Konzert: Les Rita Mitsouko
Ort: Prime Club Köln
Datum: 07.06.2007
Zuschauer: ca. 3/4 voll
Wenn man zu Konzerten britischer Bands in den Kölner Prime Club geht, kann es schon einmal passieren, daß einem davor britische Besucher feiernd und mit runtergezogener Hose über den Weg laufen. Sicher ist, daß im Club Englisch mindestens zweite Sprache des Abends ist. Donnerstag abend lief mir ein Mann mit Vollbart und Baskenmütze in die Quere und im Prime Club wurde Französisch gesprochen: Die Punk-, Wave- und was nicht noch alles-Helden von Les Rita Mitsouko waren nämlich auf Tour in Köln. Gut, die Baskenmütze war vermutlich Zufall (denn die trägt ja jeder zweite Lehrer der älteren Generation), ungewöhnlich war (neben den Franzosen) das Publikum schon. Laut lastfm war ich der einzige Besucher des Konzerts, ich hatte also nicht mit riesigem Zulauf gerechnet. Langsam (sehr langsam) kam der Zulauf dann doch, das war allerdings keine Web 2.0 Publikum, ich kam mir ziemlich jung vor!
Der Soundcheck dauerte ungewöhnlich lange. In aller Seelenruhe stimmten die Helfer immer wieder die Instrumente und Mikros (die wurden sicher fünfmal geprüft). Ob diese akribische Vorbereitung Grund für die lange Karriere des Pariser Duos ist? Ich hatte Les Rita Mitsouko kennengelernt, als ich anfing, mich für Wavemusik zu interessieren. Die drei ersten Platten "Les Rita Mitsouko", "The no comprendo" und "Marc et Robert" habe ich sehr geliebt, meine Favoriten waren lange Zeit "Les histoires d'a" und die beiden großen Hits "Singing in the shower" und "C'est comme ça". Vor ein paar Wochen habe ich dann die neue Platte "Variéty" gekauft und gestern auf der Fahrt noch einmal gehört. Und mir kam das alles sehr sehr popig vor. Ist die Band weniger punkig geworden oder war das früher schon purer Pop, der eben nur Punk hieß, so wie Blondie oder Hazel O'Connor? Besonders unsicher war ich, ob mir "Ding ding dong" gefällt...
Irgendwann war der Soundcheck beendet, der Helfer signalisierte endlich, daß es losgehen könnte. Neben den beiden Ur Rita Mitsoukos Catherine Ringer und Fred Chichin gehörten heute abend ein Keyboarder, der von weitem wie Henri Leconte als Hochzeitsalleinunterhalter aussah, ein relativ junger Bassist, ein Schlagzeuger (Catherine stellte ihn als "at the taktaktak Herr Kerr" (oder so) vor) und ein Gitarrist mit Lesebrille. In der Mitte standen Catherine in einem roten gemusterten Kleidchen und Fred mit dunkler Sonnenbrille und normaler Gitarre. Bei den ersten Takten war gleich klar, daß sich der ewige Aufbau gelohnt haben sollte, der Sound des Konzerts war vorzüglich. Aber das war nicht das einzig Bemerkenswerte. Catherine (ich verrate natürlich aus Respekt ihr Alter nicht - aber zehn Tage vor ihrer Geburt regierte die SPD noch Bayern) tanzte und bewegte sich, wie manch junge Künstlerin es gerne könnte (und sie spielte Mundharmonika!). Ihre Stimme war brillant, selbst die regelmäßigen Schreieinlagen saßen tongenau. Es war ein ganz großes Vergnügen, der live absolut jung wirkenden Band zuzuhören und zuzusehen.
Fred wirkte mit seinem dünnen Bart, der dunklen Sonnenbrille und der Gitarre wie ein Straßenmusiker. Aber auch wie ein Musiker, der zwar souverän aber auch mit viel Spaß seinem Job nachgeht (nicht, daß das Straßenmusiker nicht täten - vermute ich, ich kenne keine näher). Das Publikum (das nicht sehr konzerterfahren wirkte, zumindest nicht in den letzten Jahren) nahm die Musik begeistert auf. Die Energie, die Catherine vor allem versprühte, übertrug sich sofort auf die Zuhörer (ich weiß, das ist eine eklige Musikjournalistenfloskel, leider paßt die hier aber so gut).
So wie die Musik der Band sagte Catherine die Stücke auch an, mal auf Französisch, mal auf Englisch, mal mit ein paar Brocken Deutsch. Gleich am Anfang unterbrach sie unseren euphorischen Beifall mit "Pssscht, vous êtes a little bit nervous. Das ist nicht gut. Calm down!"
Die Musik war, das habe ich schon gesagt, perfekt vorgetragen. Die Band spielte anfangs nur Lieder der neuen Platte (auch in der Reihenfolge, in der sie auf der Platte vorkommen). "Eleganto" war das erste Lied, das nicht von "Variéty" stammt. Ich glaube, daß das eine B-Seite war. Danach weiter Aktuelles, u.a. das von mir nicht einschätzbare "Ding ding dong" (bzw. "Ding-e ding-e dong-e"), bevor die ersten Lieder der frühen Jahre kamen (u.a. "Live in Las Vegas", das urprünglich mit den Sparks aufgenommen wurde und "My love is bad", auf Platte mit Iggy Pop). Beendet wurde das reguläre Programm nach 55 Minuten mit einem Cover von den "Pierres roulantes" (Catherine), mit "Under my thumb". "Under my thumb" ist mein Lieblingslied der Stones, mit dem zarten französischen Akzent von Catherine war das aber noch ein besonderer Genuß.
Natürlich war der Lärm riesig, als die Band in der Garderobe verschwand. Sehr kurz danach kamen die sechs Musiker auch wieder und spielten mit "Andy" gleich einen der großen Hits vom zweiten Album. Danach gab es etwas Verwirrung. Catherine sagte der Band, jetzt solle "Même si", eines der sehr ruhigen aber wundervollen Lieder des neuen Albums folgen. Man wies sie wohl darauf hin, daß aber laut Setlist "Bad luck queen" käme. Sie sagte noch einmal "Même si", offenbar einigte man sich dann aber doch auf "Bad luck queen", ein fabelhaftes Lied (mein Liebling) von "Variéty" über Marie Antoinette, das einen herrlichen Marschrhythmus hat. Danach spielten Les Rita Mitsouko leider nicht "Les histoires d'a" sondern "Chanson d'a". Schade, den Allzeitliebling hätte ich gerne gehört. Aber "entschädigt" wurde ich (wie der Rest) mit "C'est comme ça". Großartig, wie das Publikum hierbei mitgröhlte. So laut habe ich so was lange nicht erlebt. Wenn man mir da gesagt hätte, hinter mir stünde ein Palladium-Publikum, hätte ich das anhand des Krachs gerne geglaubt. Ich liebe Lieder mit "La la la"-Passagen. Heute weiß ich wieder warum!
Tja, und dann sollte wirklich Schluß sein. Die Helfer schalteten schon alle Verstärker aus, aus den Boxen kam wieder Fremdmusik. Das Publikum wollte das aber so nicht akzeptieren. Der laute und anhaltende Beifall führte bei den Roadies zu kollektivem Schulterzucken. Einer ging dann in die Garderobe, es änderte sich aber erst einmal nichts - auch nicht am Applaus. Dann kam - etwas derangiert - Catherine zurück. Sie hatte statt des Kleidchens nur ein Tuch über den Schultern und trug darunter einen BH. Sie war also offenbar sehr überrascht, noch einmal zurück zu "müssen". Sie nahm das Mikro, und stieg mit improvisiertem Text in das laufende Lied (ich denke, das war ein mir unbekanntes Blondie-Stück) ein. Der Text enthielt dann "merci", "au revoire", "auf Wiedersehen" und ähnliche Sätzchen. So etwas habe ich wirklich noch nie erlebt!
Und mit Blondie schloß sich der Kreis ja auch wieder. Das Konzert war weit weniger popig (böse wäre an der Stelle "seicht") als die Musik der aktuellen Platte auf CD. Das ist zwar wirklich kein Punk, "Singing in the shower" ist das nach heutigen Maßstäben ja auch nicht. Aber auch "Ding ding dong" hat mich live überzeugt. Das Lied kann viel, obwohl es auch ibizatauglich ist (ich war da noch nie, diese Vorurteile!). Les Rita Mitsouko waren definitiv Helden von damals, die sich nicht demontiert haben. Ganz im Gegenteil, bei mir haben sie große Lust erzeugt, den alten Kram zusätzlich zur neuen Platte wieder auszupacken!
Setlist Les Rita Mitsouko Köln:
01: L'ami ennemi
02: Communiqueur d'amour
03: Berceuse
04: Rendez-vous avec moi-même
05: Eleganto
06: Terminal beauty
07: Ding ding dong
08: Perfect eyes
09: Amnésie
10: Live in Las Vegas
11: My love is bad
12: Yaktagan
13: Under my thumb
14: Andy (Z)
15: Bad luck queen (Z)
16: Même si (Z)
17: Chanson d'a (Z)
18: C'est comme ça (Z)
Links:
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Les Rita Mitsouko live:
12. - 14.06.07: Brüssel
22.06.07: Hurricane Festival
2 Kommentare :
Web 2.0 Publikum. Haha :)
schönes konzertende: bh und so..., also nee, vor allem wegen des liedeinsatzes, große klasse!
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