Montag, 5. August 2019

Heimspiel Knyphausen Festival, Eltville, 26.-28.07.19


Konzert: Heimspiel Knyphausen Festival
Ort: Eltville/Rhein
Datum: 26.07.-28.07.2019
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: ca. 2.000 ausverkauft



Die Nachlese zum Heimspiel Knyphausen 2019:  Bekanntermaßen flippe ich nicht gerade vor Freude aus, wenn es heißen würde: „...willst du mich auf einem 80.000er Festival vertreten?“ Von "Roskilde" oder auch dem "Sziget" mal abgesehen. Aber wenn die Frage kommt: "Hättest du Lust und Zeit zum Heimspiel nach Eltville zu fahren ?", dann geht mir schon das Herz auf. 

Mein inneres musikalisches Kind jubelte sehr. Bedeutet es doch, eines der sympathischsten, kleinen Genießerfestivals zu besuchen, die Deutschland zu bieten hat. Einerseits so groß, dass namhafte Künstler vors Ohr kommen, aber doch so klein und fein, dass sich Neues und Interessantes entdecken lässt.



Das Ganze zu einem fairem Preis und mit einem absoluten "Genußrahmen" versehen, wie es sich sonst nur noch beim "Kaltern Pop Festival" finden lässt. Ach ja, und im Oktober 2018 bereits innerhalb von 36 Stunden ausverkauft zu sein, könnte ja auch ein Qualitätsmerkmal sein.

Das Festival blickt auf eine noch junge Tradition zurück. Es begann mit Solokonzerten des deutschen Singers Gisbert zu Knyphausen, der auf dem Hof aufgewachsen ist, der jetzt das Festivalgelände darstellt.

Draiser Hof,  auf der Grenze zwischen Eltville und Erbach im Rheingau, erster Wirtschaftshof des Zisterzienserklosters Eberbach, und heute Sitz des Weingutes Baron Knyphausen. Jährlich kehrt Gisbert zu Knyphausen in den Rheingau zurück und begeistert dann mit seiner Musik und seiner Musikauswahl. 



Es entstand der Wunsch auch befreundete Bands und Solokünstler einzuladen. Damit war das Heimspiel zu Knyphausen geboren. Im Jahr 2014 wurde aus der eintägigen Veranstaltung erstmals ein ganzes Festivalwochenende. Der Draiser Hof wurde um eine bedeutende Tradition reicher. In den vergangenen Jahren hat sich das "Heimspiel Knyphausen" einen exzellenten Ruf als Musikfestival erworben und zieht seither Jahr für Jahr Musikfans aus dem ganzen Bundesgebiet auf das wunderschöne Weingut am Rhein. 

Eine charmante Familie und ein sehr nettes Team verwandeln den Familiensitz in eine kleine Oase ohne den üblichen Festivaltrubel. Gerade in den vergangenen Jahren hat sich mit dem erweiterten Line up (u.a. waren Element Of Crime, Kettcar, Olli Schulz, Sophie Hunger, Kante und die irischen Villagers zu Gast), der Kreis der Fans dieses Festivals auch musikalisch stark erweitert. 

In diesem Jahr präsentierten die Heimspiel-Organisatoren um Gisbert ein spannendes Line Up. Das Ganze wurde flankiert: zum Beispiel mit Pre-Festival Dinner oder auch Lunch, einer maritim musikalischer Bootsfahrt, oder der exklusiver Frühstückstüte. 

Dazu beste Weine und einfach ein gewisser Chic. Apropos: beste Weine - als Biertrinker musst du dich auf diesem Festival schon umstellen, sprich: es gibt nur Wein. 



Freundlich begrüßt wird man am Eingang mit dem obligatorischen, ersten von drei Tagesgläsern. Und wo Menschen zusammenkommen ist auch Gelegenheit Gutes zu tun. Was für die einen "Sea Watch" oder "Viva von Aqua" ist, ist für das Heimspiel die lokale "Philipp-Kraft-Stiftung".

Ziel war die Sammlung von 1000€ für den Jugendpark der Kulturen. Der JuPaKu bietet einen Begegnungsort für junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, mit und vlt. (noch) ohne Heimat. Vorbehalte abbauen und um Verständnis und Vertrauen aufzubauen. 

Eine sinnvolle und tolle Aktion. Weitere Infos unter www.philip-kraft-stiftung.de Eine entspannte Eröffnung durch Gisbert, den Bruder und den Vater, der noch ein wenig Historie zum Draiser Hof besteuert und dann ging es auch schon los mit Ilgen-Nur.

Der Sound der Hamburger war anfänglich noch ein wenig schwach auf der Brust. Der präsentierte Indie-Pop wirke etwas gefällig, jedoch gebührt der ersten Band des Festivals bei weit, weit über 30‘ dann doch aller Respekt. Zumal alles entspannt und freundlich ablief.



Danach folgten die Damen von Gurr. Das Grungepostpunkkollektiv (oder kennt jemand tatsächlich Slacker-Pop?) zündet den ersten Turbo. Als Intro wurden Nirvana Tribut gezollt und die Besucher wurden freundlich aber bestimmt von ihren Picknickdecken gebeten und los ging’s. Überhaupt , die Picknickdecken. Diese gehören wohl zum Heimspiel wie ein Schwarm Mücken zu einem stehenden Gewässer - So will es das Gesetz! 



Was in früheren Jahren sicherlich gut funktioniert hat, kommt so langsam aber sicher an die Grenze des Belastbaren. Denn sofern man nicht ganz stumpf die Decken quert, muss man schon genau hinsehen, wohin man hier tritt. Der Einladung zum Crowdsurfen an Gisbert und den ein oder anderen Mutigen aus dem ersten Reihen folgten pogende Eltern, deren Kinder Hunger hatten, und diese öffentlich ausgerufen ließen. Was für ein Spaß! 

Das gesamte Set wechselte zwischen eigenen Stücken und den zum Teil genial interpretierten Covern, z.B. Fettes Brot mit ihrem „Jein!“ Es machte eine Unmenge Spaß und zum Ende wurden dann nochmal Ilgen-Nur auf die Bühne gerufen. Die Vorfreude wächst auf das Haldern Pop Festival. Gurr werden dort die HaldernPopBar abbauen.



Tocotronic. Einer der Gründe, warum ich an diesem heißesten Wochenende überhaupt das Wohnmobil bewegt habe, überzeugen restlos. Weit über 20 Jahre Bühnenerfahrung und unzählige herausragende Songs begeistern hier spielend die versammelten Musikenthusiasten. 



Und das ist dann auch die Zeit, zu der die Generationen zusammenrücken, die Weingläser klingen lassen und den Abend gemeinsam "electroguitarmässig" erklingen lassen. Was du auch machst - mach es nicht selbst! 

Kein wirkliches Motto für diesen Abend, aber dennoch genial einfach getextet und wie gemacht für ein Festival, das alle mit Gisbert zu Knyphausen verbinden, aber alles läuft nur, weil viele tolle Menschen sich so sehr engagieren.

Nullmillimeter als Opener und Orientierung für den Samstag, Tag 2. Teilweise langjährige Freunde und Weggefährten Gisberts finden sich zu einem neuen Bandprojekt zusammen und zelebrieren Texte über die Liebe und das Leben. Herausragend liebevoll und treffend. Tja, und wer’s nicht hören mag - „...Stell dich in die Ecke und heul doch!...“ Alleine der Name ist schon genial - Theodor Shitstorm. 

Imposanter Auftritt des Duetts mit tiefen, nicht nur eigenen, Texten. Es scheint zudem eine besondere Beziehung zu Reinhard May zu geben, dem Liedermacher aus, man höre: (West)Berlin. Immer wieder wird er bemüht. Dabei erscheint der Tiefgang der Texte mal verspielt, mal packend. Und nix für ungut, aber am Schlagzeug sitzt heute die beste Vertretung der Welt.

Sie hat sich anscheinend aushilfsweise eingearbeitet und spielt alles so sauber, dass es eine Freude ist. Am Ende entscheiden aber die Kinder. Oder eher die Kinderlieder. „...Ich habe keinen Hunger, ich habe keinen Durst - ich will einfach meine Extrawurst!...“ Wer weiß schon, dass diese Band auch Kinderlieder auf CD einspielt oder beim WDR an einem Kinderliedercontest mitgewirkt hat.

ClickClickDecker - schlichter, schön schnörkelloser Deutschsprech. Und seit Udo Lindenberg endlich auch mal wieder Kinder auf der Bühne. Es waren die Kinder des Drummers. Sehr schöne Hamburg-Berliner Kombination. Und der Geburtstag vom Bassmann wurde auch noch besungen. 

Another Sky - Vergleiche hinken ja bekanntlich, aber wer die Briten bisher noch nicht auf dem Zettel hatte und sich fragt, wo lassen sie sich einnorden,  muss dann zwangsläufig die Line zu London Grammar ziehen. Ein wunderbares Konzert mit ganz eigenem Charme und stimmlichem Zauber !

Es war das erste Deutschlandkonzert der vier Londoner*innen und es wird mit Sicherheit nicht das Letzte bleiben. (Auch beim Halder Pop noch zu bestaunen).



Genau wie Brandt Brauer Frick - die herausragenden Elektrospezialisten bilden den grandiosen Abschluss des heutigen Tages. Stimmungsvoll knallen die Beats über das Anwesen und bis in die letzte Reihe wird getanzt, gewippt oder zumindest technokratisch der Fuß bewegt. Der abendlich stimmungsvolle Gig war ein grandioser Tagedeckel. Der Tag geht zu Ende wie er begonnen hat - mit Schweiß und Regen auf der Stirn. 



Der Tag 3 beginnt in der Nacht wieder mit Regen. Es wird "ein Tag wie ein Schwein". Nur nochmal zur Erinnerung: Fortuna Ehrenfeld gehört nicht nur für mich zum Besten, was die deutschsprachigen Bühnen derzeit zu bieten haben. Die Knyphausens Matinee startet mit den Kölner Textpoeten und auch wenn ich mittlerweile schon einigen Konzerten lauschen durfte, ich werde dieser Musik wohl nicht so schnell überdrüssig. 

Während Jenny Thiele und Paul Leonard Weißer bereits am Samstag anreisten, bretterte Martin Bechler in der Nacht aus Hamburg heran. Alles kein Zuckerschlecken. Fortuna Ehrenfeld sehen sich ja selbst noch als sehr junges "Unternehmen" und das führt dann auch schonmal dazu, sich viel Stress anzutun. 

Das anschließende meet and greet dauert fast 1,5 Stunden und immer noch schweißnass gebadet verabschiedet sich Martin, nicht ohne ein Merci mit seinem Edding auf meinem Shirt zu hinterlassen. Ich werde es wohl nie wieder waschen.... ?!



Nils Frevert. Dem deutschen Singer/Songwriter gebührt der Abschluss eines insgesamt tollen Festivals. Doch zunächst fällt erst einmal der Strom aus. Die  Akkorde waren gespielt und dann Stille auf dem Platz. Wer in der ersten Reihe stand konnte zumindest noch ein improvisiertes Akustikset verfolgen. 



Nils Frevert versucht die Zeit irgendwie entspannt zu füllen, während im Hintergrund die Stromversorgung wieder hergestellt wird. Frevert textet und spielt sicherlich in der Tradition der Hamburger Schule, der nicht nur seine frühere Band Nationalgalerie angehörte, sondern auch der Headliner vom Freitagabend, Tocotronic. Klein ist die Welt, aber denke daran - du kannst nicht immer 17 sein. 



Mit zwei Kisten Knypausener Riesling unterm Arm ging es beseelt und doch auch ein wenig müde zurück auf die Autobahn. Das „bis nächstes Jahr!“ ging mir beim Verabschieden dann doch recht leicht über die Lippen....

Bericht und Fotos: Denis Schinner 


2 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Moinsen Denis, ein schöner Bericht der mich bewegt im nächsten Jahr das Festival zu besuchen. �� Wir sehen uns am WE in Haldern. Beste Grüße Andreas

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank für den tollen Blog und vielen Dank, dass Du auf unsere Stiftung und die Charityaktion eingegangen bist.
Am Ende sind mit Hilfe von Gisbert und Frederik und dem gesamten Festivalpublikum über € 4000 an Spenden eingegangen.
Wir sind so dankbar.
Liebe Grüße aus Eltville,
Gaby
Philipp-Kraft-Stiftung

 

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