Konzert: Get Well Soon & Le grand ensemble
Ort: Konzerthaus Dortmund
Datum: 08.05.2010
Zuschauer: bis auf wenige Plätze ausverkauft
Dauer: ziemlich genau 90 min
"Und was machen die für Musik?" ist die Frage, vor der ich immer Angst habe, wenn ich erzähle, daß ich ein Konzert einer Band* namens Get Well Soon sehe. Ich weiß die nicht kurz und knackig zu beschreiben, auch wenn ich ihren Urheber Konstantin Gropper mit seinen Mitmusikern bereits einige Male gesehen habe. Dabei ist das Projekt mittlerweile bei Musikinteressierten natürlich lange schon bekannt und zumindest im (im besten Sinne des Wortes) Indiemainstream etabliert.
Seit ich Get Well Soon eher zufällig in einem Show Case der 07er Popkomm kennengelernt habe, wurden die Säle immer größer und die Auftritte immer besser. Das vierteljährliche Konzert mit den Groppers ist mir eine liebgewonnene Tradition, die bisher nicht die Spur langweilig war.
Nachdem ich aber bereits zwei Konzerte der aktuellen Tour gesehen hatte und damit das Programm, das durch einen begleitenden Film wenig flexibel ist, gut kannte, bedurfte es schon noch eines besonderen Anreizes, ins Ruhrgebiet zu fahren. "Get Well Soon mit großen Ensemble im Konzerthaus Dortmund" überzeugte mich da ganz schnell, denn die besondere Akustik des Profi-Konzertsaals, der eben nicht ursprünglich als Lagerhalle, Räucherkammer eines Schlachthofs, Kino oder Stadtpark genutzt wurde, wirkt bei opulenter Musik wie der von Konstantin Gropper natürlich doppelt und dreifach.
Als ich kurz vor acht im Konzerthaus ankam, strömte bereits alles in den Saal. Ich auch - und zwar eingeschüchtert durch die Rückseite meines Tickets: "ETIKETTE: Eine gute Saalakustik bedeutet leider auch, dass man Husten, Niesen und Handyklingeln deutlich hört. Wir danken für Ihre Rücksichtnahme." Mal gucken, wie mein Dauerhusten in toller Akustik klingen würde. Hoffentlich würde Get Well Soon nicht besonders leise spielen.
Um zehn nach acht ging es schon los. Nur vereinzelte Sitze blieben leer, es sah ausverkauft aus. Die meisten Auftritte drinnen hatte Get Well Soon auf zu kleinen Bühnen absolviert, heute war reichlich Platz! Neben den sechs Musikern, die auf dieser Tour Get Well Soon sind (Verena & Konstantin Gropper, Maxxi Schenkel, Timo Kumpf, Paul Kenny und Marcus Wuest) standen im Bühnenhintergrund Stühle für das Grand Ensemble. Das bestand aus einen Bläser- und einem Streicherquartett und kam gemeinsam mit Get Well Soon auf die Bühne. Zunächst einmal merkte man davon aber noch nicht viel. Seneca's silence, das erste echte Stück des Abends lebte von ganz anderen Instrumenten, von parallel von Verena und Maxxi gespielten Marimba und Glockenspiel. Das war nicht nur akustisch ein sehr früher Höhepunkt, auch das Zusehen faszinierte mich enorm. Die beiden eindrucksvollen Instrumente am rechten und linken Bühnenrand, schnell gespielt, das war und klang fabelhaft!
Bei We are free vom aktuellen Album kamen die Streicher und Bläser zum ersten Mal richtig zur Geltung. Diese zusätzliche Dichte (oder Breite, oder was auch immer) war das versprochen Besondere! Zwei Trompeten, eine Posaune und eine Tuba (ein Sousaphon?), zwei Violinen, eine Viola und ein Cello (sofern ich das alles richtig erkannt habe) machten die Stücke von Konstantin Gropper noch einmal dramatischer. Wie toll!
Die vielen Trompeten und Violinen bedeuteten aber nicht, daß das normale Arrangement der Stücke abgespeckt wurde, zumindest habe ich das nicht bemerkt. Also spielte Maxxi Trompete, wo er das sonst auch macht, genauso wie Verena regelmäßig ihre Geige benutzte.
Was mir in diesem Maße bisher nicht aufgefallen war, ist das extrem viele Tauschen der Instrumente. Daß Keyboarder Marcus allerlei Instrumente bedient und auch Verena und Maxxi in manchem Lied auch auf offener Szene ihre Geräte wechseln, fällt sofort auf. Aber daß fast alle Get Well Soon Musiker mehr als ein Instrument spielen, war mir neu. Nur Sänger Konstantin machte keinen Ausflug ans Marimbaphon; er scheint der unmusikalischste Teil von Get Well Soon zu sein...
Das Programm enthielt wie erwähnt keine Überraschungen. Das aktuelle Programm ist umwerfend schön, auch beim dritten Konzert! Die beiden Verstärkungsquartette kamen nur bei ausgewählten Stücken zum Einsatz, was schade aber sinnvoll war.
Konstantin Gropper hatte offenbar genaue Vorstellungen, wie der Abend sein würde. Als das immer wieder besonders aufregende Listen! Those lost at sea sing a song on christmas day irre langen Applaus auslöste, wunderte er sich: "da spielt man mal in einem Konzerthaus und denkt, die ruhigen Sachen kommen am besten an und dann ist der Beifall bei dem Lied am größten!" Ruhig gibt es eben in klassischen Konzertsälen oft. Die wilden Gitarren und der herrliche Krach am Ende von Listen!... ist aber eben auch noch eine Nummer wirkungsvoller, wenn die Akustik herausragend ist.
Ähnlich euphorisch war die Reaktion auf We are ghosts. Live ist das Stück vom aktuellen Album auch einer meiner großen Favoriten. Das gemeinsame Musikzieren der echten Musikern mit ihren Geistern auf der Leinwand ist einfach herzallerliebst! Enorm punkten konnte heute auch A burial at sea bei mir, eines der ruhigen Stücke, die Konstantin vermutlich meinte.
Die Videounterstützung der derzeitigen Tour schränkt zwar die Möglichkeiten ein, die Setlist zu variieren (etwas, das wir Bands hier eigentlich gerne um die Ohren hauen), läßt aber keine andere Wahl. Der Lohn für fehlende Überraschungen im Programm ist dann aber so groß, daß man dies gerne hinnimmt, denn die Begleitfilme taugen wahnsinnig viel! Und es gibt immer wieder Neues zu entdecken. Wie liebevoll alleine der Angry young man Film umgesetzt ist! Die stolpernden Kinder auf der Flucht aus dem Wald zum Beispiel sind fabelhaft.
Mein visueller Liebling gehörte dann aber nicht mehr zum Film und war vermutlich auch bloß Zufall. Help to prevent forest-fires, die erste Zugabe, wurde auf der riesigen Leinwand von dünnen Lichtpunkten begleitet, die wie Funkenflug aussahen. Wundervoll!
Musikalisch überragend ist grundsätzlich Ticktack! Goes my automatic heart. Der Aufbau des Lieds, erst als Duett der Geschwister gesungen, ganz ohne andere Musiker, die dann später nach und nach einsteigen, beschreibt die Dramatik und Melancholie der Get Well Soonschen Stücke perfekt. Wenn ich also demnächst gefragt werde, was "die denn für Musik machen", werde ich vielleicht Ticktack vorspielen!
Setlist Get Well Soon, Konzerthaus Dortmund:
01: Nausea (instr.)
02: Seneca's silence
03: People Magazine front cover
04: We are free
05: 5 steps / 7 swords
06: A voice in the Louvre
07: Listen! Those lost at sea sing a song on christmas day
08: Werner Herzog gets shot
09: That love
10: If this hat is missing I've gone hunting
11: We are ghosts
12: A burial at sea
13: Ticktack! Goes my automatic heart
14: Angry young man
15: We are the Roman Empire
16: Help to prevent forest-fires (Z)
17: Christmas in adventure parks (Z)
18: I sold my hands for food so please feed me (Z)
Termine Get Well Soon:
02.06.10 Madrid, Madrid Spring Festival
04.06.10 Athen, Synch Festival
06.06.10 Rom, Villa Medici
03.07.10 Duisburg, Traumzeit Festival
08.07.10 Nürnberg, Katharinenruine
09.07.10 Rüsselheim, Phonopop
10.07.10 Görlitz, La Pampa
15.07.10 Dour, Dour Festival (Belgien)
18.07.10 Gräfenhainichen, Melt! Festival
23.07.10 Diepholz, Appletreegarden Festival
24.07.10 Freiburg, ZMF
19.08.10 Salzburg, Frequency Festival
28.08.10 Zürich, Zürich Open Air
02.09. DE - Ulm - Donaufestival (+ Le Grand Ensemble)
11.11. NL - Amsterdam - Melkweg
12. - 13.11. DE - Rolling Stone Weekender
Links:
- aus unserem Archiv:
- Get Well Soon, Paris, 16.03.10
- Get Well Soon, Heerlen, 07.03.10
- Get Well Soon, Frankfurt, 02.03.10
- Get Well Soon, Paris, 26.01.10
- Get Well Soon, Wiesbaden, 22.08.09
- Get Well Soon, Bonn, 04.07.09
- Get Well Soon, Paris, 06.05.09
- Get Well Soon, Nijmegen, 25.04.09
- Get Well Soon, Paris, 14.10.08
- Get Well Soon, Wiesbaden, 30.08.08
- Get Well Soon, Melt!, 20.07.08
- Get Well Soon, Evreux, 28.06.08
- Get Well Soon, Frankfurt, 15.04.08
- Get Well Soon, Köln, 09.04.08
- Get Well Soon, Berlin, 21.09.07
- Get Well Soon, Haldern, 02.08.07
4 Kommentare :
War auch da und fand's sehr schön - allerdings ein bisschen zu basslastig, und vom Grand Ensemble hätte ich gerne mehr gehört!
welcome back, christoph!
freu mich auf einen ausführlichen bericht. und bitte, nicht in französisch!
Gleich?
Ein schöner Bericht von einem überragend guten Konzert! Danke dafür! Wenn es wirklich stimmt, dass GWS beim Donaufestival wieder mit dem großen Ensemble auftreten, bin ich dabei.
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