Mittwoch, 30. Januar 2013

TV Noir #8 (Enno Bunger, Me & My Drummer), Darmstadt, 27.01.13


Konzert: TV Noir #8 mit Enno Bunger und Me & My Drummer
Ort: Centralstation Darmstadt – kleiner Saal
Datum: 27.01.2013 
Zuschauer: etwa 300 - 400 (ausverkauft)
Dauer: ca. 2h 15min


von Tanita


Nachdem mein allererstes Get Well Soon Konzert letzte Woche den Maßstab für zukünftige Konzerte in fast unmessbare Höhen getrieben hat, wird es wohl von nun an schwierig bis unmöglich, mich so richtig zu beeindrucken. Allerdings war ich sehr gespannt auf das TV Noir Konzert #8 mit Enno Bunger und Me & My Drummer. Einerseits, da ich die TV-Sendung sehr gerne ansehe, andererseits aber auch, da ich Enno Bunger bereits 2011 solo an einem ebenfalls magischen Abend als Vorband von Smith & Burrows im Gloria in Köln erleben durfte. Es war kurz vor Weihnachten, der 15. Dezember, wenn ich mich richtig erinnere, und ich war extra 6 Stunden quer mit dem Zug durch Deutschland gefahren, um bei einem der wenigen Konzerte von Smith & Burrows dabei sein zu können. Smith & Burrows, nun ein ganz kleiner Exkurs, ist das Nebenprojekt von Tom Smith, seines Zeichens Frontmann von Editors, und seinem guten Freund und unter anderem mittlerweile erfolgreichen Soloartist und Ex-Drummer von Razorlight, Andy Burrows. Die beiden hatten es sich zum Ziel gemacht, ein ganz und gar kitschfreies „Weihnachtsalbum“ zu machen – falls man den Begriff überhaupt benutzen möchte, da er doch sehr abgegriffen und eher negativ konnotiert ist. Jedenfalls ist ihnen das mit dem Ende 2011 erschienenen „Funny Looking Angels“ meiner Meinung nach bestens gelungen, das trotz der gefährlichen Verwendung von Schneeglöckchen einfach nur eine wundervoll ruhige und besinnliche Stimmung vermittelt, die nicht nur in der Vorweihnachtszeit, aber besonders dann, eine perfekte Alternative zu „Last Christmas“ und noch Schlimmerem, bietet. Wer schon einmal einem Konzert der sagenhaften Editors beiwohnen durfte, der kann mir bestätigen, dass Tom Smith eine Stimme hat, die einen einfach nur überwältigt. Kurz erwähnt sei hier nur die Tatsache, dass ich direkt vor ihm in der ersten Reihe sitzen durfte und bei der Akustikversion von „Papillon“ so dermaßen von der Schönheit dieses Moments überwältigt war, wie es mir nur selten passiert. Ich war so auf die Umsetzung der tollen stimmungsvollen Weihnachtslieder gespannt und als großer Editors-Fan natürlich auch darauf, welche besonderen Versionen uns vielleicht erwarten werden, dass ich mich gar nicht darüber informiert hatte, ob es einen Support Act gibt. Als nun ein doch ein rotblonder junger Mann die Bühne betrat, war ich durchaus skeptisch – wer kennt das denn nicht: trotz aller angebrachter Toleranz und vor allem gebotenem Respekt, kann man doch schon mal etwas ungeduldig werden, wenn man sich sehr auf ein Konzert freut. Nach wenigen Songs allerdings hatte er sich schon sehr in mein Herz und das meiner Begleiterinnen gespielt – und hierbei sei erwähnt, dass er dies wohl auch nur durch seine von grund auf sympathische Art geschafft hätte, aber es ging tatsächlich primär um seine tolle Musik.


Nach dieser kurzen, aber nicht minder eindrucksvollen Begegnung 2011, war ich umso gespannter, was dieser Abend in der Centralstation bringen würde. Nach einem tendenziell faulen Sonntagvormittag, setzte ich mich dann am frühen Abend mit meiner Begleitung in den Zug Richtung Darmstadt. So ins Gespräch über unsere früheren Konzerte von Enno und Musik im Allgemeinen vertieft, waren wir schnell in Darmstadt angelangt. Sehr sehr blöd nur, wenn man erst in der Straßenbahn Richtung Konzerthalle merkt, dass man das Ticket zuhause liegen lassen hat. Erstmal ein kurzer Moment der Panik, aber zu meinem großen Glück hatte ich ein Online-Ticket und dank meines Handys auch noch die Bestellnummer und alle sonstigen relevanten Daten, so dass mich die netten Menschen der Centralstation problemlos hereingelassen haben. An dieser Stelle Memo an mich selbst: ich werde mich NIE wieder darüber beschweren, dass ich nur ein Online-Ticket bekommen kann und kein schönes „altmodisches“ Ticket. NIE wieder!


Als wir den kleinen Saal der Centralstation nach zugegebenermaßen etwas chaotischem Einlass („Jetzt mal bitte die Leute mit TV Noir Ticket nach rechts und die mit unseren Tickets nach links!“ – Hilfe!?) betraten, war der überschaubare Saal im obersten Stockwerk wie erwartet bestuhlt und trotz anfänglichem Chaos konnten wir uns einen guten Platz ergattern. Was mir direkt besonders auffiel und auch gefiel, war der Bühnenaufbau: eine altmodische Stehlampe, daneben ein Sofa, auf dem dann später die Künstler Platz nehmen werden und vor in Rottönen beleuchtetem Samtvorhang ein Bild von einer Landschaft, das sich – etwas zynisch ausgedrückt - wunderbar in einem deutschen Durchschnitts-Spießer-Wohnzimmer hätte wiederfinden lassen können. Und selbstverständlich jede Menge Instrumente! Da das mein erstes TV Noir Konzert war, konnte ich durch die Sendung nur vermuten, dass die Künstler im Wechsel, aber auch zusammen, spielen werden würden, was durch die Verteilung der Instrumente auf der Bühne widergespiegelt wurde. Auf der linken Seite befanden sich ein eindrucksvoller schwarzer Flügel und ein Keyboard und auf der rechten Seite war unter anderem ein Drumset aufgebaut, so dass man auch schon erahnen konnte, wer wohl auf welcher Seite spielen werden würde.


Gegen 19.30 Uhr betraten alle Künstler gemeinsam die Bühne und Enno Bunger machte solo den Anfang mit dem Lied „Abspann“ von seinem aktuellen Album „Wir sind vorbei“, einem Album, das, wie er uns selbst erzählte, ausschließlich die Geschichte einer Trennung bzw. die verschiedenen Phasen, die man dabei durchlebt, beschreibt. Für meine Begriffe, hat Enno neben außergewöhnlich guten deutschsprachigen Texten auch eine Stimme, die passend dazu auch auf positivste Art und Weise nicht dem Durchschnitt entspricht, sondern meist sehr zart und melancholisch zum Klang des Klaviers seine Lieder trägt. Auch an diesem Abend weiß er so sofort zu begeistern und schnell ist klar, dass der Großteil des Publikums zunächst wegen ihm hier ist. Nach „Roter Faden“ und „Leeres Boot“, die Enno alleine vorträgt und damit das Publikum zu absoluter Stille inspiriert, da alle vollkommen gebannt zu hören, sind Me & My Drummer am Zug. Die Berliner Band, bestehend aus Sängerin und Alleskönnerin Charlotte und Schlagzeuger Matze, setzen der ruhigen, nachdenklichen Atmosphäre sofort lautere Töne entgegen. Da ich die Band bisher nur namentlich kannte, war ich sehr gespannt und anfangs etwas überrascht, da die schiere Lautstärke der Band im Kontrast zu Enno erstmal recht gewöhnungsbedürftig war. Die interessante Mischung aus Keyboard mit den verschiedensten Klangeffekten, den sehr präsenten Drums und allen voran die ausdrucksstarke Stimme der Sängerin, konnten mich und den Rest des Publikums spürbar überzeugen, da sich der anfangs verhaltene Applaus bis zum Ende hin in teilweise Standing Ovations für alle Künstler verwandelt hatte. Besonders bei den Stücken, die Charlotte alleine oder mit sehr reduzierter Begleitung durch ihren Drummer oder aber auch Enno vortrug (z.B. „All My Stuff“), zeigte sie sämtliche Facetten ihrer Stimme, durch die sie sich meiner Meinung nach deutlich von den üblichen Popsängerinnen abhebt. Als begeisterter Fan Enno Bungers, war ich selbstverständlich sehr erfreut darüber, dass man fast das gesamte aktuelle Album zu hören bekam und noch dazu ein paar liebgewonnene Stücke von „Ein bisschen mehr Herz“ – besonders toll auch die Lieder, die Enno mit der Unterstützung von Me & My Drummer spielte, wodurch u.a. „Herzschlag“, „Blockaden“ und „Die Flucht“ noch mehr Nachdruck gewannen. Fast noch schöner nur, dass diesen kraftvollen Liedern immer wieder sehr ruhige Momente, wie bei „Wahre Freundschaft“ entgegengesetzt waren, bei denen sogar das Klicken der Kameras der Fotografen deutlich zu hören war und wie Enno selbst scherzhaft kommentierte, diese aufmerksame Stille auch leider störte. Besonders in der zweiten Hälfte des Sets, die durch Me & My Drummer eröffnet wurde, hatte diese sich sichtlich „warm“ gespielt und wurden immer lockerer, was insgesamt zu einer schönen Atmosphäre beitrug. Das emotionale „Regen“ bewegte nicht nur mich dazu meiner Begleitung einen wissenden Blick zu zu werfen, sondern man konnte vielerseits beobachten, wie man sich gegenseitig zulächelte oder in den Arm nahm – einfach nur ein sehr schöner Moment, der den Hauptteil des Konzertes verdientermaßen beschloss. Für mich persönlich hätte danach schon fast Schluss sein können, einfach da „Regen“ einer der für mich stärksten und gefühlvollsten Songs auf „Wir sind vorbei“ ist. Allerdings legten Enno am „Schifferklavier von der Küste“ und sein Bandkollege Onno (Enno & Onno – vermutlich die besten Namen der Welt!) an der Gitarre, mit „Ich möchte noch bleiben, die Nacht ist noch jung“ einen Song nach, der genau das wiedergab, was wohl der Großteil des Publikums auch dachte. Schön wäre es gewesen – und das klingt jetzt härter, als es eigentlich gemeint ist – hier den finalen Endpunkt des Konzerts zu setzen, denn danach spielten alle gemeinsam noch den Song „Don't be so hot“ von Me and My Drummer, der nicht schlecht war, allerdings insgesamt weniger Anklang bei Publikum fand und das vorher eingeübte Mitsingen doch unerfreulicherweise ziemlich erzwungen klang. 


Insgesamt aber ein durchweg tolles Konzert, das beweist, dass es häufiger Konzerte dieser Art geben sollte, die die Künstler zur Zusammenarbeit auf der Bühne anregen und wie hier bei Enno Bunger und Me & My Drummer geschehen, verschiedenste Stile gekonnt zusammenführen.

Setlist TV Noir #8, Centralstation Darmstadt:

01: Abspann (1)
02: Roter Faden (1)
03: Leeres Boot (1)
04: Five Rules (2)
05: Escaping (2)
06: All My Stuff (2)
07: Wahre Freundschaft (1)
08: Herzschlag (1)
09: So Foreign (2)
10: Down My Couch (2)
11: Pick Up The Phone (The Notwist Cover) (3)
12: Runner (Reprise) (2)
13: Heavy Weight (2)
14: This Rage (2)
15: Blockaden  (1)
16: Die Flucht  (1)
17: Phobia (2)
18: You're a Runner (2)
19: Astronaut (1)
20: Regen (1)

21: Die Nacht ist jung, ich möchte noch bleiben (1) (Z)
22: Don't be so hot (3) (Z)

(1) Enno Bunger
(2) Me & My Drummer
(3) Alle

Links: 

- TV Noir #7 mit Herrenmagazin und Dear Reader, Freiburg, 13.11.12


Fotos: Tanita, Archiv (Tom Smith) 

3 Kommentare :

Gudrun hat gesagt…

Ich bin dann morgen in Karlsruhe dabei und schon jetzt gespannt wie ein Flitzebogen. Danke für den tollen Bericht. Die Weihnachstplatte fand ich übrigens erst mit einem Jahr Abstand uneingeschränkt gut (aber ja, jetzt mag ich sie nicht missen).

Tanita hat gesagt…

Danke für die lieben Worte! :) Du darfst zurecht gespannt sein, war wirklich ein toller Abend! ich hoffe du schaffst es auch ein paar Bilder von MAMD zu machen! Ich hoffe ja auch sehr, dass nicht nur bald was von Editors zu hören sein wird, sondern auch mal wieder von Smith & Burrows!

Oliver Peel hat gesagt…

Ganz großartig Tanita! Ich kann dann ja jetzt getrost in Rente gehen, das Konzerttagebuch ist bei dir in guten Händen!

 

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