Dienstag, 15. Januar 2013

My Year In Lists - die schlechtesten Konzerte des Jahres (-Christoph-)


2012 war ein sehr gutes Konzertjahr. Es hat mir soviele großartige bis weltbewegende Abende bereitet, daß sich (gedanklich) der Umfang meiner Bestenliste dauernd erweitert. 2012 war aber auch kein schlechtes Konzertjahr,* richtig viele Totalausfälle gab es glücklicherweise nicht. Bei dieser schrecklich hohen Zahl an Berichten, die ich aus Scham lieber verschweige, waren aber trotzdem ein paar üble Auftritte bei. 

Meine schlechtesten Konzerte des Jahres 2012:

10: Vega, Brüssel, 10.03.12

Mittlerweile sind Vega vermutlich schon riesengroß, die Band erweckte jedenfalls den Eindruck, wirtschaftlich auf dem richtigen Weg zu sein. Musikalisch war der neonfarbene Elektrokrams vor School Of Seven Bells aber gar nichts. Wenn ich das mit dem Erfolgspotential doch falsch einschätze, kann die Band sich aber eine goldene Zukunft als Autoscooter Soundtrack Lieferant aufbauen!

09: Das Grizzly Bear Desaster, Köln, 02.11.12



Das Lineup mit Grizzly Bear und den Villagers klang verlockend. Wie das Konzert musikalisch war, kann ich aber nicht einschätzen, weil die Umstände extrem widrig waren. Offenbar hatte man die maximale Zuschauerzahl kreativ angepasst, die Essigfabrig war mehr als überfüllt. Selbst als ich irgendwann auf unseren Plätzen genug hatte - genug von den immer gleichen Leuten angerempelt zu werden, die nach hinten und zwei Minuten später wieder nach vorne und dann wieder nach hinten drängelten (vermutlich Problemblasen-Besitzer), von den Bargeräuschen, von laut lachenden und anstoßenden Menschen (Unsitte!) - und resigniert ganz nach hinten ging, fand ich da kaum einen Platz. Es war gefährlich, zumindest aber unangenehm überfüllt.

Vom Konzert habe ich nichts mitbekommen, ich habe zwei Stunden Leuten ausweichen müssen.

08: Lemonheads, Köln, 12.05.12 (erste Konzerthälfte)


Ein Konzert, das wohl auch als Symbol für seinen Künstler herhalten kann, es war extrem wechselhaft, fing schlimm an und endete hervorragend. Wäre es so weitergegangen wie in der ersten Hälfte, stünde das Konzert viel weiter unten. Hätte es nur die zweite Phase gegeben, gehörte es in die Top-Liste.

Die ersten Lieder waren allesamt Mist. Natürlich nicht die Stücke selbst, denn die stammten ja von It's A Shame About Ray. Aber Evan Dandos Lemonheads rotzten ihr Meisterwerk gelangweilt und fahrig runter, wie es es selbst Killers-Platten nicht wünschte.

Irgendetwas legte aber dann einen Schalter um und drehte den Abend, er wurde auf einmal richtig gut!

07: Rocco DeLuca, Köln, 07.07.12

Vermutlich war das große Kunst. Die allerdings erschloss sich mir nicht. Bluesiges Geschrammele auf einer Resonator-Gitarre über 35 Minuten, sind für mich das, was für Steven-Seagal-Freunde Inuit Arthaus-Liebes-Dramen in Originalsprache sind. Dargeboten wurde dies vom Kalifornier Rocco DeLuca im Vorprogramm von Edward Sharpe.

Wahrscheinlich war es wirklich Kunst; ich fand es entsetzlich!

06: Cheers Darlin', Köln, 15.05.12

Der einfachste Weg in diese Liste ist innere oder äußere Großkotzigkeit kleiner Bands. So etwas mag ich nicht. Wer den Mund aufreißt, sollte zumindest gute Musik machen. Lokale Vorgruppen (auch wenn sie wie in diesem Fall aus Hamburg stammen) haben gefälligst dankbar zu sein, eine Auftrittsmöglichkeit geboten zu bekommen. Ihretwegen ist in den wenigsten Fällen einer der Zuschauer da.

Ich habe dieses Jahr viele brillante und gleichzeitig hochsympathische Support-Bands gesehen, Cheers Darlin' mit Umhängekeyboard und Vorstell-Soli vor Oberhofer mochte ich aber wirklich nicht.

05: Ernst Haft, Bad Homburg, 20.01.12

Mit Olli Schulz kann man grundsätzlich nichts falsch machen! Auch der Ausflug ins mondäne Bad Homburg bestätigte mich darin. Das was als Vorprogramm aufgeboten wurde, war allerdings schwere Kost. Eine Gruppe mit dem Top-Namen Ernst Haft - vor allem deren Frontfrau - hielt sich nämlich für die eigentlichen Stars des Abends, trotz des lästigen Rests nach ihrem Auftritt.

Ernst Haft spielten nicht nur das schlimmste Cover das ich je außerhalb von youtube gesehen habe (irgendwas von Coldplay, was so eine Behandlung nicht verdient hatte), sie ließen auch jegliche Demut fehlen. Am schönsten waren die Anekdoten der Sängerin, die zwar auf Pointen verzichten mussten, bei ihr aber als riesige Schenkelklopfer galten.

Schade, schade, daß Olli Schulz das nicht komplett erleben musste. Ich wäre so gespannt auf sein Lied über diesen Auftritt!

04: Zeus, Köln, Frankfurt und Köln, 19.04., 12.12. und 17.12.12


Zeus, (sie nennen sich selbst aber Susss), stammen aus Kanada. Ich freue mich über jede kanadische Band, die ich sehen kann, weil ich selten schlechte erlebe. Man muß der staatlichen kanadischen Musikförderung dankbar dafür sein, daß sie uns immer wieder aufregende Bands schickt. Für diese Zeus-Nummer bin ich dagegen sehr sauer auf sie.

Als ich im Dezember die Stars in Frankfurt sah, mochte ich den trockenen Rock der Vorgruppe überhaupt nicht. Die Abschlußball-Bands, auf die die Kids in Nickelback T-Shirts, in amerikanischen Filmen abfahren, hören sich genauso an. Ich ertrage solche Musik nur mit eiserner Disziplin. Während des Auftritts im Zoom überlegte ich die ganze Zeit, woher ich den Keyboarder mit dem ironischen Schnauzbart bloß kannte. Ich ging einige Bands im Kopf durch, überprüfte das sogar anhand meiner flickr-Fotos, ich wollte mich ja nicht auf die Musik konzentrieren, kam aber nicht drauf. Erst als ich nachts meinen Bericht schrieb, ging mir ein Licht auf: wir hatten schon über Zeus geschrieben. Nein, ich hatte von ihnen berichtet. hatte es aber verdrängt. Zeus hatten auch schon Dan Mangan begleitet. Und als ich dann sah, daß ich acht Monate vorher fast das gleiche geschrieben habe, ohne zu wissen, daß es sich um die gleiche Band handelte, war ich beruhigt, bestätigt und sicher, daß sie in diese Liste gehören!

03: Das Les Ardentes Festival in Lüttich, 05.07.12


Darauf hatte ich mich ernsthaft gefreut. Ich hielt es sogar für eine gute Idee, nach Lüttich zu fahren, um dort Morrissey, Warpaint und Patti Smith zu sehen. 

Wie naiv!

Wer schon mal beim Maifeld-Derby, beim Phono Pop oder in Haldern war, stelle sich bitte den Kehrwert dieser Festivals vor. So ist Les Ardentes! Rock am Ring Publikum und Werbekarawanen wie bei der Tour de France, die die Anwesenden ("Zuhörer" wäre falsch) mit lustigen grünen und roten Cowboy-Hüten ausstatteten oder laut jauchzend durch die Menge des Patti Smith Konzerts gingen, um ihre elenden Getränkedosen und dämliche Kappen unters Volk zu bringen. Daß ich mir Warpaint mit dieser ausgemachten Schnapsidee nicht kaputtgemacht habe, ist ein Wunder und hat auch viel mit dem tollen Phono Pop Festival zu tun, auf dem sie ein paar Tage später spielten und Lüttich für mich verdrängten. Ernsthaft (haha!) habe ich mich nicht mehr daran erinnert, in dieser Festivalhölle gewesen zu sein, erst mit den Jahresrückblicken kam dieses düstere Geheimnis wieder hoch.

Meine enorm kluge Entscheidung an diesem Tag war, während Patti Smiths Auftritt von einer Minute auf die andere fluchtartig das Gelände zu verlassen! Morrissey wollte ich nicht gemeinsam mit vollktrunkenen David Guetta Fans sehen.

02: Mika Do, Erbach, 15.07.12


Es war ein wundervoller Tag auf dem elterlichen Weingut von Gisbert zu Knyphausen in Erbach im Rheingau. Gisbert, dem express.de den großen Durchbruch 2013 prophezeiht (und ihn zu einem zweiten Tim Bendzko erklärt, Himmel hilf!) spielte abends ein schönes Konzert in tollem Rahmen. Das musikalische Vorprogramm war dagegen nichts. Cäthe, die direkt vor Gisbert spielte, hat eine Stimme, die ich nicht mag, das Konzert empfand ich als langweilig. Das reicht aber bei weitem nicht für diese Liste. Mika Doo, eine in London lebenden Deutsche, dagegen lieferte ordentlich ab. Nicht nur, daß die Sängerin, die vermutlich sechs Monate vorher aus Detmold in die Nähe von London gezogen war, ausschließlich Englisch sprach, auch nachdem ihr ihr Begleiter, ein Gitarrist namens Gordon, zugezischt hatte "speak German!", ihre ganze Art war erschüttermd affektiert und ließ nicht nur Gordon Stoßgebete in den Himmel schicken lassen, daß es bald vorbei sein möge.

01: Peter Doherty, Esch-sur-Alzette, 09.04.12


Ich liebe die Musik der Libertines, der Babyshambles und das Solowerk von Peter Doherty. Sein Konzert in der Kölner Essigfabrik etwa genau ein Jahr vorher war brillant und zeigte, wie gut der Engländer sein kann, wenn sein Körper es zuläßt. Wieder eines dieser aufregenden Konzerte zu erleben, war meine Motivation, an Ostermontag nach Esch in Luxemburg zu fahren - ich hatte felsenfest damit gerechnet, einen tollen Auftritt zu erleben.

Es folgte die musikalische Version dieser Internetbilder von Betrunkenen, die von ihren sogenannten Freunden am ganzen Körper mit Eddings bemalt wurden. Während des Konzerts kam ich mir vor wie ein Leitplankengaffer bei einer blutigen Massenkarambolage oder ein Hochwassertourist an der Mosel. Peter Doherty war so wenig Herr seiner Sinne, daß dauernd etwas umfiel, ihn einfachste Dinge vor unlösbare Probleme zu stellen schienen - das Anzünden einer Kippe dauerte mehrer Minuten - während das Publikum feixte. Der Tanzbär mit dem blutigen Nasenring gab alles, vielen Zuschauern gefiel es. Wenn ich das Wort fremdschämen nicht so dämlich fände, hier wäre es angebracht!

Daß ein paar der Lieder, die der Libertine sang, gut waren, wenn er es erst einmal so weit geschafft hatte, machte den Abend noch tragischer. Es war mit ganz weitem Abstand das schlechteste Konzert des Jahres, vermutlich der letzten Jahre.

Karriereprognose: es wird immer so weitergehen. Mal ein schlimmes Konzert, dann wieder eines, das mitreißt. Peter wird den Geiern, die darauf warten, nicht den Gefallen eines frühen Drogentods tun. Er wird sich genau so wie bisher bis ins hohe Alter weiter durchs Leben schlagen und alle fünf Jahre Alben herausbringen, die hängenbleiben.

 
* nein, kein Widerspruch



2 Kommentare :

Frank hat gesagt…

Also so schlecht waren Vega nun nicht, da fand ich den Grizzly Bear Abend inklusive gestohlener Autoradkappen ehrheblicher traumatischer.

https://www.youtube.com/watch?v=xSMHetIsRdk

E. hat gesagt…

ich bleibe nach wie vor dabei, dass diese zeus durchaus potential haben. mir haben sie live sehr gut gefallen. aber ich steh halt auch auf frickelei und so n paar endlospassagen etc. humorig sind die typen auch noch.

 

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