Konzert: Best Kept Secret Festival, Tag 3
Ort: Safaripark Beekse Bergen, Hilvarenbeek
Datum: 21.06.2015
Zuschauer: rund 20.000 pro Tag
von Dirk aus Mönchengladbach
Nach einer weiteren ruhigen Nacht auf dem Luxus-Camperplatz mit Strom, Hallenbad und Supermarkt hätte es die Gelegenheit gegeben, Jonny Greenwood (ja, der von Radiohead) vor wenigen hundert Menschen zu erleben. Allerdings gab es drei entscheidende Nachteile: 1. Es wurden keine Radiohead Songs gespielt sondern nur Stücke aus seinen Soundtracks mit klassischem Orchester. 2. Das ganze beginnt um 11:00 Uhr morgens. 3. Es regnet.
Daher genügt ein Blick auf den Regenradar der Wetter-App (wie konnte man früher ohne diese Funktion überhaupt auf Festivals überleben) und der Start unseres Programms wird auf 12:00 Uhr verschoben. Dort treten Pretty Vicious an, kein Rapper aus den 80ern (wie mir mein Streamingdienst zunächst anbot), sondern eine blutjunge Truppe stark nach Oasis klingender Jugendlicher mit frischem Major-Vertrag in der Tasche. Das Netz gab nur eine Single Cave song preis, die allerdings ist sehr gelungen. Live rockte das ganze ziemlich perfekt, die Bühnen für die Band werden bestimmt größer, nur mit dem Gesang hatte ich ernste Probleme. Sänger Brad Griffiths schreit leider mehr als zu singen und das wird irgendwann leider nervig. Trotzdem, solche Musik wird immer ihren Weg finden. Ein guter Einstand.
Die mittlerweile überflüssigen Mew (leider) und die tollen Waxahatchee hatte ich bereits beim Maifeld Derby gesehen, also weiter zu Future Islands die auf der Hauptbühne spielen dürfen. Unglaublich welche Entwicklung die Band in den letzten Jahren gemacht hat, einen Plan, berühmt zu werden hatten sie sicher nicht. Nach einem Letterman-Auftritt der fantastischen Single Seasons (mit mehr als 10 Millionen Clicks) gings nur noch bergauf und auch hier wird die Band trotz ihrer eigentlich recht sperrigen Musik gefeiert. Die Mischung aus 80er Beats, pumpenden Bassläufen und der Ausnahmestimme von Samuel Herring überzeugen einfach in der Summe mehr als die einzelnen Teile. Dies sollte eine gute Band ja auch ausmachen. Herring gestaltet jeden Song mit seinen kruden Bewegungstänzen, als wäre es der letzte auf Erden. Am Schluss stürzt er sich in die verdutzten Fans, rennt seitlich zur Bühne um dann mit Anlauf über einem angelehnten Baumstamm wieder zurück in den Backstagebereich zu springen. Warum auch immer. Toll.
Den Abschluss des Festivals bildet erneut ein starkes englisches Doppel. Die Newcomer des Jahres Royal Blood und Alt-J. Eigentlich hatte ich mir von beiden Bands nicht viel versprochen, aber es kam anders. Der Abendhimmel gestaltet sich bei einem tollen Sonnenuntergang sehr romantisch als Royal Blood die Bühne betreten. Natürlich nur mit Schlagzeug und Gitarre. Ben Thather (Schlagzeug) grüßt sofort mit seinem wohl nicht ersten Dosenbier des Abends, auf seinem Stuhl stehend die Zuschauer. Was dann folgt ist eine von 35 auf 60 Minuten gestreckte Show ihres einzigen Albums in voller Länge. Das tolle daran ist aber: Es ist keine Sekunde langweilig. Natürlich klingt das wie purer Garage-Rock, klar sind die Spielchen um auf die vertragliche Stunde Spielzeit zu gelangen nicht neu. Aber es macht einen Heidenspass diesen beiden Berserkern bei der Arbeit zuzusehen. Out of the black, Little Monster.. alles knallt einem um die Ohren, wer da nicht tanzt, muss vom letzten Gig schon taub sein.
Ob das ganze ein Ticket für die eigene Tour im Herbst wert ist, kann ich schwer versprechen. Die Länge des Konzerts wird sich wohl kaum unterscheiden, und das Publikum bei einem Festival ist einfach schneller zu begeistern. Trotzdem waren Royal Blood völlig zurecht so hoch im Line-Up angesiedelt.
Zum Finale ein neben Noel eher gewagter Headliner. Alt-J, die unglaublicherweise zur Zeit größte Indieband spielt auf. Bevor Alt-J auf die Bühne kommen läuft ein Song der Arktic Monkeys und auf einmal verstehe ich, warum Alt-J so berühmt sind. Alle unter 30-jährigen um mich herum singen leise mit, und so wie die Arktic Monkeys die Oasis der nächsten Generation sind, sind Alt-J die neuen Radiohead. So wie Royal Blood die Sehnsucht nach Gitarrenrock erfüllen, spielen Alt-J die vertrackten Hymnen für Feingeister.
Natürlich erinnert auch die Show stark an Radiohead. Ein Meer aus Licht, Leinwänden und Spots. Jeder Song hat eine eigene Choreografie. Spontane Ideen sind hier nicht gefragt. Trotzdem ist das Ganze stimmig, die Band scheint lockerer als sonst und einmal scheint ein Song wegen eines Lachanfalls kurz vor dem Abbruch zu stehen (hoffentlich war das nicht einstudiert). Sänger Joe Newman hält sich wie immer zurück, die (etwas zu vielen) Ansagen übernimmt Gus Unger-Hamilton an den Keyboards. Auch hier werden beide Alben fast komplett durchgespielt, alle "Hits" sind dabei, auch eine schöne Cover-Version von Bill Withers Lovely Day. Pünktlich um 23:00 Uhr ist Schluss und diesmal wird es keinen nervigen Tag im Frühjahr vor dem Rechner geben.
Das Festival verkaufte nämlich bereits am Sonntag Tickets für die Ausgabe in 2016 für gerade mal 99,00 EUR incl. Camping. Da hoffen wir mal nicht auf einen Best Kept Grexit und heften uns die Tickets eben schon ein ganzes Jahr früher an den Kühlschrank.
Ein wirklich, immer wieder tolles Festival mit perfekt ausgepegeltem Line-Up und perfekter Organisation liegt hinter uns. Wir sehen uns wieder im Juni 2016.
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