt, ist Finnegans Wake (9b Victoria St). Er hat sich hingegen in meinen Augen als nicht empfehlenswert erwiesen. Der Pub ist riesig und es läuft auf vielen Großbildschirmen Sport. Die Musik ist hier mehr so akzeptiertes Beiwerk und ich habe dort sehr schnell die Lust verloren.

Finnegan's wake
Der Band bringt dann keiner Aufmerksamkeit entgegen und der Geräuschpegel ist sehr hoch. Darüber hinaus ist es sehr voll und es ist ein großes Gedrängel.



Was in Edinburgh so los ist, findet man für jeden laufenden Monat nach Wochentage sortiert hier. Ein (f) bedeutet Free show und ein (r), dass der Musiker dort residiert.

Und dann gibt es natürlich noch jede Menge Straßenkünstler auf der High Street, von denen nicht alle Musiker Dudelsack blasen... Ich hatte am Montag das Glück eine Schar von blutjungen Folkmusikern zu erleben, die mit ihrer Spielfreude nicht nur mich in den Bann zogen. 


Statt - wie geplant endlich mal noch ein bisschen die Neustadt zu besuchen, blieb ich eine Stunde an der St. Giles Kirche stehen, um ihnen zu lauschen und habe sie anschließend in mein Wohnzimmer eingeladen. Ich bin sehr neugierig, ob diese Einladung jemals angenommen werden wird... 




Aus unserem Archiv:
Soul Remover, Edinburgh, 04.07.14 
FourPlay String Quartet, Edinburgh, 06.07.14
Meursault, Karlsruhe, 01.03.13
Simon Kempston und Iain Gordon Macfarlane, Karlsruhe, 04.11.12 
Folk im Pub, Oxford (UK), 10.09.12  

 

Konzerttagebuch © 2010

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