Samstag, 26. Januar 2013

Amy Schmidt, Stuttgart, 24.01.13


Konzert: Amy Schmidt
Ort: Ein Wohnzimmer mit Blick über die Stadt, Stuttgart
Datum: 24.01.2013
Zuschauer: 30
Konzertdauer: etwas unter 90 Minuten


von Jens aus Stuttgart

„There's a picture of Stuttgart, there's a picture of Stuttgart behind me. It's random“ sang Stefan Götzer alias Pele Caster, Ex-Astra-Kid-Frontmann und aktueller Bassist von Klee in einem improvisierten Zwischenspiel in einem von Ben Schadows alten Garcons-Song, beim gemeinsamen Konzert in Stuttgart vergangenen Juni. Es war das erste von mir organisierte Wohnzimmer-Konzert, in den Räumlichkeiten der Eltern meiner Freundin im ländlichen Stadtteil Plieningen.

Hätte die Amerikanerin Amy Schmidt beim ersten Hauskonzert nach dem Umzug in die Mutterstadt selbst, wie die baden-württembergische Hauptstadt gerne von Hip-Hop-Fans bezeichnet wird, Peles fernsehserienaffinen Worte zitiert, so wären sie treffender ausgefallen. Anstelle von Hohenheimer Universität und Park bietet das neue Wohnzimmer tatsächlich einen Blick über den Kessel selbst.

Amy Schmidt, die ich im letzten Jahr als Support Act von Dear Reader im vorige Woche geschlossenen Club Speakeasy gesehen habe, wo sie Cherilyn Macneil – die mit voller Bandbesetzung auftrat – eindrucksvoll die Show stahl.

Während die südafrikanische Wahlberlinerin Macneil mit massiven technischen Problemen zu kämpfen hatte. So sorgte das monotone Rauschen eines Gitarrenverstärkers für ein unerträgliches Konzerterlebnis. Glücklicherweise durfte ich Dear Reader 2012 noch zu zwei weiteren Gelegenheiten erleben, an denen sie mich dann doch überzeugen konnten, denn sowohl beim BootBooHook-Festival in Hannover als auch auf der TV Noir Tour (zusammen mit Herrenmagazin) gerieten die Shows tadellos, wenn auch nicht herausragend.

Stattdessen gefiel mir Amy Schmidts Support-Set außerordentlich gut, auch wenn sie „only like four songs“ spielen durfte, wie sie mir in überraschend dezenten Mid-West-Akzent noch einmal ins Gedächtnis rief. Als sie vergangenen Sonntag spontan via Facebook anfragte, ob sie am darauffolgenden Sonntag im Rahmen ihrer umfangreichen Deutschland-Tournee ein Wohnzimmer-Konzert bei uns spielen dürfte, zögerten wir nicht lange. Luden Gäste ein und freuten uns auf das nun dritte selbst organisierte Gastspiel.

In knapp 90 Minuten gelang es der schüchternen Singer-Songwriterin sich mit ihren hochwertigen Folkpopsongs aus nunmehr vier Studioalben ein andächtig lauschendes und begeistertes Publikum, was sich besonders beim anschließenden CD-Verkauf und dem herumgehenden Spendenhut zeigte. 

„Geography“, „Storm“ oder „Fireworks in the house“ vom vier Jahre alten etwas überproduzierten Langspieler „Restless Things“ entfalten live in der reduzierten Akustikversion ihren ganzen Charme, der auf der vor Overdubs strotzenden Studioproduktion, die eher an Avril Lavigne oder die Killers-esken Klänge der bei späteren Amy MacDonald – Alben erinnern. Zum Glück gelang es der 26-jährigen, deren Vorfahren in den 20er Jahren aus Hamburg in den Mittleren Westen der Vereinigten Staaten, nach Nebraska, auswanderten, auf ihrem aktuellen, vierten Album „Little gears“ alle Attribute, das ihre, im liebenswerten Sinne, leicht autistisch wirkende Livepräsenz hervorragend konservierte.

„Hill Country“ wäre da zu nennen, eine Storyteller-Ballade in der Tradition Bob Dylans, die in düstererer Version tatsächlich auch blendend auf Bruce Springsteens karge Solo-Platte „Nebraska“ gepasst hätte, die sich dort nicht nur perfekt eingereiht hätte, weil Schmidt über ihren Heimatstaat, dem sie sich sich, wie sie gleich mehrfach betont, sehr verbunden fühlt. „Grateful“, mit dem sie ihr Set eröffnete, fällt qualitativ kaum ab und besonders die beiden Zugaben verfestigten den allgemeinen Eindruck an einem besonderen Ganzen beteiligt gewesen zu sein. Mit an Suzanne Vega erinnernder Stimme, zerbrechlicher Unschuld und kühlem Charisma gehört Amy Schmidt auf die großen Bühnen. Es fehlt nur noch ein geschicktes Label, das ihr Potential erkennt, sie fördert und ihr Songwriting zwischen astreinen Radiopop und klassischen Folktugenden einer breiten Masse vertraut macht.

Bis März ist Schmidt noch in Deutschland auf Tour und ich kann nur wärmstens empfehlen ihren Auftritten in Kneipen, Clubs und Wohnzimmern beizuwohnen. Es lohnt sich. Wirklich.

Links:

- aus unserem Archiv:
- Amy Schmidt, Karlsruhe, 22.01.13 
- Amy Schmidt, Freiburg, 30.04.12



 

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