Montag, 19. August 2013

The B-52's, Bonn, 19.08.13


Konzert: The B-52's
Ort: Kunst!Palast, Bonn
Datum: 19.08.2013
Dauer: gut 75 min
Zuschauer: rund 1.500



Ist es wirklich eine gute Idee, die B-52's 2013 zum ersten Mal zu sehen? Eine Band, die mir vor 20, 25 Jahren extrem wichtig war und deren ersten beiden Alben einen starken Einfluß auf meinen Musikgeschmack hatten? Vor ein paar Jahren hatte ich bei den Sisters Of Mercy erlebt, wie so etwas gehörig schiefgehen kann. Der Auftritt der Bandreste um Andrew Eldritch war entsetzlich peinlich und - wenn ich das Wort nicht hasste - das eindrucksvollste Beispiel für Fremdschämen. Leider hatte mir das seelenlose Kaputtsingen ihrer (seiner - nur Eldritch war beteiligt) alten Hits die Musik der Wave-Helden im Anschluß vollkommen verleidet.


Jetzt war das Risiko heute durchaus überschaubar. Ich freue mich immer noch, wenn ich irgendwo Lieder der B-52's höre, aber richtig wichtig ist mir die Gruppe aus Athens nicht mehr. Anders als bei anderen Lieblingsbands von früher würde ich ein Desaster gut überstehen. Daß die Gefahr eines Flops hoch war, war mir auch bewußt. Die B-52's haben sich immer als Party-Band verstanden. Musiker jenseits der 60, die sich in die Kleider, Frisuren und Tanzstile von früher zwängen, bringen das Risiko einer Selbstdemontage einfach mit.

Es dauerte nicht lange, um all meine Zweifel auszuräumen. Eigentlich brauchte es nur ein paar Takte Planet Claire. Die drei Gründungsmitglieder der B-52's, Cindy Wilson, Fred Schneider und Kate Pierson standen nebeneinander und mussten zunächst gar nicht viel machen, da das Stück vom Debütalbum weitestgehend instrumental gehalten ist (bis Freds markanter Schrei-Sprechgesang einsetzt). Trotzdem wanderte Kate von ihrem Platz zu den beiden anderen Sängern. Den Fotografen war dies vorher angekündigt worden. Man wünsche sich vor allem Fotos, auf denen alle drei zu sehen sind. Um dies zu erleichtern, komme Kate Pierson ein paarmal zur anderen Seite der Bühne.


Wichtigstes Element der Musik der Band aus Georgia sind neben den einfachen Melodien das "Ansingen" der Sänger; einer singt, der andere antwortet. Die Lieder sind keine Duette sondern Dialoge zwischen Fred und den Frauen (wofür es sicher einen Fachbegriff gibt - und "Dialog" ist natürlich auch Quatsch). 

Neben dem tollen Gesang des Frontmanns, der ein blaues Glitzerhemd trug (das ein wenig optimistisch gewählt war), ist vor allem Kates Stimme herausragend (im wörtlichen Sinne). In der Hochphase der Band sang die Frau im Pailletten-Kleid auch mit Iggy Pop und R.E.M. (Shiny happy people) und hatte eine der besten Pop-Stimmen ihrer Zeit. Sie ist mit der offenbar pfleglich umgegangen, denn ihr Gesang war auch live hervorragend. Nur bei Roam, das die beiden Frauen alleine bestritten (Fred war von der Bühne verschwunden), klang eine der beiden Stimmen manchmal dünn, ich vermute, es war Cindys.


Eigentlich gibt es noch vier der fünf Gründungsmitglieder der Band. Keith Strickland, der Gitarrist, geht aber nicht mehr mit auf Tour. Nach dem Tod von Cindys Bruder Ricky Mitte der 80er Jahre hatten sich die Rollen der Musiker irgendwann geändert. Seitdem singen Cindy, Kate und Fred nur noch (neben ein paar Bongos oder Kuhglocken, die man nebenher bedienen kann). Live übernimmt eine (deutlich jüngere) vierköpfige Band die Begleitung. Da die Melodien für einen Laien wie mich nicht unbedingt von ihrer Komplexität leben, scheint dieser Job ein dankenswerter zu sein. Man kann nicht viel kaputt machen, auch wenn das viel negativer klingt als es klingen soll. Aber für Rhythmen wie den von Rock lobster braucht man nicht unbedingt die ursprünglichen Musiker an den Instrumenten.* Die Stimmen sind wichtig - und die waren da und sie waren sehr gut!


Das Programm war ein best-of, wie man es erwarten konnte (und so, wie sie es überall spielen). Sehr viel aus der Phase vor dem großen (richtigen) kommerziellen Durchbruch 1989 und wenig aus der Zeit nach Love shack und Roam. Perfekt! Obwohl ich die meisten Lieder lange nicht gehört hatte (fünfzehn Jahre?), funktionierten Hits wie Lava, Whammy kiss, Party out of bounds, Private Idaho wie früher! Nichts, überhaupt nichts war peinlich an dieser Aufführung. Da war keine Band, die ihre alten Erfolge coverte, da waren drei für amerikanische Verhältnisse extrem würdevoll gealterte Popstars, die zwar tanzten, aber dabei nicht betont jugendlich aussehen wollten. Das hatte sehr viel mehr Stil, als ich befürchtet hatte.

Daß nicht immer alle drei Sänger auf der Bühne waren, hatte sicher auch keine Altersgründe. Fred ging für Roam und Legal tender weg, weil er bei den Stücken nicht singt. Und ein Sänger, der sonst nichts macht und nur tanzend rumsteht, sieht nunmal dämlich aus. Also ging er weg. Girl von Ipanema goes to Greenland bestritt Cindy alleine (und widmete es ihrem verstorbenen Bruder Ricky). Da war auch Kate nicht auf der Bühne. 


Der Abend hätte noch deutlich besser sein können, wenn das Publikum weniger gehemmt gewesen wäre. Natürlich gab es die rheinisch-fröhliche Mitklatschorgie zu Love shack (ich wette, da fiel sehr oft "das ist unser Lied, Schatzi!"), ansonsten verpufften Freds Ansagen (oft in einem passablen Deutsch!) leider total. So als spielte die Band nicht in einem Zirkuszelt sondern auf einem Squash-Platz. "This is 6060-842, it's a punk song. Is it called 'zero' in German?" Nichts. "Schnitzels, beer, Sauerkraut and rock lobsters." Auch keine Reaktion. Wie schade! Dabei waren die Ansagen so toll (Whammy kiss: "Dieser Somg ist auch ein Song!"). Das Publikum im Kunst!Palast genoss eher still. Am stillsten ein schillernder Mann mit sehr viel Metall in den Ohren und einem dünnen grauen Bart, der eine selbstgedrehte was-auch-immer Kippe im Mund hatte, die er, ohne sie zu berühren, während des kompletten Konzerts aufrauchte, bis immer mal wieder Asche über den Bart nach unten fiel. Auch er wurde erstmals bei Love shack beweglich, da war die Kippe aber auch aufgeraucht.

Nein, der Abend war alles andere als peinlich. Es war eine sehr gute Idee, die B-52's doch noch anzugucken. Ihre Zeitgenossen Tom Tom Club aus gemeinsamen Konzerten und Parties in den New Yorker Szeneclubs der frühen 80er (Max's und CBGB) hatte ich vor ein paar Wochen ähnlich gut auf dem Museum Ludwig in Köln gesehen. Diese Musik scheint jung zu halten und jung zu bleiben. Wundervoll!

Setlist The B-52's, Kunst!Palast, Bonn:

01: Planet Claire
02: Mesopotamia
03: Private Idaho
04: Lava
05: Dance this mess around
06: Girl from Ipanema goes to Greenland
07: Roam
08: Legal tender
09: Love in the year 3000
10: Is that you Mo-Dean?
11: 6060-842
12: Whammy kiss
13: Love shack

14: Party out of bounds (Z)
15: Rock lobster (Z)

Tourdaten The B-52's:

20.08.13 Hanau, Amphitheater 
21.08.13 Berlin, Huxleys 
23.08.13 Leipzig, Parkbühne 
24.08.13 München, Muffathalle


* es geht sogar mit Computerteilen und Robotern:  







1 Kommentare :

Patrick hat gesagt…

Hi, Du hast das alles sehr gut beschrieben und kann viele Deiner Eindrücke unterstreichen.
Ich stand beinahe in der Mitte, ein wenig links, etwa in der vierten "Reihe".
Dort waren die Aussagen von Fred sehr schwer zu verstehen. Einiges habe ich mitbekommen und gelacht, aber vieles im ist Applaus und dem Kreischen der Damen neben und hinter mir unter gegangen. Und da ging es wohl den meisten so.
Während der erste drei Songs wurden immer wieder die Level der Mikros angehoben. Cindy hat mehrfach Zeichen dazu gegeben. Wobei ich sie später teils deutlicher zu hören fand, als Kate. Die Keyboards kamen leider fast gar nicht durch. Bei "Love in the Year 3000" (Fred sagte: Liebe im Jahr 3000 .... mein Deutsch kommt langsam wider) habe ich von den üblicherweise zu Anfang eingespielten Synthie-Sounds nichts gehört, bis die Gitarre einsetzte.

Alles in allem war ich glücklich mit dem Konzert, wenngleich alles nach nur 70 Minuten vorbei war, was ich doch sehr kurz fand. (Auftritt 20:28, Abgang 21:38 Uhr)

Jedenfalls habe ich sie noch Live erleben dürfen. Und sie waren sehr gut, rocken das Haus. Nein, es war überhaupt kein bisschen peinlich!
Klar, sie bekommen Falten. Fred (62) einen Bauch ;) Cindy (56) ist sozusagen das Nesthäkchen, doch schaut sie manchmal aus, als würde sie jeden Moment weinen und Kate (65) kann das alter allmählich auch nicht mehr verbergen.
Aber wen juckt es? Sie hüpfen nicht herum, als wollten sie 30 sein und das, was gezeigt wurde war klasse.
Man sollte noch die anderen Musiker nennen, finde ich, denn sie haben einen ausgezeichneten Job gemacht: Drums: Sterling Campbell (49), Bass: Tracy Wormworth, Gitarre und Keyboards: Paul Gordon, Lead Gitarre: Tja ... da hapert es. Der junge Mann sah sehr nerdig aus. :) Den Namen habe ich im allgemeinen Geschrei leider nicht verstehen können. Er war wirklich gut und das wurde ihm mehrfach durch Cindy und auch Paul und am Ende auch von Sterling, sowie Fred aufmunternd bestätigt.
Vielleicht hat es jemand anderes verstanden.

Alles in allem: Daumen hoch!

 

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