Dienstag, 27. November 2007

Two Gallants, Paris, 27.11.07


Konzert: Two Gallants

Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 27.11.2007
Zuschauer: reichlich


"Lern was Ordentliches, damit aus Dir was wird!" Wer hat diese Floskel nicht in (un)-schöner Regelmäßigkeit von seinen Eltern zu hören bekommen?

Adam Stephens und Tyson Vogel von den Two Gallants scheinen da mehr Glück gehabt zu haben. Ihre Eltern waren
heute abend in der Pariser Maroquinerie nämlich sogar im Publikum und dies nicht zum ersten Mal. "Vielen Dank an unsere Eltern, die zum fünften Gig in Folge dabei sind und uns bei dem, was wir machen, sehr unterstützen!". "Allerdings geht es für sie anschließend wieder zurück nach San Francisco". Sänger, Gitarrist und Mundharmonika-Spieler Adam war ziemlich gerührt, als er mit diesen Worten circa. in der Mitte des Konzerts seinen Erzeugern dankte. Muß ja auch ein schönes Gefühl sein, wenn Mami und Papi einem beim Ausüben seiner Leidenschaft zusehen. Toll, wenn Eltern nicht nur Stolz sind, wenn der Filius Anwalt, oder Arzt geworden ist.

Aber wie kann man auch nicht davon überzeugt sein, daß sich die Kinder für den richtigen Weg entschieden haben,
wenn man sieht, wie Stephens und Vogel für ihre Musik leben, ja geradezu in ihr aufgehen. Kaum eine andere Band legt soviel Herzblut, Inbrunst und Engagement an den Tag wie das teuflische Duo aus Kalifornien. Wenn der hagere Adam in sein Mikro krächzt und keift, daß ihm die Adern anschwellen, bleibt kein Auge trocken. Das Gleiche gilt für Tyson. Ich kenne keinen Drummer, der sich an seinem Instrument so verausgabt. Mit seinen langen Haaren betreibt er regelrechtes Headbanging. Mit dem ganzen Körper wippt er auf und ab, hämmert, klöppelt, oder streichelt seine Drums, ganz wie er es braucht. Das allein ist schon das Kommen wert, aber es gibt natürlich auch noch die oft rohen und ungehobelten Lieder zu hören, die von den Two Gallants mit einem Einsatz gespielt werden, als hinge davon ihr Leben ab. Manchmal melancholisch schön, manchmal aber auch hart und punkig, immer aber versehen mit herrlich zynischen und desillusionierten Texten. "I killed my wife today, dropped her body in the frisco bay, i had no chance it was the only way" ("Steady Rollin"), " I put you in my collection of regrets" ("Las Cruces Jail"), oder auch "who is gonna save me from myself?" ("Crow Jane"), wer textet schon süß-saurer? Und wer ist schon fleißiger als das amerikanische Duo? Vor ein paar Monaten erst, ist ihre wunderschöne, in Moll gehaltene EP "The Scenery Of Farewell" erschienen, da gibt es mit dem neuen Longplayer , der schlicht nach der Band benannt ist, schon wieder Nachschub. Von diesem stammten auch die beiden frühgespielten Stücke "Despite What You've Been Told" und "Reflections Of The Marionette", ansonsten aber...nichts! Erstaunlich, aber wahrscheinlich wollten sie nicht bloß Neues herunterleiern, sondern den Fans eine kunterbunte Mischung aus dem ersten Album "The Throes", dem Nachfolger "What The Toll Tells", der erwähnten EP und dem neuesten Output bieten. Zwei meiner Favoriten wurden immerhin hintereinander gespielt und zwar das traumhafte "Seems Like Home To Me", bei dem selbst der härteste Cowboy eine Träne verdrücken könnte und gleich im Anschluß das nicht minder wundervolle "Steady Rollin", bei dem neben den oben zitierten Textzeilen auch die Stelle "i'm waltzing with the holy ghost" sehr amüsant ist. Etwas verwundert war ich allerdings, daß sie später von der klaifornischen Band Happy Campers ein Lied coverten, obwohl sie doch so viel eigenen, spielenswerten Stoff hatten. Das Cover war zwar durchaus gelungen, ich hätte mir allerdings lieber "Threnody" gewünscht oder auch alternativ "The Hand That Held Me Down" bzw. "The Prodigal Son". All diese Perlen kamen aber nicht mehr, was wirklich sehr schade war. Zumindest der Folk-Punk Klassiker "Las Cruces Jail" (mein Gott, die Kuttner!) wurde dem Publikum aber nicht vorenthalten und so tanzten und sangen dann auch Franzosen, zahlreiche Amerikaner und auch Deutsche (neben mir standen noch zwei andere "Germans") zu dem bekanntesten Song der Band. Es sollte vorerst der Letzte sein. Aber wirklich nur vorerst. Denn entgegen der Aussage von Adam Stephens "we have almost finished yet", die nach circa 50 Minuten Spielzeit kam, ging es noch ziemlich lange weiter. Am Ende hatte das Duo über 100 (!) Minuten mit höchstem Einsatz gespielt. Vorangegangen war eine erste Zugabe, "Waves Of Grain", die sich auf für die Gruppe typische Weise über 10 Minuten hingezogen hatte, ein anschließendes Verschwinden der Burschen und die zweite Widerkehr mit dem mir bisher nicht bekannten "Damnatio Memoriae". Ein gutes Stück zweifelsohne, aber "Linger On" wäre mir lieber gewesen. Mein lauthals herausposaunter Wunsch, diesen Schmachtfetzen doch bitte zu spielen, blieb jedenfalls unerwidert. Mit " Crow Jane" vom ersten Album ("The Throes") wurde dann aber noch ein würdiger Abschlußtitel ausgewählt. Adam hatte sich wieder einmal die Seele aus dem Leib geschrien und Tyson's Arm war sicherlich weichgeprügelt. Sehr schön, daß ihre Eltern das unterstützen...

Setlist Two Gallants, Paris, La Maroquinerie:

01: Two Days Short Tomorrow
02: Despite What You've Been Told
03: Reflections Of The Marionette
04: Instrumental
05: Liza Jane (B-Seite)
06: Long Summer Day
07: Seems Like Home To Me, übergehend in
08: Steady Rollin'
09: Drive My Car
10: Happy Campers Cover11: Instrumentalintro übergehend in
12: Las Cruces Jail

13: Waves Of Grain (Z)

14: Langes Intro, übergehend in:
15: Damnatio Memoriae (Daytrotter Session 2006) (Z)
16: Crow Jane (Z)

Photos mit freundlicher Genehmigung von Robert Gil, der auf seiner Webseite photosconcerts inzwischen Bilder von über 2000 (!) Konzerten hat. Merci Robert!



4 Kommentare :

E. hat gesagt…

sehr schön. stehen anfang dezember auch bei mir im kalender, zusammen mit den wunderbaren blitzen trapper (dringend empfehlung, falls diese an der haustür klopfen!).

Oliver Peel hat gesagt…

Gute Entscheidung, Eike! Ach ja und Blitzen Trapper habe ich verpasst, ich Penner!

Hab' aber mal deren aktuelle CD erworben.Interesse, Eike?

E. hat gesagt…

das scheibchen liegt bereits vor, aber danke fürs angebot!

Oliver Peel hat gesagt…

Immer gern, Eike. Ich sammele gerade für Dich, hoffe das geht diese Woche noch raus.

 

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