Dienstag, 26. April 2011

Snailhouse & Tricot Machine, Paris, 25.04.11


Konzert: Snailhouse & Tricot Machine
Ort: L'International, Paris
Datum: 25.04.2011
Zuschauer: etwa 100
Konzertdauer: Snailhouse etwa 50 Minuten, Tricot Machine minimal kürzer


Möglicherweise hebt jetzt wieder jemand sein Beinchen und versucht mich anonym von der Seite anzupinkeln: "Hey, am gleichen Abend hat doch James Blake in der Maroquinerie in Paris gespielt, schlechte Entscheidung zu Snailhouse ins International zu gehen."

Da kann ich dann nur sagen: "papperlapapp!" Wie immer habe ich gut entschieden, denn nicht nur Snailhouse waren toll, sondern auch die auf quebécois singenden Tricot Machine. Außerdem kenne ich James Blake nur als technisch sehr beschlagenen Tennisspieler.



Diesen kanadischen Abend durfte man einfach nicht verpassen, die Musik war gut, der Laden nicht überhitzt, das Publikum angenehm. Und Eintritt hat das Ganze auch nicht gekostet, was Taschengeld für CD-Käufe übrig ließ. Natürlich habe ich die neue Snailhouse- CD (gibt es auch auf Vinyl) Sentimental Gentleman erworben.

Morgen erzähle ich dann wie die neuen Songs live klangen. Dann auch mehr lobende Worte zu den enorm charmanten Tricot Machine.



Eben jene Tricot Machine hatten das Programm eröffnet. Es ging ungewöhnlich spät los, was sicherlich daran lag, daß heute nur zwei anstatt üblichen drei Acts angesetzt waren. Weniger Masse, mehr Klasse, so wohl das Motto.

Tricot Machine hatte man mir im Februar mal zu einer Oliver Peel Session vorgeschlagen, aber leider funktionierte das Ganze aus terminlichen Gründen nicht. Nach dem heutigen Konzert ist mein Bedauern noch größer, denn die Kanadier bezauberten mich auf ganzer Linie. Niedlichkeits-und Charmefaktor 1000, wirklich wahr. Wie süß allein diese Catherine Leduc aussah! Grünes Kleidchen, rote Strumpfhose, rote Entchenschuhe und eine Eulenkette, so ihr Look. Noch tausendmal besser war aber ihr umwerfendes Lächeln. Ich hatte es mir vorne am rechten Bühnenrand bequem gemacht, als sie mich plötzlich mit ihren strahlenden blauen Augen ankicherte. Ich war wie vom Blitz getroffen, hatte hunderte Schmetterlinge im Bauch und wünschte mir für ein paar Minuten nichts sehnlicher, als ihre Hand zu berühren. Unschuldig und mit pochendem Herzen Händchen halten, wie damals als ich noch jung war und die ersten Mädchen datete, das wäre es jetzt gewesen Hach!

Ging aber natürlich nicht, denn ihr Ehemann war nicht allzuweit entfernt, er hieß Matthieu Beaumont und spielte in der Band Piano. Ein gemischtes Duo also, das aber heute zum Quartett hochsterilisiert worden war. Hinten agierte ein Drummer mit Kaffekannen- T Shirt und rechts an der Seite ein zweiter Pianist/Orgler. Eine tolle Truppe, diese vier Sympathen, die mir mit ihren unschuldigen Balladen, wundervollen Melodien und nicht zuletzt ihrem krassen Akzent aus Quebec ein Dauerlächeln auf die Lippen zauberten. Die musikalische Stimmung variierte von Lied zu Lied. Es gab sowohl heitere Mitklatschnummern, als auch nachdenkliche Melancholiesongs, die auf das Wundervollste instrumentiert wurden. Oft kam eine sentimentale Melodica zum Einsatz, immer wieder auch ein süßlich klimperndes Glockenspiel. Die Mischung aus fröhlichen und besinnlichen Songs war perfekt und schuf eine harmonische, ausgewogene Atmosphäre. Bedacht wurden beide Alben, sowohl vom Erstling, als auch von La Prochaine Étappe wurden Stücke gespielt. Zu kaufen gab es hinterher aber lediglich das neue Werk, das mit witzigen Gimmicks aufwarten konnte (kauft es, dann wisst ihr, was ich meine...).

Gegen 22 Uhr 45 war dann Schluß mit lustig, nun standen Snailhouse an. Ebenfalls Kanadier, allerdings der französischen Sprache nicht mächtig, obwohl die vier Musiker zum Teil in Montreal leben. Eine Band, angeführt von Michael Feurstack, die durch eine wundervolle Oliver Peel Session weltberühmt geworden war und seitdem 100 000 e Alben verkauft. Die Jungs kommen mit dem Pressen nicht mehr hinterher, so heftig ist der Hype geworden. Das neue Album Sentimental Gentleman verkaufte sich wie eine warme Semmel, aber auch das umfangreiche Altwerk wurde Snailhouse aus den Händen gerissen.

Konzentrieren wir uns auf den aktuellen Output, die alten Sachen kennt eh jeder. Sentimental Gentleman wurde quasi komplett durchgespielt. Durch die Bank weg melodiöse Stücke, die aber nie ins Hymnische abdrifteten, sondern Brüche aufwiesen, mit sphärischen Gitarrenparts überraschten und von Feuerstacks leicht rauchiger Stimme nach vorne getrieben wurden. Das Tempo nie sonderlich hoch, meist schleppend und an einigen Stellen verharrend, um den Lyrics besonderen Ausdruck zu verleihen. Snailhouse zelebrierten oft die Gemächlichkeit, das Innehalten, die Beobachtung. Man merkte, daß man es nicht mit ungestümen Jungspunden zu tun hatte, die auf Teufel komm raus folkrocken was das Zeug hält. Die Kanadier suchten nie den direkten Hit, verzichteten auf Bubblegumrefrains à la Band Of Horses und wussten gerade dadurch zu faszinieren. Eine Band, die zum Zuhören auffordert, keine deren Songs man auf Anhieb mitpfeifen kann. Dennoch aber nicht wirklich sperrig, sondern sich langsam aber stetig in die Gehörgänge einbrennend. Bin mir ziemlich sicher, daß mich Tracks wie Great Storrytellers, Daydream oder Sentimental Gentleman noch eine Weile begleiten und beglücken werden.

Abgeschlossen wurde heute durch Clean Water, bei dem Feuerstacks markante Stimme besonders zu Geltung kam. Und weil das Publikum so stürmisch applaudierte, setzte man noch die Ballade Airwaves obendrauf. Schön!



Links:

- Snailhouse, Oliver Peel Session, Paris, 07.11.2010, klick
- Sehr lesenswert: Das Klienicum zu Sentimental Gentleman, klick!

Ausgewählte Konzerttermine von Snailhouse (ohne Gewähr):

03.05.2011: Arena, Wien
04.05.2011: Glockenbachwerkstatt, München
05.05.2011: Hafen 2, Offenbach
06.05.2011: Pools, Göttingen
07.05.2011: Franz Mehlhose, Erfurt
08.05.2011: NBI, Berlin
09.05.2011: Cafe Central, Magdeburg
10. 05.2011: Astra Stube, Hamburg
18.05.2011: Rubinrot, Köln
21.05.2011: UT Connewitz, Leipzig





4 Kommentare :

E. hat gesagt…

wow, januar 2008: http://dasklienicum.blogspot.com/2008/01/glotzt-nicht-so-romantisch-14-tricot.html

Anonym hat gesagt…

Bore me, tell me things I already know! *


Ach scheisse, Oliver, haette ich bloss gewusst, dass Snailhouse so spaet anfangen!
James Blake hat bis 22Uhr30 gespielt, danach hab' ich den Bus nach Hause genommen.

Uschi aus P.

* Das Lied (Tonedeaf Birds)find' ich wunderschoen. Haben sie das gebracht?

Thomas hat gesagt…

Schöner Bericht. Besten Dank.

Kleines Update zu den Tourdaten: Snailhouse spielen am 18. Mai im Kölner Rubinrot und das Konzert in Leipzig findet am 21. Mai im UT Connewitz statt.

Oliver Peel hat gesagt…

@ Thomas: Habe die beiden Daten nachgetragen und auch noch den Termin in Magdeburg :)
Danke für die Info!

@ Uschi: Tonedeaf Birds wurde nicht gespielt, dafür aber viele andere schöne Stücke. Habe mal dein Video eingebunden :-)

 

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