Konzert: Phillip Boa and the Voodooclub
Ort: KUZ, Mainz
Datum: 06.11.2014
Dauer: knapp 100 min
Zuschauer: ca. 300 (nicht ganz ausverkauft)
"Das ist eigentlich ein total schönes Lied, das haben wir nicht richtig gespielt, das müssen wir noch üben. Es war erst das zweite Mal." Früher klang Phillip Boa anders. Als ich ihn bei einem der Bizarre-Festivals auf der Loreley gesehen habe, trat er eine Palette Hansa-Pils Dosen ins Publikum und brüllte immer wieder "Phillip Boa ist ein Arschloch!" Damit sprach er uns allen aus der Seele - aber immerhin ein Arschloch, das damals die mit Abstand beste Musik in Deutschland machte. Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre hatte ich Phillip Boa and the Voodooclub ein paar Mal gesehen. Lieder wie Container love, This is Michael, Diana und vor allem Annie flies a lovebomber waren auf jedem Mixtape und gehörten zu meiner musikalischen Prägung wie die Hits der Pixies und der Smiths.
2011 stolperte ich über ein Boa-Konzert in Koblenz, bei dem der irgendwann (bevor es dazu Fernseh-Shows gab) nach Malta ausgewanderte Musiker seine beiden Alben Helios und Boaphenia komplett spielte. Der Abend war ein Wiedersehen nach gut 20 Jahren - und er machte Spaß. Trotzdem habe ich seitdem weder den Künstler noch seine Musik beachtet. Wie dumm.
Das Konzert im KUZ in Mainz war zwar wohl nicht ganz ausverkauft aber gut besucht (von Publikum im erwarteten Alter und der erwartet dunklen Kleidung). Wir hatten die Vorgruppe ausgelassen und standen um kurz vor neun im Saal, fast gleichzeitig mit der Band. Ich kenne leider die Namen der Musiker nicht, die Phillip Boa 2011 begleiteten. Die Konstellation - Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboard* (und zweites Schlagzeug) plus Sänger und Sängerin - war aber wohl die gleiche wie vor dreieinhalb Jahren. Die Sängerin ist nach dem erneuten Ausstieg von Pia Lund eine neue. Sie heißt Pris, hat offenbar einen ausgezeichneten Filmgeschmack und eine hervorragend zu Boa und zu Boas Liedern passende Stimme.
Im August ist Bleach house, das 18. (?) Album des Dortmunders erschienen. Ich habe es zwar gekauft, bisher aber nicht gehört. Das wird Philipp Boa verstehen. Denn vor einigen Wochen ist auch das dritte Album der wundervollen Vaselines erschienen, das ich seitdem ununterbrochen höre. In Koblenz hatte Boa zu meiner großen Überraschung Molly's lips von meinen heißgeliebten Vaselines gecovert, er mag die Band.
Außerdem höre ich neue Lieder oft live zum ersten Mal, denn so erkennt man am besten, ob eine Platte etwas taugt. Sie vorher zu hören, kann eigentlich nur eine spätere Enttäuschung bedeuten.
Das Konzert war als eine Mischung aus alten und neuen Liedern angekündigt worden. Und es wurde auch so umgesetzt. Es begann mit Kill the future vom neuen Album, bevor mein Liebling Annie flies a lovebomber folgte. Danach mit The one who howls at the moon wieder etwas Neues und Fine art in silver und I dedicate my soul to you alte Hits. Eigentlich ein enorm cleveres Konzept, den neuen Stücken Evergreens an die Seite zu stellen, allerdings wohl auch vollkommen unnötig. Bei allen neuen Titeln sangen viele der Zuschauer genauso euphorisch mit wie bei den alten. Die wenigsten hatten Phillip Boa wie ich aus den Augen verloren.
Natürlich sind Container love, Kill your ideals, Diana oder And the she kissed her riesige Knüller und natürlich gefallen mir - weil ich sie tausendfach gehört habe - die rumpligen alten Sachen besser als die popigen neuen. Aber die neuen Lieder waren trotzdem erstaunlich gut. "Total schön", Phillip Boa hatte recht. Das beste der neuen war Baby please go home. Aber auch das nach Weihnachten (nur die Melodie!) klingende Chronicles of the heartbroken war toll. Ich sollte mir in einer Vaselines-Pause dringend einmal Bleach house anhören, glaube ich.
Der Sänger war gut gelaunt, das Konzert lang. Nach sechs Zugaben und hundert Minuten endete der zweite Abend der Tour (nach Marburg am Mittwoch). Wenn Phillip Boa unter anderem Namen auftreten würde, würden vermutlich einige Musikmagazine seine originelle, aktuell klingende Musik in den höchsten Tönen loben. Bei jemandem, der seit Mitte der 80er Jahre Platten veröffentlicht, macht das leider niemand mehr. Dabei ist ganz objektiv jedes Boa-Konzert zigmal besser als der Großteil der Bands, die zur Zeit durchs Dorf getrieben werden.
Setlist Phillip Boa and the Voodooclub, KUZ, Mainz:
01: Kill the future
02: Annie flies a lovebomber
03: The one who howls at the moon
04: Fine art in silver
05: I dedicate my soul to you
06: Überblendung
07: Deep in velvet
08: Til the day we are both forgotten
09: Bleach house
10: Love on sale
11: Icons of anarchy
12: This is Michael
13: Chronicles of the heartbroken
14: Atlantic Claire
15: Diana
16: Are you the one from heaven?
17: Container love
18: Baby please go home (Z)
19: Albert is a headbanger (Z)
20: When the Wall of Voodoo breaks (Z)
21: And then she kissed her (Z)
22: Standing blinded on the rooftops (Z)
23: Kill your ideals (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Phillip Boa And The Voodooclub, Koblenz, 10.03.11
- Interview mit Phillip Boa, Koblenz, 10.03.11
Tourdaten Phillip Boa and the Voodooclub:
07.11.14 Magdeburg
08.11.14 Dresden
13.11.14 Nürnberg
14.11.14 Karlsruhe
15.11.14 Köln
28.11.14 Bremen
29.11.14 Hamburg
04.12.14 Göttingen
05.12.14 Erfurt
06.12.14 Berlin
05.03.15 Weinheim
06.03.15 Aschaffenburg
07.03.15 München
14.03.15 Cottbus
08.05.15 Hameln
09.05.15 Kiel
* Oliver Klemm (Gitarre), Maik T (Bass), Moses Pellberg (Schlagzeug), Toett (Keyboard & Schlagzeug)
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