Mittwoch, 20. Juni 2007

Bright Eyes, Wiesbaden, 19.06.07

Konzert: Bright Eyes
Ort: Schlachthof Wiesbaden

Datum: 19.06.2007

Zuschauer: nicht ausverkauft


Ich muß mich erst einmal outen: Ich bin kein großer Bright Eyes Fan, dafür habe ich mich bisher viel zu wenig mit Conor Obersts Musik beschäftigt. Große Neugierde und die Angst, etwas zu verpassen (wie schon das Kölner Konzert des Amerikaners) siegten aber über meine enorme Müdigkeit und ließen mich nach Wiesbaden fahren. Im Internet des Schlachthofs (so heißt der Veranstaltungsort, ich kaufe Fleisch nicht direkt beim Erzeuger) stand, daß das Konzert pünktlich um neun beginne und es keine Vorgruppe gebe.

Um neun war ich dann auch vor dem Schlachthof, der sich langsam füllte. Das Gebäude hat zwei Konzertsäle: Einen kleinen, in dem ich vor ein paar Jahren einmal Klee gesehen habe, und einen großen, langen, schlauchförmigen Raum, der vor allem luftig ist, was im Sommer ja nicht so verkehrt ist. Der große Saal sollte aber Dienstag bei weitem nicht voll sein, man hatte überall bequem Platz. Durch mehrere Tageslichter war es im Raum noch taghell, auch, als dann gegen halb zehn die zu Conor gehörenden Musiker auf die Bühne kamen. Das Publikum hatte während der Zeit vorher bei jedem auftauchenden Roadie, der noch mal eine der Gitarren stimmen wollte, geklatscht. Eine schrecklich nervende Sache, finde ich. Als ob durch diese unglaublich subtile und pfiffige Idee Künstler früher auftreten würden. Das gehört verboten, so wie rhythmisches Klatschen und ähnlich unerträgliche Unsitten.

Was da um halb neun auftrat, schien mir halb Omaha zu sein. Conor Oberst hatte eine Streichergruppe (zwei Celli und eine Violine), Bass, zweite Gitarre, Schlagzeug, Keyboard, Flöte, Percussion und Schlagzeug mitgebracht, elf Musiker standen also auf der Bühne, wenn ich mich nicht verzähle. Ich hatte zwar bei Oliver schon gelesen, daß auch in Paris Streicher dabei waren, hatte aber kein Rundfunkorchester erwartet. A propos Erwartungen: Ich wußte nicht recht, was da auf mich zukommen würde. Die beiden Pole erschienen vorher Malcolm Middleton auf der einen und Sufjan Stevens auf der anderen Seite zu sein, also die ruhige Singer/Songwriter-Nummer oder eben die vielen Instrumente und der entsprechend dickere Sound. Es war der Sufjan-Pol - und der noch ausgeprägter.

Das Eröffnungsstück kannte ich gleich: "Clairaudients" von der aktuellen CD. Überhaupt bestand das Set des Abends hauptsächlich aus Liedern von "Cassadaga". Von den zahlreichen Vorgängeralben spielte die Band vor den Zugaben nur einige wenige Lieder ("I won't ever be happy again", "The calendar hung itself" oder "I believe in symmetry"). Was die meisten vorgetragenen Lieder gemeinsam hatten, war das bombastische Arrangement. Während des Großteils des Konzerts kamen alle anwesenden Musiker zum Einsatz, nur bei den "zurückgenommeneren" Stücken spielte Conor nur mit spärlicher Begleitung. Wie wenig der ganze Auftritt mit einem spartanischen Singer/Songwriter zu tun hatte, zeigt sich alleine schon im durchgestylten Outfit der Band. Alle Musiker trugen weiße Sachen, Conor Oberst weiße Hose und weißes Hemd (Christina: Das ist eine Welle!). Nur der Gitarrist hatte einen weißen Kaputzenpulli mit schwarzen Punkten an.

Durch den bombastischen Klang wirkte die Musik überwältigend. Zumindest auf mich als Wenigkenner. Ob Hardcore Bright Eyes Fans, dem viel abgewinnen konnten, kann ich nicht beurteilen, ich war allerdings oft beeindruckt, manchmal sogar ansatzweise ergriffen. So richtig einschätzbar war das Publikum für mich nicht. Natürlich gab es nach den Liedern Applaus, der war aber sicher nie ausufernd. Oft sah man Leute hin und herwippend. Also keine Ahnung, wie es der Allgemeinheit gefallen haben mag.

Nach einer guten Stunde, dreizehn Liedern (auf der offiziellen Setliste standen zehn, ich bin aber sicher, daß vor "Lime Tree" noch ein, mir nicht bekanntes Lied gespielt wurde) und spärlichen Ansagen (u.a. der Erwähnung einer Reise nach Kuba, aber "nicht in den Guantanamo-Teil, denn dann wäre er ja nicht zurückgekommen, sondern in den Teil, in dem man Zigarren rauchen und an Cognac nippen kann") endete das Konzert. Nach sehr kurzer Pause kam eine kleine Besetzung wieder, um die drei Lieder der Zugabe zu spielen, u.a. das grandiose "First day of my life". Die Zugaben dauerten sicher 25 Minuten und waren ein hörenswerter Abschluß.

Ich bereue es überhaupt nicht, meine Müdigkeit ignoriert zu haben, um das Konzert zu sehen. Es war ein hochinteressantes Erlebnis. Aber es wunderte mich auch nicht, wenn es einige schrecklich fanden.

Setlist Bright Eyes Wiesbaden:

01: Clairaudients - Kill or be killed
02: Hot knives
03: Four winds
04: I won't ever be happy again
05: Middleman
06: Cleanse Song
07: If the brakeman turns my way
08: No one would riot for less
09: Make a plan to love me
10: The calendar hung itself
11: ???
12: Lime Tree
13: I believe in symmetry

14: First day of my life (Z)
15: Stray dog freedom (Z)
16: At the bottom of everything (Z)



21 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

der letzte song war "at the bottom of everything". an den vor lime tree kann ich mich leider nicht mehr erinnern.

Christoph hat gesagt…

Vielen Dank!

Oliver Peel hat gesagt…

Mach Dich locker, Christoph, rhythmisches Klatschen ist gut und nicht nervig ;-)
Alter Rock-Opa, Du!
Das nächste Mal klatscht Du mit, kapiert! ;-)

Anonym hat gesagt…

Ich finde rhythmisches Klatschen auch ganz schön übel. Allerdings finde ich auch Conor Oberst ganz schön übel. Was ich wahrscheinlich hier nicht sagen darf. Mmh.

Christoph hat gesagt…

Klar darfst Du. Ich bin auch immer noch nicht sicher, wie ich dazu stehe. Das Dienstag war überwältigend wegen des Orchestersounds.

Und zu rhythmischen Klatschen gibt es ja wirklich keine zwei Meinungen. Das geht nur (das ist die einzig erlaubte Ausnahme) bei Hoch-, Weit- und Dreispringern. Und auch da bin ich mir nicht ganz sicher. Ansonsten ist das verhaltenstechnische No-Go-Area.

Anonym hat gesagt…

Ganz ganz schlimm ist, wenn Bands direkt oder indirekt zum rhythmischen Klatschen auffordern. Meine Liebe zu solch einer Band setzt dann kurzzeitig aus und wird durch ein einziges "DAS KÖNNEN SIE DOCH JETZT NICHT MACHEN!!!" ersetzt...

Mein einzige Bright Eyes Konzert war überwältigend wegen dem betrunkenen Gestotter von Conor, das ein normales 14 (ohne Gewähr) Lieder langes Konzert zweieinhalb Stunden (ohne Gewähr) dauern ließ. Danach habe ich aufgegeben, was diese Band betrifft. Mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken herunter bei der Erinnerung...danach wollte ich wochenlang keine Konzerte mehr besuchen, so traumatisiert war ich!

Christoph hat gesagt…

Hmmm, klingt nach den Babyshambles :-)

So Geschichten habe ich von Bright Eyes auch gehört.

Oliver Peel hat gesagt…

@ Christina: auch Du mach Dich locker und klatsch das nächste Mal rhythmisch mit! ;-)

Ihr beiden seid langweilig, zudem immer der gleichen Meinung, pff!

Außerdem: Conor Oberst ist gut, basta!
Ihr habt keine Ahnung!

Anonym hat gesagt…

Ich sollte demnächst auch mal mehr als nur querlesen, den Hinweis an mich habe ich gerade erst entdeckt! Diese Welle muss aufgehalten werden! Schwarze Kleidung für alle! Oder zumindest, nun ja, bunte!

@Oliver: Da müsste ich schon seeeehr betrunken sein bevor ich freiwillig bei so etwas mitmache ;-)
Außerdem sind wir gar nicht immer einer Meinung, Moment, Moment, ein Beispiel, ich hab's gleich, ähm, okay: Art Brut sind völlig überbewertet!
So, jetzt könnt ihr mich beide hassen ;-)

Christoph hat gesagt…

Wir haben auch anderen Meinung, was Männer aus Nordengland angeht (wenn es über das Musikalische hinausgeht). Und vermutlich bist Du nicht unsterblich in Gwynnie & Anna Ternheim verliebt (je nach Tagesform).

Art Brut sind natürlich nicht die Spur überbewertet :-)

An Oliver:
Es gibt etwas Schlimmeres als Rhythmisches Klatschen: Rhythmisches Klatschen von Leuten ohne Taktgefühl (etwa 95% der Konzertbesucher).

Oliver Peel hat gesagt…

Auf welche Konzerte geht ihr da eigentlich?

Punkt 1: ich war noch nie Zeuge eines Konzertes, bei denen die Band komplett in weiß gekleidet war

Punkt 2: rhythmisch geklatscht wird in Paris eigentlich auch nicht, nur als Lilly Allen und später dann Ryan Adams auf die Bühne geklatscht wurden, aber nie während des Konzerts.
@ Christoph: o.k. : du mußt nicht mitklatschen, aber tanzen wäre mal nicht schlecht, wäre 'ne Abwechslung zum Fußtippen ;-)
Bißchen mehr Engagement könnte Dir jedenfalls nicht schaden, oder findest Du es auch nervig, wenn Leute bei Konzerten tanzen?
Wie steht es um das Mitsingen der Texte? (Achso, nichts für dich, Du magst ja keine Texte...)

Punkt 3: Habe Bright Eyes weder bombastisch, noch völlig besoffen erlebt und ich hab ihn ja schon 3 Mal gesehen.

Hmm....

Christoph hat gesagt…

Also können wir zumindest festhalten, daß man vorher nicht sagen kann, wie ein Bright Eyes Konzert seun wird.

@ Oliver: Höre ich da einen spöttischen Unterton? Tanzen ist natürlich ok. Aber das muß ja ich nicht machen. Mitsingen dagegen schon.

In Konzert ganz in weiß wirst Du in Haldern sehen!

PS: Glücklicherweise ist Engagement nicht immer gleich sichtbar.

Christoph hat gesagt…

"Ein Konzert" sollte das heißen.

Oliver Peel hat gesagt…

Ja, ja Kollege, entschuldige die Frotzelei, aber Du siehst ja am Beispiel Kaiser Chiefs, daß es der Stimmung sehr zuträglich ist, wenn Leute tanzen, klatschen, gröhlen, was auch immer...

Solange besoffene Typen mir nicht auf die Füße kotzen ist es o.k. für mich, lol....

Oliver Peel hat gesagt…

@ Christina:

Hier hasst Dich keiner, im Gegenteil!
Du Darfst auch gene über Bands lästern, die ich gerne mag ;-)

Aber, das rhtythmische Klatschen möchte ich schon von Dir sehen, wenn ich das nächste Mal in Deutschland auf einem Konzert bin! Gebe Dir auch ein paar Drinks aus, damit Du in entsprechende Stimmung kommst ;-)

(Ob ich Christoph auch dazu bringe??)

E. hat gesagt…

ein geplauder! um mit meinem angedachten kommentar nicht gänzlich ins leere zu fassen, oute ich mich als arhythmischen, aber jede sekunde nervös tänzelnden konzertbesucher, kann auch exstatisch werden. mitklatschen? UM GOTTES WILLEN!
@christoph: ich glaube gelesen zu haben, dass die setlist auf 15 songs beschränkt war. damit könntest du getrost das '?' killen.
herzliche grüße an die plauderer!

Anonym hat gesagt…

Ein paar Stunden nicht online, und ich komme hier auch nicht mehr mit.

Ich versuche es kurz zu machen:
Männer aus Nordengland: ja
Anna Ternheim: vielleicht
unrhythmisches Mitklatschen: nein
Tanzen: ja
Mitsingen: leise, laut nur wenn es alle tun
andere kleine Mädchen in der ersten Reihe verprügeln (auch eine Form des Engagements): ja
Kaiser Chiefs: manchmal
Art Brut: manchmal
Mich betrunken machen: in Haldern dann
Betrunken auf die Schuhe kotzen: nein

Christoph hat gesagt…

Hallo Eike,

ich bin eben nicht ganz sicher. Nach meinen Notizen war da noch ein Lied. Ich muß noch mal nach den mitgeschmierten Wortfetzen gucken, vielleicht hilft das weiter. Auf der offiziellen Setlist stand auf alle Fälle nichts, da standen aber auch vier Zugaben (zweimal mit dem Titel "Trio"), obwohl nur drei Zugaben gespielt wurden.

Christina: Ich schließe aus, daß ich Dir (oder sonstwem) auf die Schuhe kotze! Versprochen!

Anonym hat gesagt…

Ich schließe auch mal aus, dass ich jemals jemandem betrunken auf die Schuhe kotzen werde. Es sei denn, auf der Bühne steht Conor Oberst oder Johnny Borrel. Dann hat das aber nichts mit meinem Alkoholspiegel zu tun.

(ah, das Niveau meiner Kommentare sinkt weiter. Was sollen bloß die ganzen sensiblen Conor-Mädels denken, die sich sicher schon massenweise hierher googlen?)

Christoph hat gesagt…

Ach, es gibt schon einige Leute, denen ich unter Umständen mal auf die Schuhe kotzen würde, wenn ich lieber kotzte als ich das tue.

Anonym hat gesagt…

Das war ein super Konzert!

 

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