Mittwoch, 6. Juni 2007

Kaiser Chiefs & Good Shoes, Paris, 05.06.07


Konzert: Kaiser Chiefs & Good Shoes

Datum: 05.06.2007
Ort: L'Olympia, Paris
Zuschauer: ausverkauft


Wenn man wie ich im Falle der Kaiser Chiefs eine Gruppe zum neunten Male live sieht, muß sie einfach gut sein! Und dass es mir immer noch nicht langweilig wird, spricht auch für die Band um Leadsänger Ricky Wilson... "Neun mal, das ist doch gar nicht so viel, habe Klee schon 173 mal gesehen", werden vielleicht jetzt einige Leser entgegnen,o.k. mag sein, für mich ist es aber ein persönlicher Rekord!

Um die gute Vorgruppe Good Shoes aus London nicht zu verpassen, hatte ich mich sehr frühzeitig auf den Weg zum altehrwürdigen Olympia in der Nähe der Opera Garnier gemacht. "Altehrwürdig" heißt aber - wie so oft - auch ein wenig verstaubt, denn wenn nicht gerade die Kaiser Chiefs oder Bloc Party für neuen, frischen Wind sorgen, spielen hier auch gerne mal Oma-Lieblinge wie Julio Iglesias, oder Mireille Mathieu...

Das Viertel ist aber auch wirklich stockkonservativ, nicht selten begegnen einem Junganwälte oder Investmentbanker mit Brille und Aktenköfferchen, vor dem Eingang.

Drinnen war es hingegen zum Glück bunt gemischt, das vornehmlich französische und englische Publikum war schätzungweise zwischen 14 und 44 Jahre alt. Mit Sicherheit schon gegen Ende vierzig war allerdings der Herr am Merchandising-Stand der Kaiser Chiefs. Erstaunlicherweise immer der Gleiche, ich erkannte ihn sofort wieder, hatte ihn schon in Frankfurt und zahlreiche Male in Paris gesehen. In seinem schönen "Laden" hatte er so einige neue Kaiser Chiefs T-Shirts zu bieten, unter anderem eines mit dem Schriftzug "Run KC", in Anspielung auf die Rap-Band Run-DMC. Mir stehen die Dinger allerdings wirklich nicht, ich besorgte lieber für Cécile das Grüne mit dem "I read The Angry" Aufdruck. Der anschließende Plausch mit dem netten Herren war sehr herzlich und endete mit einem Handschlag und der Bemerkung: "See you very soon"...

Als Aufwärmer für die Band aus Leeds mühten sich die Good Shoes dann redlich ab, ohne allerdings die verdiente Aufmerksamkeit und den Applaus für ihr unterhaltsames Set zu bekommen, daß mit zahlreichen kleinen Indie-Pop Hits gespickt war. Einer dieser Hits war das zackige "Morden", das gegen Mitte des Konzerts gebracht wurde. Da kam zum ersten Mal so etwas ähnliches wie Stimmung auf, zumindest ansatzweise. Das Pariser Publikum schien gewohnt zurückhaltend und trantütig zu sein. Dabei war das doch wirklich äußerst tanzbarer Stoff, der hier geboten wurde, ich ging jedenfalls ab wie wild. Schließlich war ich gekommen, um Spaß zu haben und nicht dumm herumzustehen, oder gar auf einem Sessel zu sitzen, wie die Langweiler auf den oberen Rängen. Hiermit schwöre ich mir selbst, noch im Alter von siebzig Jahren - tanzbare Musik vorausgesetzt - auf Sitzplätze bei Konzertbesuchen zu verzichten (es sei denn, ich hatte in der Zwischenzeit einen Schlaganfall, oder etwas ähnlich Schreckliches...)! Es lebe die Euphorie! Die packte mich bei "Never meant to hurt you", aber auch "We are not the same", mit den gelungenen schnellen Gitarrenriffs zum Eingang, kam gut. Aber es half irgendwie alles nichts, die meisten Leuten verharrten wie angewurzelt auf ihren Plätzen. Ich empfehle den Herrschaften, demnächst auf die Einnahme von Valium vor Konzerten zu verzichten!

Setlist Good Shoes Paris:

01: Nazanin
02: The Photos On My Wall
03: Wait
04: Ice Age
05: Small Town Girl
06: Everybody Is Talking
07: Never Meant To Hurt You
08: Morden
09: We Are Not The Same
10: All In My Head

In der Pause trat dann eine junge Frau auf die Bühne, die mit einem entsprechenden schwarzen T-Shirt bekleidet, Werbung für die Aids-Hilfe und das im Juli stattfindende Festival "Solidays" machte. Auch ihr fiel auf, daß das Publikum kaum Reaktion zeigte und machte deshalb in der Folge mehrmals Kommentare diesbezüglich: "Oh, ich sehe, ihr seit unglaublich ausgeschlafen heute abend" ( "Vous êtes vachement reveillé ce soir"). Aber eine Message kam zumindest an: die Kaiser Chiefs werden auch bei den Solidays spielen und da bin ich natürlich auch wieder dabei!

Die nachfolgenden Umbauarbeiten waren dann ganz unterhaltsam, weil ein Schlagzeug-Set hereingetragen wurde, auf dem man das Konterfei von Bruce Lee (ja, ja, der Karate-Kämpfer) sehen konnte und auch das Keyboard, auf dem später Peanut spielen sollte, war schon zu erkennen. Auf der rückwärtigen Wand sah man in einem sehr amerikanisch aussehenden Schriftzug "Kaiser Chiefs" prangen. Um Punkt 21 Uhr konnte es dann endlich losgehen. Und wie es losging, gleich zum Einstieg wurde einem "Everyday I love you less and less" um die Ohren geknallt. Das Pariser Publikum schien endlich aufgewacht zu sein, die Wirkung des Valiums ließ wohl nach... Es war aber auch wirklich nicht die Zeit wegzudämmern, zu Kaiser Chiefs kommt man schließlich um sich zu amüsieren wie Bolle. "When the heat dies down" konnte das hohe Anfangstempo spielerisch halten und Ricky Wilson war auch schon wieder auf hundertachtzig. Wie hält der Mann das durch? Ist er hyperaktiv? Eines seiner Geheimrezepte soll angeblich sein, vor den Gigs in voller Lautstärke Panterra oder Metallica zu hören, denn "Mit Coldplay kommt man einfach nicht wild drauf", so Ricky...

Lalala, summten ich und tausend andere Kehlen den Refrain mit, es war wie immer köstlich. Wem das nicht gefällt, der hat einfach keinen Humor, denn Kaiser Chiefs sind Fun und Extase pur! "Ruby Ruby Ruby" schrie dann im Anschluß das ganze Olympia mit. Wer da noch auf seinen Sesseln kleben blieb, war wirklich schon scheintod. Klar ist das keine ausgefeilte Songwriterkunst, aber: "Who cares?" Bei "Na na na" gefiel mir wie immer der Text des Refrains ausgezeichnet, da muß man nämlich erst mal drauf kommen! Die Dampfwalze Kaiser Chiefs war auf jeden Fall gut geölt, Ricky sprang und heizte an, als hätte er dieses Showtalent schon mit der Muttermilch aufgesogen. Aber auch Peanut, heute ohne Hütchen, durfte mal nach vorne ans Mikro. Ein kurzes "Bonsoir" war aber auch schon alles, was er hervorbrachte.

Er fühlt sich halt hinter seinem Keyboard wohler. Ein weiterer Herr hatte einen kurzen Auftritt, ich glaube, es war ein Roadie mit Namen David, dem die Ehre zu Teil wurde, mit der Band vor großem Publikum mit Champagner auf seinen Geburtstag anstoßen zu dürfen. Ricky knallte hierbei, gewohnt verrückt, den Champagnerkorken weit ins Publikum, bevor er David ein Gläschen eingoß. Danach schenkte er aber nur noch dem Publikum ein, dafür aber gewaltig! Nach dem zum ersten Mal vor meinen Augen live gespieltem "My kind of guy", wurde nämlich der Aufruhr nicht nur vorausgesagt, sondern auch in die Tat umgesetzt. "I predict a riot" knallte noch genauso gut wie in der Boule Noire im März 2005, bei meinem ersten Konzert mit der Band aus Leeds. Zu Zeiten, als es nur das erste Album "Employment" gab, wäre damit das Beste fast schon gelaufen. Auf dem neuen Opus findet sich aber ein Stück mit ähnlichem Potential: "The angry mob"! Sensationell hieran ist, daß das Stück in zwei Teile aufgeteilt ist, der erste wird besungen mit Zeilen wie: "I can prove anything", der zweite noch wesentlich bessere Part enthält den prägnanten Satz: "We are the angry mob, we read the papers everyday". Mit Sicherheit handelt es sich um das komplexeste, möglicherweise auch das stärkste Lied der Band bisher...

Damit wurde auch perfekt das offizielle Set nach circa einer Stunde Spielzeit beschloßen. Das Olympia war endlich zum erhofften Hexenkessel geworden, es wäre auch gelacht gewesen, wenn es die Engländer nicht geschafft hätten, die Franzosen aus der Reserve zu locken.

Die Zugabe wurde dann mit "Highroyds" und standesgemäß mit "Oh my god" bestritten. Leider konnte Ricky wegen der Absperrung vor der Bühne kein Crowdsurfing betreiben, was ihn aber nicht davon abhielt, das Geländer zu stürmen und den Leuten vor ihm stehenderweise einzuhetzen.

Fazit: Geil wie immer!

Setlist Kaiser Chiefs Paris:

01: Everyday I love you less and l
ess
02: Heat dies down
03: Ruby
04: Learnt my lesson well
05: Na na na na na
06: Thank you very much
07: I can do it without you
08: The modern way
09: Everything is average nowadays
10: My kind of guy
11: I predict a riot
12: Take my temperature
13: The angry mob

14: Highroyds (Z)
15: Oh my god (Z)

Links:

- mehr Fotos
- Kaiser Chiefs in Paris
- Kaiser Chiefs in Wuppertal

von Oliver


4 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Noch ein Konzert, das ich gerne geshen hätte, aber in meinem derzeitigen Kalender nicht unterbringen konnte. Immerhin hab' ich KC auch schon deimal gesehen (Cigale, Bataclan und Reading).

In der Tat eine beeindruckende Vollgas-Liveband

Christoph hat gesagt…

Oh, da wäre ich auch gerne gewesen. Aber Art Brut ist seltener.

Das Foto von den Good Shoes ist getürkt, das stammt aus Köln...

Oliver Peel hat gesagt…

@ Christoph: Was hast Du gegen meine schönen Good Shoes-Photos einzuwenden, die ich gestern gemacht habe, Christoph?

@ W: Hallo! Schade, dass Du es nicht geschafft hast, zu kommen. In Deinem Kalender auf Deinem schönen Blog war der Gig doch vorgemerkt, oder?
Aber Du warst in Reading ? Auf dem Festival? Wie toll!

Christoph hat gesagt…

Nichts, die habe ich nur nicht gefunden. Die waren wohl nicht im gleichen Set. Das ändere ich dann mal.

 

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