Datum: 21.06.2007
Ort: La Maroquinerie + Le Nouveau Casino, Paris
Zuschauer: mäßig besucht (Maroquinerie), sehr voll (Nouveau Casino); der Eintritt war jeweils frei
Die alljährlich in ganz Frankreich (und seit einiger Zeit auch in Berlin) stattfindende Fète de la musique ist im Großen und Ganzen schon eine feine Sache. Eintritte in die diversen Clubs sind grundsätzlich gratis und auch auf den Straßen und in unzähligen Cafés wird musiziert und gefeiert. Meistens friedlich und vergnügt, leider aber auch ab und zu krawallig, weil ein paar Idioten zu tief ins Glas schauen und Leute aufmischen...
Das bunte Treiben auf den Straßen hatte anscheinend auch Auswirkungen auf den Busverkehr, denn mein geliebt/gehasster Bus 96 kam mal wieder nicht, so daß ich den Weg von "File du Calvaire" bis zur Rue Boyer zu Fuß bestritt. Und besagte Rue Boyer, in der die Maroquinerie liegt, erreicht man nur, wenn man die steile "Rue de Menilmontant" erklimmt. Das verschaffte mir die Gelegenheit, Einblicke in die auf dem Weg liegenden Straßencafés zu bekommen, in denen eine Menge los war. Teilweise sah ich bengalische Feuer, die stammten von den arabischen Würstchenverkäufern, die ihre Merguez auf den Bürgersteigen und Plätzen brieten. An "normalen" Tagen wird so etwas nicht geduldet, aber heute war alles etwas anders, bunter, lauter, schriller...
In der Maroquinerie selbst war dann gar nicht mal so viel los, trotz des freien Eintritts. Andererseits war es auch mal angenehm, bequem in dem Laden zirkulieren zu können. Zumindest die gesamte Pariser Indie-Ausgehszene war aber versammelt, um den Klängen von Good Books und anschließend denen von Fields zu lauschen. Pierre, ein extrem fleißiger Konzertgänger war z.B. da, aber auch Meg, die ebenfalls kein einziges Konzert ausfallen läßt und natürlich Robert Giles, der Starphotograph von Photosconcerts.com. Besonders toll fand ich, daß diese ganzen Pariser unseren Blog kennen, ohne daß ich ihnen davon zuvor berichtet hätte. (Diese Freude gestehe man mir bitte zu!) Sie sind einfach über Google auf der Suche nach Setlisten auf uns gestoßen, so auch Stéphan, der seit sechs (!) Jahren freiberuflich (bzw. freihobbymäßig) sämtliche Pariser Konzerte auf Videokassetten bannt. Sein Archiv umfasst über 600 (!) Gigs, wie er mir nicht ohne berechtigten Stolz erzählte. Leider darf er seine Filme nicht öffentlich machen, daß sei in Frankreich ein juristisches Problem, ganz im Gegensatz zu Deutschland (ist das in Deutschland wirklich so unproblematisch?).
Die Good Books machten unterdessen richtig schönen Indie-Pop mit gelegentlich elektronischen Einschlag und gefielen mir auf Anhieb. Sänger und Gitarrist Mr. Cooke (so steht es auf der MySpace Seite) der noch extrem jung ausieht (weil er erst 19 ist), bemühte sich redlich zwischen den Titeln einige Sätze auf französisch zu sprechen, was ihm auch wirklich passabel gut gelang. Er passt anscheinend in der Schule im Französisch-Unterricht gut auf! Sein Gesangespartner (und Bassist) ist Mr. Porter, der mit seinem rundlichen Gesicht, der Brille und den langen blonden Haaren irgendwie an ein Mitglied der Kelly Family erinnerte. Zum Glück hatte dies aber keine entsprechenden Auswirkungen auf die Musik der Good Books. Die Band aus Birmingham erinnert eher an Coldplay, Keane, Snow Patrol und Thirteen Senses, obwohl sie laut ihrer MySpace Seite lieber neben Pulp, den Magic Numbers oder den Mystery Jets eingeordnet werden wollen. Schubladen hin, oder her, die Musik des Quartetts hat genug Eigenständiges und vor allem Charme, um zu gefallen. "Leni" war bereits in Großbritannien im Jahre 2006 ein mittlerer Hit, aber auch die neue Single "Passchendaele" und "The Illness" sind hörenswert. Schade, daß sie vor Ort keine CDs verkauften, es gab nur T-Shirts und Einkaufstaschen aus Baumwolle. Letztgennante fand ich allerdings so hübsch, daß ich mir gleich zwei davon kaufte, sehr zur Freude der Band, die den Merchandising Stand selbst betrieb...
Hübsch war dann im Anschluß auch die isländische Sängerin, der überwiegend englischen Band Fields. Thorunn Antonia ist eine unfassbar gut aussehende Blondine, die bei Fields singt, aber auch Keyboard spielt. Sie hat es mit ihrer ansprechenden Erscheinung und der fabelhaften Stimme bereits in die Coolness-List des NME 2006 gebracht. Begonnen wurde das Set mit der bereits als Single erschienenen Nummer "If You Fail, We All Fail". Ich liebe dieses Lied, wie ich überhaupt von dem wavig-psychedelischen Indie-Rock von Fields begeistert bin. Wer das Quintett nicht kennt, stelle sich eine New-Wave Band vor, die noisige, zuweilen stonerrockige, oder auch elektronische Elemente miteinbezieht. Als vergleichbare Bands würde ich Battle, The Organ, The Maccabees, Sonic Youth und die Howling Bells nennen...
Eines ihrer besten Stücke wurde an zweiter Stelle bebracht: "Brittlesticks", welches schon auf ihrer Debüt-Ep "Songs For The Fields" vertreten war. Ein treibendes Lied, mit einer wunderbaren Melodie, gesungen von Thorunn und Nick Peill, der zusammen mit der Isländerin die Vocals der Fields beisteuert.
Auch "Isabel" stammte von genannter Ep, bevor mit "Schoolbooks" ein Song vom ersten richtigen Album "Everything Last Winter" kam. Man kann sich auf der MySpace Seite der Band fast das komplette Album anhören. Macht davon Gebrauch, es lohnt sich! Leider verfüge ich selbst noch nicht über den Longplayer, so daß mir einige Lieder des Sets unbekannt waren. Es hörte sich aber alles vielverprechend an... "Song For The Fields" sagte mir dann aber nochmal was, stammte es doch ebenfalls von der EP. Ohne Zweifel nach wie vor eines ihren besten Lieder, da sinnlich, explosiv und in gewisser Weise myteriös. "The Death" beschloss das leider etwas zu kurze Set dann und Fields hatten mich wieder ein Stück mehr von ihnen überzeugt.
Setlist Fields Paris:
01: If You Fail, We All Fail
02: Brittlesticks
03: Isabel
04: Schoolbooks
05: Knives
06: Weave
07: Feathers
08: Charming The Flames
09: Song For The Fields
10: The Death
Anschließend ging es für einige noch Richtung Bastille, wo die Dead 60s draußen auftraten. Ich persönlich schlug den Weg Richtung Nouveau Casino ein, wo die Harrssons spielten. Schon nach ein bis zwei Liedern stellte ich eine musikalische Querverbindung zu Paul Weller, bzw. aktueller den Arctic Monkeys und Bromheads Jacket her. Mein Eindruck täuschte nicht. The Harrissons stammen wie die arktischen Affen aus Sheffield und spielen straighten schrammeligen Indie-Rock mit leichtem Ska-Einschlag und Texten, die von der Vorstadttristesse und dem Alltag in einer grauen, englischen Stadt handeln. Gefiel mir nicht übel, was das Quartett da so veranstaltete, obwohl ich ihretwegen die letzte U-Bahn verpasste und auf Grund chronischem Taxi-Mangels den Weg vom Nouveau Casion bis zu mir nach Hause zu Fuß bestreiten mußte. Ich brauchte 1 1/2 Stunden! That's Rock n' Roll!
von Oliver
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