Sonntag, 4. November 2007

Siouxsie, Köln, 03.11.07


Konzert: Siouxsie

Ort: Live Music Hall Köln
Datum: 03.11.2007
Zuschauer: nicht ausverkauft


Das erste Lied meines ersten Indie-Mixtapes war "Hong Kong Garden" von Siouxsie & The Banshees. Siouxsie Sioux ist also Teil meiner musikalischen Früherziehung und hat meinen Geschmack bis heute geprägt.

"Hong Kong Garden" (und damit Siouxsie) lerne ich zehn Jahre nach seiner Veröffentlichung kennen, und obwohl die Band danach noch existierte und auf Tour war, habe ich es nie geschafft, diese Idole einmal live zu sehen. Also war meine Freude riesig, als ein Solo-Konzert von Siouxsie in Köln angekündigt wurde. Neugierig kaufte ich mir ihre Solo-Platte "Mantaray", die Potential für eine riesige Enttäuschung hätte haben können, die aber ok ist. Meine Hoffnung war aber natürlich, daß auch einige meiner alten Lieblinge gespielt würden, "Spellbound", das sensationelle Cover "The passenger", "Hong Kong Garden", "Christine" oder "Strange fruit" oder die vielen anderen großen Hits.

Beginn des Konzerts sollte 19.30 Uhr sein. Bis dahin war die Live Music Hall ganz gut gefüllt. Das Publikum war (wenig überraschend) deutlich älter als bei anderen Indie-Konzerten in Köln. Viele hatten Siouxsies musikalische Anfänge sicher live miterlebt. Auch mußte ich das ein oder andere mal zweimal hinsehen, um festzustellen, daß Zuschauer nicht der ehemalige Banshee und heutige Cure-Sänger Robert Smith waren, ihm nur sehr glichen.

Ganz pünktlich trat dann eine fünfköpfige Band namens Tripoli auf. Die beiden Gitarristen, die rechts und links außen standen, waren mit Sicherheit Brüder, vermutlich Zwillinge, sie glichen sich bis zum bordeauxfarbenen Hemd. Zusätzlich zu den vermeintlichen Brüdern gehören eine Sängerin, ein Bassist und ein Schlagzeuger, der sehr brav aussah, zu der belgischen Band. Der Bassist erzählte mir nach dem Konzert, sie seien der Siouxsie-Support für Benelux und Köln. Gesungen hat neben der Sängerin der rechte Gitarrenbruder. Immer, wenn beide Stimmen zusammentrafen, gefielen mir die Lieder besonders gut. Aber auch der Rest war gut. Allerdings war die Stimmung eher mau. Schade, denn schlecht ausgewählt war die Band nicht. Die Stimme von Sängerin Femke war nämlich Siouxsies Stimme manchmal verblüffend ähnlich. Ich dachte noch, daß das ja sehr pragmatisch sei, weil man, sollte Siouxsie unpässlich sein, Femke aufbieten könnte...

Setlist Tripoli Live Music Hall Köln:

01: Couldn't find
02: New rose
03: Rocky roads
04: Nieuw hond
05: Mastermind
06: Nieuw zacht ?
07: Bye bye
08: Some hearts

Als Tripoli dann mit ihrem gut halbstündigen Acht-Lied-Set (u.a. mit ihrer nächsten Single "Bye bye", einem sehr schönen Lied!) fertig waren, sah ich meine Vision auch schon fast eintreten. Denn nachdem der Umbau schnell beendet war, tat sich ewig nichts. Es war zu erwarten, daß Siouxsie um halb neun auftreten würde. Es kam nichts und niemand - nur ab und zu der Chefroadie, um noch einmal zu kontrollieren, ob der Bass gestimmt ist. Das Publikum wurde langsam unlustig und unruhig. War nicht auch irgendein Konzert des Ex-Sex-Pistols Groupies abgesagt worden?

Um kurz nach neun, nach einer Stunde Wartens, erschien dann aber doch nicht Femke (schade eigentlich!) sondern der Roadie (oder Tourmanager) und strich erst einmal "Spellbound" von allen Setlisten. Denn um zehn sollte Disko in der Live Music Hall sein, durch die Verzögerung mußten also Sachen geopfert werden. Na toll! Aber mein anderer Liebling "Hong Kong Garden" blieb wenigstens auf der Liste, ich war aber trotzdem enttäuscht.

Vor mir hatte sich in der Zwischenzeit der Bassist aufgebaut. Dessen Instrumente hatte ich vorher schon bewundert. Denn einen transparenten Bass mit Hologramm-Glitzer Folie in der Mitte hatte ich noch nie gesehen. Eine herrlich geschmacklose Sache! Daneben hatte er aber einen klassischen Kontrabass. Sehr variabel. Aber auch das Bühnenoutfit des Bassisten selbst war, nun, ungewöhnlich. Er trug einen Dreiteiler mit roter Krawatte, hatte aber das Hemd in der Eile vergessen. Dazu hatte er metallicrote Schuhe an, die nach Damenschuhen aussahen.

Hinter ihm stand ein Mann, der vorher schon neben mir im Publikum gestanden hatte, und der Xylophon und Percussion spielen sollte. Ein Schlagzeuger, eine überhaupt nicht nach Rockstar (sondern sehr brav bzw. spießig) aussehende Keyboarderin und ein in Leder gehüllter Gitarrist komplettierten die nicht-Banshees. Und dann kam Susan Janet Ballion auf die Bühne. Die fünfzigjährige Punkikone hat sich gut gehalten. Um genau zu sein, hat sie sich so gut wie Iggy Pop gehalten. Beide haben einen durchtrainierten, schlanken Körper - aber darauf den Kopf einer Punkikone...

Siouxsie trug auch Lederkram (auch im Publikum hatten einige ihre besten Ledermäntel und -hosen aus dem Schrank genommen), ein strukturiertes Oberteil, eine Lederhose und eine Gürteltasche, wie sie Kellner oder Dachdecker tragen.

Das erste Lied erschien mir schrecklich abgemischt. Der Bass war viel zu laut und dumpf. Das besserte sich später glücklicherweise, ich hatte schon ganz schlimme Befürchtungen (die hatte ich wohl den ganzen Abend, merke ich gerade). Die ersten drei Lieder stammten vom aktuellen Soloalbum. Siouxsies Stimme wirkte gut. Die Stimme, die mir so vertraut ist, auch wenn es die Lieder von "Mantaray" noch nicht richtig sind. Das ging aber offenbar nicht nur mir so, denn mir kam das Publikum zwar sehr wohlgesonnen aber nicht ausufernd begeistert zu sein. Irgendwann hatte ich im Gegensatz zu vielen andern genug Bilder gemacht, mit perfektem Timing, denn Siouxsie sagte, sie blicke gerade in zig "fucking camera lenses" und machte danach wegwischende Gesten, wenn jemand vorne fotografierte. Ansonsten sprach die Punktante nicht furchtbar viel.

Im regulären Teil des Programms spielte die Band zwei alte Stücke, bei denen die Stimmung besser wurde, das ist aber ja weder überraschend noch unüblich. Überraschend war aber, wie viele Leute schon früh den vorderen Bereich des Saals verließen. Das war wirklich auffällig. Es fühlte sich also wohl mancher enttäuscht, ich auch, wenn ich ganz ehrlich bin, dem Konzert fehlten Herz und Leidenschaft. Genau - und konkret - kann ich das nicht beschreiben, es war ein vages Gefühl, kein großes Konzert zu sehen.

Nach Ende des normalen Sets gingen noch mehr Leute. Die Band kam wieder und spielte "Israel". Dabei erschien mir Siouxsies Stimme schrecklich brüchig. Es folgte zwar noch "Spellbound", aber auch das ließ mich mittlerweile ziemlich kalt. Als die Band dann noch zu einer zweiten Zugabe rauskam (und damit statt der geplanten 18 nur 14 Lieder in einer knappen Stunde gespielt hatte), war ich sogar froh, daß es vorbei war...

Setlist Siouxsie Live Music Hall Köln:

01: They follow you
02: About to happen
03: Here comes that day
04: Arabian nights
05: Nightshift
06: Drone zone
07: Loveless
08: If it doesn't kill you
09: Sea of tranquility
10: One mile below
11: Into a swan

12: Israel (Z)
13: Spellbound (Z)

14: Cish cash (Z)

von der Setlist gestrichen wurden:

- Hello I love you
- Dear prudence
- Hong Kong Garden
- Heaven & Alchemy
- Nicotine stains

Fotos folgen!



4 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Hallo Christoph,

unbekannt und anonym schreibe ich mal kurz meine Meinung zu deinem Bericht bzw. dem Konzert:
Erstmal Danke für die Playlist! Auf der Suche nach sowas bin ich über diese Seite gestolpert...

Ich seh das Konzert etwas anders als Du, waren wir auf dem selben Event? ;-)

Ja, die Wartezeit zwischen Vorband und Siouxsie war sch..sse lang und fast unverschämt - und hat sicher auch das ein oder andere Lied extra gekostet. Aber für die 26€, die die Karte gekostet hat, kann ich damit leben. Jeder Midlife-Crisis-Revival-Act zieht heutzutage mindestes 35-40€ vom Tisch, da fand ich Siouxsie mit 70min etwas kurz, aber noch vertretbar - denn....es war GEIL!!! :-)

Ok, dem Soundmischer wünsche ich ein paar Sackratten - gerade am Anfang war der Sound viel zu laut und die Stimme zu leise, zwischenzeitlich wurde es mal fast unerträglich bzw dachte ich, dass gleich irgendein Amp die Flügel streckt...aber vielleicht ist es in der Live Music Hall immer so? Erstaunlich viele Leute hatten Stöpsel in den Ohren...
Sind vielleicht deshalb auch vorne so "viele" Leute abgehauen...
Nun gut - es war bei vielen Lieder ein dreckiger und lauter Krachsound - Punk und Energie pur! :-)

Die Liederauswahl fand ich gut. Natürlich wird bei einem Solokonzert primär das (neue) Album gespielt, welches ich übrigens ganz hervorragend finde - im Gegensatz zu vielen neuen Alben alter Veteranen, die es noch mal probieren wollen...

Die Frau ist 50 - da ist es klar, dass die Stimme nicht mehr so klingt, wie auf den Alben vor 25 Jahren...Kim Wilde oder Debbie Harry ergeht es momentan auch nicht anders, wenn sie auftreten und man manchmal etwas peinlich berührt ist.
Arabian Knights hörte sich teilweise grausam an - aber es wurde gespielt...ich als Fan und Kunde war zufrieden...

Und die Stimmung? Also ich hab sie teilweise als grandios mitbekommen. Frenetischer Applaus und Jubel, tolle Stimmung...das konnte ich selbst trotz meiner ungestöpselten und "tauben" Ohren mitbekommen...

Bei einem Satz deines Berichtes musste ich lachen, sorry:
"Es fühlte sich also wohl mancher enttäuscht, ich auch, wenn ich ganz ehrlich bin, dem Konzert fehlten Herz und Leidenschaft"

Ich gehe oft auf Konzerte...ich habe viele gute gesehen, auch das ein oder andere wirklich schlechte - aber was diese "alte Frau" da teilweise an Energie und Performance abgeliefert hat, fand ich grandios und aller Ehren wert.
Um es mal mit anderen alten Bühnenheroen zu vergleichen:
Ich persönlich würde lieber demnächst noch mal 60€ für Siouxsie bezahlen (ok, 90 Minuten müssten sein ;-)), als mich für 26€ noch mal bei Depeche Mode zu langweilen - soviel zum Thema Herz und Leidenschaft.

Die Geschmäcker sind unterschiedlich, ich bin auch mal auf andere Kritiken gespannt.
Ich fand es einfach geil, es war mein erstes (und wahrscheinlich leider auch letztes) Siouxsie-Konzert, für wenig Geld beim Rausgehen ein breites Grinsen im Gesicht - perfekter Abend...

Trotzdem - schöner Bericht!

Oliver Peel hat gesagt…

Da Christoph schon wieder zum nächsten Konzert unterwegs ist:

Vielen Dank an Daniel für den ausführlichen und interessanten Kommentar!

Wir freuen uns immer sehr über rege Beteiligung und Meinungen anderer Konzertbesucher.

Gerade wenn Konzerte kontrovers diskutiert werden, ist das bereichernd für diesen Blog.

Christoph Bilder von Siouxiesie findet man vorab schon hier:

http://www.flickr.com/photos/-christoph-/sets/72157602888073488/

Anonym hat gesagt…

Moin zusammen! Okay, das Konzert war etwas kurz, aber ansonsten fühlte ich mich doch an meine Jugend erinnert - habe das erste Konzert von Siouxsie
1982 in Amsterdam am Melkweg gesehen... Grüße, Schmirk

Anonym hat gesagt…

Klar, Siouxsie war in Höchstform mit Budgie, Steven Severin und John Mc Geoch an der Gitarre ( der ja leider schon tot ist, aber 1000mal besser war als Robert Smith... ) - trotzddem, es war ein geiles Konzert! Schade - früher wurde bei Spellbound noch richtig Pogo getanzt - aber die Leute werden halt älter.
Danke für die Playlist!

So long, James

 

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